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Chronik

Keine Invaliditätspension für HIV-Patient

In Salzburg ist ein mit HIV infizierter Mann jetzt mit seiner Klage gegen die Pensionsversicherungsanstalt auf eine Invaliditätspension gescheitert. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Der Rechtsanwalt des Klägers brachte bereits Berufung ein.

Der 30-Jährige wollte vor dem Arbeits- und Sozialgericht eine unbefristete Invaliditätspension, zumindest aber Rehabilitationsgeld für die Dauer seiner Arbeitsunfähigkeit durchsetzen.

Der mittlerweile in Deutschland lebende Mann war von 2009 bis 2015 in Österreich beschäftigt, sieht sich aber nach einer langen Leidensgeschichte nicht mehr in der Lage zu arbeiten. Laut seinem Anwalt war er in den vergangenen Jahren durchschnittlich mehr als 20 Wochen pro Jahr im Krankenstand.

In Wien von Sexualpartner wissentlich angesteckt

Der Kläger war 2009 nicht zuletzt infolge seiner Homosexualität aus der Provinz nach Wien gezogen und dort von einem Sexualpartner wissentlich mit dem Virus angesteckt worden. Der Täter wurde später auch zu einer unbedingten Haftstrafe verurteilt. Nachdem dieser aus dem Gefängnis entlassen worden war, sei er selbst aus Wien weggezogen und später nach Deutschland geflüchtet, um eine größere Distanz zu schaffen, berichtete der 30-Jährige.

Er leide aber noch immer unter Depressionen, Ängsten und Panikattacken. Zu Stigmatisierung, Ausgrenzung und Diskriminierung komme die permanente Sorge, dass die antiretrovirale Therapie nicht anschlägt und Karzinome und Tumore entstehen. „Wie soll sich da mein psychischer Zustand bessern?“, sagte er im Verfahren.

Gerichtsgutachter widersprechen deutschen Befunden

Der Mann legte im Prozess eine Reihe von Befunden aus Deutschland vor, die seine psychische Erkrankung als chronisch einstufen und eine Besserungschance für praktisch ausgeschlossen halten. Die beiden vom Gericht in Salzburg bestellten Gutachter aus den Fachbereichen Psychiatrie und Psychologie kommen aber zu einem anderen Ergebnis.

Bei einer adäquaten Behandlung – etwa einer Kombination aus stationärem Aufenthalt in der Psychiatrie, regelmäßiger Psychotherapie und einer guten Einstellung mit Antidepressiva – sei „mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit“ eine Verbesserung des Gesundheitszustands samt Wiedererlangung der Arbeitsfähigkeit „innerhalb von zwölf Monaten zu erwarten“.

Richter folgte Argumentation der Sachverständigen

Schon in den Monaten vor dem Prozess sei es bei dem Kläger offenbar zu einer Besserung gekommen, berichtete eine Gutachterin im Verfahren. Während noch im Oktober 2019 eine schwere depressive Episode festgestellt worden war, wurde im Frühjahr 2020 in einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung eine mittelgradige depressive Episode attestiert.

In dieses Bild passe auch, dass der Kläger selbst mit dem Auto nach Salzburg zum Verfahren anreiste und einen Covid-19-Test durchführte. Der Richter folgte schließlich der Argumentation der Sachverständigen und hielt eine Besserung bei Inanspruchnahme der empfohlenen Behandlungsmaßnahmen für sehr wahrscheinlich.

„In Österreich nicht mehr sozialversichert“

Nach einer Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs vom März 2020 bestehe zudem keine Verpflichtung, dem Mann Rehabilitationsgeld für die Dauer der Arbeitsunfähigkeit zu bezahlen. „Er absolvierte den größeren Teil seiner Erwerbsfähigkeit in Deutschland und ist seit Beendigung seiner Beschäftigung in Österreich hier nicht mehr sozialversichert“, hieß es im Urteil.

Anwalt des Patienten legt Berufung gegen Urteil ein

Der Rechtsanwalt des 30-Jährigen legte umgehend Berufung ein. „Die Sachverständigengutachten spiegeln die gesundheitliche Realität meines Mandaten nicht wider“, sagte er gegenüber der APA.

Das Gericht habe etwa die Einholung eines weiteren Gutachtens zur Frage der zu erwartenden Krankenstände abgelehnt. Zudem habe es Fehler in der rechtlichen Beurteilung gegeben. So habe die Gutachterin selbst in einem Ergänzungsgutachten die Wahrscheinlichkeit einer Besserung mit 40 Prozent angegeben. „Das stellt keine sehr wahrscheinliche Besserung dar.“