Marko Feingold verstarb im Alter von 106 Jahren
ORF
Gerald Lehner
Wissenschaft

Neue Professur erinnert an Marko Feingold

An der Uni Salzburg gibt es ab dem Sommersemester 2021 eine neue Professur, die an den 2019 verstorbenen Marko Feingold erinnern soll. Der langjährige Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde war mit 106 Jahren Österreichs ältester Überlebender des Holocaust, populärer, humorvoller Redner und unermüdlicher Kämpfer gegen totalitäre Politik.

Die Universität Salzburg scheint mit diesem Projekt eines neuen Lehrstuhls schon einen Schritt weiter zu sein als die Stadt Salzburg. Deren Politiker debattieren seit längerer Zeit, ob man eine Straße, eine Brücke oder einen Platz zur Erinnerung an Feingold benennen sollte. Seine Witwe Hanna ist dafür, die Churfürst-Gasse in der Altstadt auszuwählen, weil es ein lebendiger Platz mit Uni-Anbindung sei und keine Brücke, deren Adresse zum Beispiel kein Mensch auf einen Brief schreibe.

„Musealisierung reicht nicht“

Feingold ist als ehrenamtliche Präsidentin der Salzburger Kultusgemeinde die Nachfolgerin ihres Mannes. Eine Musealisierung des Holocaust reiche angesichts der aktuellen Bedrohungen gegen die jüdische Kultur in Europa und gegen Israel nicht, sagte sie am Samstag dem ORF: „Wir brauchen in Salzburg, Österreich und Europa eine Zukunft, in der es auch jüdische Menschen gibt – nicht nur Erinnerungsstätten. Allein aus der Vergangenheit heraus kann niemand leben und überleben.“

Angriffe in Graz

In den letzten Tagen wurden in Graz die Synagoge mit mutmaßlich palästinensisch-arabischer Propaganda beschmiert und der Präsident der Grazer Kultusgemeinde mit einem Baseballschläger attackiert – mehr dazu in steinermarkt.ORF.at (23.8.2020)

Hohe Anforderungen an Lehrstuhl-Kandidaten

Der neue Salzburger Lehrstuhl wird im Fachbereich Bibelwissenschaften angesiedelt – finanziert vom Bundeskanzleramt, Land Salzburg, Erzdiözese und Erzabtei St. Peter. Das Gesamtprojekt ist vorerst auf fünf Jahre angelegt. Jede Professur ist jeweils auf ein Jahr befristet. Zusätzlich gibt es die Option auf eine einmalige Verlängerung nach Evaluierung.

An der Uni Salzburg gibt es ab dem Sommersemester 2021 eine neue Professur, die an den 2019 verstorbenen Marko Feingold erinnern soll. Der langjährige Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde war mit 106 Jahren Österreichs ältester Überlebender des Holocaust, populärer, humorvoller Redner und unermüdlicher Kämpfer gegen totalitäre Politik.
ORF
Präsentation des Projekts am Samstag an der Universität Salzburg – mit Pressegespräch

Kooperationen mit anderen Unis

Es wird neue Workshops, Gastvorträge und Tagungen geben. Dazu sollen Forschungs- und Abschlussarbeiten von Studenten betreut werden. Die Kenntnis jüdischer Quellen sowie jüdische Praxis ist neben der Kenntnis der modernen Geschichte des Judentums eine der Hauptvoraussetzungen für die Professur. Eine Vernetzung mit europäischen, israelischen und amerikanischen Universitäten ist laut Ausschreibung wünschenswert, um im jüdisch-christlichen Dialog eine aktive Rolle einzunehmen.

Ebenso werden fließende Sprachkenntnisse in biblischem bis modernem Hebräisch sowie Deutsch, Englisch und einer weiteren Fremdsprache verlangt.

Hanna und Marko Feingold im Frühsommer 2018 nach einem Interview für ORF Radio Salzburg
Gerald Lehner
Marko Feingold mit seiner Frau Hanna, die von der kleinen Salzburger Kultusgemeinde zur Nachfolgerin des langjährigen Präsidenten gewählt wurde

Präsentation am Samstag

Mit der Professur könne das Erbe Marko Feingolds erhalten werden, so der Tenor bei Präsentation des Lehrstuhls am Samstag mit Europaministerin Karoline Edtstadler (ÖVP), Erzabt Korbinian Birnbacher und der Salzburger Wissenschaftslandesrätin Andrea Klambauer (NEOS). Marko Feingold stehe für das unsägliche Leid jüdischer Mitbürger: „Aufrecht, nicht verbittert, stets mahnend“, betonte Erzbischof Franz Lackner in einer Grußbotschaft.

Populärer Namenspatron

Feingold war wesentlich an der Gründung und Weiterführung des Zentrums für jüdische Kulturgeschichte an der Uni Salzburg beteiligt. Die künftige „Marko Feingold Visiting Professorship“ soll die Erinnerung an den weit über Salzburg und Österreich hinaus bekannten Ex-Modehändler, Humanisten und Sozialdemokraten (und Kritiker der SPÖ) wachhalten. Er begeisterte mit seinem Charme, Humor und mitunter gut dosierter Selbstironie eine große Fangemeinde – quer durch alle politischen Lager.

Neuer Vorschlag für Feingold-Straße

Die Stadt Salzburg hat im Juli 2020 den insgesamt 442. Stolperstein bekommen – zur Erinnerung an den Rabbiner von Salzburg, der 1938 von den Nazis vertrieben wurde. Gleichzeitig gibt es in der Diskussion um eine Straße für den 2019 verstorbenen Marko Feingold eine Wendung, den damals ältesten Holocaust-Überlebenden Österreichs – mehr dazu in salzburg.ORF.at (16.7.2020)

Weitere Blicke in unser Archiv

Die letzte größere Debatte Marko Feingolds mit Salzburger Politikern fand im Herbst 2018 zu diesem Thema statt – via salzburg.ORF.at und ORF Radio Salzburg:

  • Existenz der Jüdischen Gemeinde bedroht
    Die Israelitische Kultusgemeinde Salzburg wird immer kleiner und ist in ihrer Existenz bedroht. Die meisten Mitglieder sind schon älter oder hochbetagt. Salzburgs Juden hoffen auf Hilfe der Politik, um ein künftiges Ende ihrer Gemeinschaft abzuwenden – mehr dazu in salzburg.ORF.at (29.10.2018)
  • Gemischte Reaktionen: Israelische Experten für Salzburg?
    Salzburgs SPÖ auf Landesebene, Grüne, NEOS, Teile der ÖVP und die Uni machen nun Vorschläge, um die gealterte Israelitische Kultusgemeinde zu retten. Einige Politiker befürworten den Zuzug junger Wissenschaftler und Techniker aus Israel – mehr dazu in salzburg.ORF.at (12.2.2019)
  • Gedenken an jüdische Flucht über die Alpen
    Einer unglaublichen Flucht über das Hochgebirge beim Krimmler Tauernpass wird alljährlich in Salzburg gedacht. Im Sommer 1947 waren rund 5.000 Juden vom Pinzgau über die Alpen marschiert. Fluchthelfer war damals Marko Feingold, Überlebender von vier NS-Konzentrationslagern – mehr über eine dieser Gedenkveranstaltungen in salzburg.ORF.at (23.6.2017)
Jüdische Flucht über den Krimmler Tauern
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Überlebende aus Lagern der Nationalsozialisten auf dem Weg durch Salzburgs Berge nach Genua. Mit Schiffen reisten sie weiter weiter nach Haifa und Jaffa bzw. Tel Aviv.
  • Gedenkturnier für jüdische Fußballer
    Im Herbst 2011 ging es ihm um die Erinnerung an jüdische Salzburger Fußballer der Zwischenkriegszeit, die in Konzentrationslagern umkamen. Jugend heute in Europa: Feingold machte im Herbst 2011 in Hallein den Anstoß für ein besonderes Fußballturnier. Es spielten Tennengauer Teams gegen eine jüdische Kinder-Mannschaft aus München – mehr dazu in salzburg.ORF.at (30.10.2011)
Marko Feingold beim Kinder Gedenkturnier für Jüdische Fußballer in Hallein
Gerald Lehner
Fußballfan Feingold am Rand des Spielfelds: Kinder-Turnier in Hallein.