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Landwirtschaft

„Problemwolf“ zum Abschuss frei

Die Bezirkshauptmannschaft St. Johann (Pongau) hat nun erstmals den Abschuss eines Wolfes genehmigt. Dem ging ein umfangreiches Ermittlungsverfahren voraus. Die Behörde betritt damit Neuland im EU-Recht. Geschädigten Bauern sind die Fristen zu lang. Der WWF will den Bescheid bekämpfen.

Die zentralen Fragen im Verfahren waren, ob sich die Wolfspopulationen in ihrem natürlichen Verbreitungsgebiet befinden, ob es andere Möglichkeiten als den Abschuss gibt und ob dadurch der im EU-Recht geforderte „günstige Erhaltungszustand“ verhindert oder weiter verschlechtert wird.

Gutachten eines Wildbiologen als Grundlage

Die BH kommt zu dem Schluss, dass der Erhaltungszustand des Wolfes in der betroffenen Region durch einen Abschuss – im Amts- bzw. Jägerdeutsch: eine Entnahme – nicht weiter verschlechtert wird. Eine zumutbare andere Lösung – etwa Maßnahmen zum Herdenschutz – habe es nicht gegeben oder würde nur mit „intensivem“ Geld- und Personaleinsatz „vielleicht eine Wirkung“ zeigen.

Agrarlandesrat Josef Schwaiger (ÖVP) betonte, es sei ihm wichtig, ein objektives Verfahren sicherzustellen. Das Rückgrat bilde der Wolfsmanagementplan des Landes, der gemeinsam mit NGOs und Vertretern von Behörden, Landwirtschaft, Naturschutz und Jagd erarbeitet worden sei: „Es ist im Sinne aller Beteiligten, dass dieses Verfahren geführt wurde, um rechtliche Klarheit schaffen zu können“, so Schwaiger.

„‚Problemwolf‘ auf Töten von Nutztieren spezialisiert“

In diesem Managementplan wird ein „Problemwolf“, der abgeschossen werden darf, genau definiert: Es muss ein einzelner Wolf sein, der 25 Nutztiere innerhalb eines Monats trotz zumutbarer Schutzmaßnahmen oder in nicht schützbaren Bereichen tötet oder verletzt. Daraus könne man ableiten, dass es sich um ein Tier handelt, das sich auf Töten von Nutztieren spezialisiert hat. In solchen Fällen wird ein Antrag auf Entnahme empfohlen. „Aufgrund dieses gemeinsamen Bekenntnisses zur Vorgehensweise appelliere ich an alle Vertreter des Salzburger Koordinationsgremiums, auch zum Plan zu stehen“, so Schwaiger.

Agrargemeinschaft stellte Antrag

Den Antrag zum Töten des Wolfs hat die Agrargemeinschaft Tofernalm in Großarl (Pongau) vor rund einem Jahr gestellt. Damals waren innerhalb weniger Wochen insgesamt 24 Schafe gerissen worden, vier weitere wurden verletzt und elf vermisst.

Sollte gegen den Bescheid Beschwerde erhoben werden, geht die Sache an das Landesverwaltungsgericht als nächste Instanz. Die Einspruchsfrist beträgt ab Zustellung des Bescheides vier Wochen.

Bauernkammer kritisiert lange Fristen

Der Salzburger Landwirtschaftskammer-Präsident Rupert Quehenberger hat „diese Entscheidung so erwartet“. „Aus unserer Sicht ist dieser Bescheid sachlich richtig und fachlich gerechtfertigt.“ Allerdings zeige die Verfahrensdauer von knapp einem Jahr sehr deutlich, dass dieses Verfahren denkbar ungeeignet sei, um den Weidehaltern und Almbauern auch nur annähernd eine Hilfe zu sein:

„Die Beschränkung auf den Pongau bzw. zwei Wildregionen bewirkt, dass derselbe ‚Problemwolf‘ bereits ein paar Kilometer weiter im Pinzgau außerhalb der Zuständigkeit der BH St. Johann ist. Für Großraubtiere wie den Wolf machen solche Beschränkungen aber keinen Sinn.“ Quehenberger fordert ebenfalls „mit Nachdruck“ Änderungen im Naturschutzrecht, die beschleunigte Verfahren erlauben.

FPÖ-Chefin Svazek: „Strenger Schutz in Europa überholt“

Salzburgs FPÖ-Chefin Marlene Svazek – selbst Jägerin – meinte, dass der Abschuss des „Problemwolfs“ im Großarltal die Problematik nur geringfügig löse. „Die leidtragenden Bauern erwarten sich in ihrer Not wohl etwas anderes, als 13 Monate auf einen Bescheid zu warten.“ Es werde immer wieder Wölfe auf Wanderschaft in Salzburg geben, auch Rudelbildungen seien nicht ausgeschlossen: „Der Wolf ist längst keine vom Aussterben bedrohte Art mehr in Europa. Sein strenger Schutz ist überholt“, so Svazek.

WWF will Bescheid bekämpfen

Die Naturschutzorganisation WWF Österreich kritisierte den Bescheid zum Abschuss als „europarechtswidrigen Anschlag“ auf den Naturschutz. „Die Entscheidung der Behörde widerspricht in mehreren Punkten dem strengen europaweiten Schutz der Wölfe. Daher werden wir den Abschussbescheid beim Landesverwaltungsgericht beeinspruchen.“

Es sei zudem wahrscheinlich, dass hier ein durchstreifender Wolf zur Tötung freigegeben werde, der „mit hoher Wahrscheinlichkeit längst weitergezogen“ sei: „Das zeigt die Absurdität und Widersprüchlichkeit des Vorgehens. Anstatt der Almwirtschaft langfristig zu helfen, dominiert Herdenschutzverweigerung“, so Christian Pichler.

Vom Wolf gerissene Tiere
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Vom Wolf getötete Schafe und Lämmer im Großarltal

Kritik an Abschussplänen

"Während andere Länder Europas seit Jahren Herdenschutzmaßnahmen mit Zäunungen und Hunden zum Schutz ihrer Tiere finanziell großzügig unterstützen und damit bereits viel Erfahrung aufbauen konnten, gehen Salzburgs Bauern beim Schutz ihrer Herden weiterhin leer aus“, sagte Astrid Rössler, Umweltsprecherin der Grünen im Nationalrat und frühere Landespolitikerin in Salzburg: „Ich appelliere an die Vernunft, nachhaltige Herdenschutzmaßnahmen nicht weiter zu blockieren und gerade in Zeiten des weltweit größten Artensterbens nicht den Abschuss einer bedrohten Tierart als Lösung zu verkaufen.“

Rössler forderte, dass auch das Land Salzburg in Herdenschutzmaßnahmen investiert – nach dem Beispiel Tirols.

Bergbauern verweisen auf „äußerst hohe Kosten“

In Salzburg lehnen zahlreiche Bergbauern die Anschaffung von langen Spezialzäunen und die aufwendige Ausbildung von Herdenschutzhunden ab: „Viel zu teuer und auf den topografisch äußerst schwierigen Salzburger Almen kaum praktikabel. Außerdem müssen Wanderer dann wieder extra vor den Hunden geschützt werden. Wir haben ohnehin besonders schwierige Produktionsbedingungen im Bergland und auch durch den CoV-‚Lock-down‘ im Tourismus weiter hohe Verluste beim Verkauf von regionalen Agrarprodukten“, sagte der Schafzüchter und Biobauer Robert Zehentner von der Tauernlamm-Genossenschaft in Taxenbach (Pinzgau).

„Problemwolf“ zum Abschuss frei

Die Bezirkshauptmannschaft St. Johann (Pongau) hat nun erstmals den Abschuss eines Wolfes genehmigt. Dem ging ein umfangreiches Ermittlungsverfahren voraus. Die Behörde betritt damit Neuland im EU-Recht. Geschädigten Bauern sind die Fristen zu lang. Der WWF will den Bescheid bekämpfen.