Die riesige Schönfeldspitze mit ihrer weithin sichtbaren Pyramidenform ist nach dem Selbhorn (2.655 Meter) der zweithöchste Berg des Steinernen Meeres in den Berchtesgadener Alpen. Sie überragt die Südwände, die das Hochplateau zwischen Maria Alm und Saalfelden (beide Pinzgau) begrenzen.
Kunstwerk von Anton Thuswaldner
1971 hat die Alpenvereinsjugend der ÖAV-Sektion Saalfelden das international bekannte Kunstwerk als Gipfelkreuz aufgestellt – eine sehr große Pieta aus Holz. Mit der Muttergottes Maria als Standbalken und – dem nach der Kreuzigung scheinbar toten – Jesus Christus als Querbalken. Die gleichermaßen moderne wie traditionelle Skulptur hat vor 49 Jahren der heute 91-jährige Bildhauer und Maler Anton Thuswaldner in Kaprun (ebenfalls Pinzgau) geschaffen.
Blitzschlag oder Sturm
Bei dem Unwetter in der Nacht auf Mittwoch, bei dem es auch in Talgemeinden einige Schäden gab, soll der Christus vom Höhensturm abgerissen oder vom Blitz zerstört worden sein. Das bestätigt Manfred Gruber, Hüttenwirt des Riemannhauses auf der Ramseider Scharte bei Saalfelden. Die Schutzhütte gehört dem Deutschen Alpenverein und ist Ausgangspunkt für die Schönfeldspitze sowie von Kletter- und Hochtouren im Steinernen Meer.
Zeitzeuge: „Kreuz war vielen zu modern“
Der Saalfeldener Alpinist, Kletterer, Tischler und frühere Gemeindebedienstete Hilarius Lassnig war bei der Fixierung des Kunstwerkes vor 49 Jahren dabei. Dem ORF erzählte er Donnerstag ein paar Details aus dieser Zeit: „Die Pieta stand vor der Montage auf dem Gipfel einige Wochen zur Ansicht im Zentrum von Saalfelden. Das Kunstwerk von Toni Thuswaldner hat damals einige Leute schwer verärgert, weil sie mit der schönen Skulptur nichts anfangen konnten. Das war ihnen alles viel zu modern. Mir hat sie schon damals gefallen.“
Idee kam von Extrembergsteiger Wörgötter
Lassnig gehörte 1971 zum Team der Alpenvereinsjugend Saalfelden, die auf dem Gipfel die Verankerungen im Boden vorbereitete, bevor die Skulptur bei zwei Hubschrauberflügen auf die Spitze geflogen und gleich aus der Luft ins Fundament gesetzt wurde: „Das Projekt ging auf Wastl Wörgötter zurück, unseren langjährigen Alpenvereinschef. Der hat im Brotberuf bei den Tauernkraftwerken in Kaprun damals mit dem Künstler Toni in der Abteilung Vermessungstechnik gearbeitet.“
Wörgötter war über Jahrzehnte als Extrembergsteiger auch im Himalaya unterwegs. 1977 gelangt ihm mit seinem Bruder Peter die Zweitbesteigung des 8.511 Meter hohen Lhotse, des direkten Nachbarn des Mount Everest.
ORF-Hubschrauber flog das Kreuz auf den Berg
Das in unserer Galerie vorhandene Foto des ruinierten Kreuzes ist seit Mittwoch via Internet in Bergsteigerkreisen im Umlauf. Noch am Tag vor dem Sturm sei die Skulptur intakt gewesen, betonen Alpinisten. Und noch ist unklar, ob, wann und wie die Pieta repariert bzw. erneuert werden kann. Künstler Thuswaldner lebt hochbetagt in Kaprun, und es ist noch nicht bekannt, ob er einspringen kann oder will.
Den Transport ins Hochgebirge übernahm übrigens 1971 ein Hubschrauberteam des ORF, der auch die beiden Flüge bezahlte, wie sich Initiator Wastl Wörgötter erinnert. Eine solche ORF-Maschine gab es damals noch. Zuerst sei die Maria und dann der Jesus geflogen worden. Nun will sich der frühere Sektionschef des ÖAV Saalfelden für eine möglichst rasche Reparatur von Gottes Sohn einsetzen.
Wahrzeichen der Region
Für viele Bergsteiger, Kunstfreunde und Katholiken ist das Kreuz ein Wahrzeichen des Steinernen Meeres. An der Schönfeldspitze führt seit Jahrhunderten auf dem Hochplateau auch die traditionelle Wallfahrtsroute zwischen Maria Alm (Pinzgau) und St. Bartholomä am Königssee (Berchtesadener Land, Watzmanngebiet, Bayern) vorbei.