Politik

Streit ums Sparen bei der Barrierefreiheit

Mehrere Gleichstellungsorganisationen kritisieren die Pläne des Landes Salzburg, das unter anderem die Vorschriften für die Barrierefreiheit bei Wohnbauten reduzieren will, um Baukosten zu senken. Das benachteilige Menschen mit Behinderung, so deren Vertreter.

Es geht um kleine geförderte Wohnungen zwischen 45 und 65 Quadratmetern, in denen die Bewohner dann zehn Prozent weniger Miete zahlen sollen. Gespart wird unter anderem bei der Barrierefreiheit. Nur das Untergeschoß ist verpflichtend barrierefrei. Ein Lift muss nicht gebaut, sondern nur eingeplant werden. „Wenn ich hier die Schiene lege, dass auch weniger genügt, dann wird das die Wirtschaft so aufgreifen und sagen: Dann brauchen wir nicht mehr zu tun“, kritisiert Margarete Brennsteiner, Landespräsidentin des Österreichischen Zivilinvalidenverbandes (ÖZIV) in Salzburg.

Alte Menschen mit Rollstuhl in Kochnische einer Wohnung
ORF
Weniger Barrierefreiheit in Wohnungen für niedrigere Kosten – dieser Plan der Landesregierung ist gerade umstritten

Das neue Gesetz betrifft gemeinnützigen Genossenschaften. Dort versteht man die Aufregungen bei den Organisationen der Menschen mit Behinderung: „Prinzipiell ist diese Kritik berechtigt“, sagt Stephan Gröger, Obmann des Verbands der Wohnbaugenossenschaften. „Man muss aber sagen: Wenn man nicht irgendwo spart, dann wird es nie billiger. Wir bauen ja sehr, sehr viele Wohnungen. Und ich gehe davon aus, dass diese Wohnungen, die wir nach diesem Gesetz bauen, einige wenige sein werden – vielleicht fünf Prozent in Summe. Dort gibt es halt diese Barrierefreiheit in der Form nicht.“

Barrierefreiheit: „Nachrüsten ist immer teurer“

Das neue Wohnbau-Gesetz lässt Nachrüstungen im Sinne der Barrierefreiheit zu. Doch das habe auch seine Nachteile, sagt ÖZIV-Landespräsidentin Brennsteiner: „Ich sitze in der Vergabekommission im Land Salzburg, wo wir Nachrüstungen für behinderte Menschen behandeln. Das ist immer teurer wie wenn man von Vorneherein schon darauf Bedacht nimmt.“

Raumordnungslandesrat Josef Schwaiger (ÖVP) verteidigt aber die geplante Gesetzesänderung – diese helfe gerade jungen Menschen, die eine günstige Wohnung brauchen: „Es gibt viele junge Erwachsene, die diesen Lift eine lange Zeit nicht brauchen. Der macht Betriebskosten in einem entsprechenden Ausmaß. Und wir müssen an allen Ecken und Enden sparen.“ Denn der Quadratmeter soll maximal zehn Euro Monatsmiete kosten.

Konflikt um billigeres Bauen bei geförderten Wohnungen

Genossenschaften prüfen gerade, ob sie Sparziele schaffen

Verpflichtende Abstellräume, Kinderspielplätze oder Waschräume fallen nach dem neuen Gesetz weg. In bestimmten Fällen sollen die Genossenschaften auch auf Grünland bauen dürfen, das kurz vor der Umwidmung steht.

Ob die Rechnung wirklich aufgeht? Der Verband der Wohnbaugenossenschaften ist vorsichtig: „Wir prüfen gerade mit unserer Technikgruppe: Wenn wir diese Einsparungen machen, schaffen wir im gemeinnützigen Bereich der Wohnbauförderungen diese gewünschten oder geforderten zehn Prozent günstigere Miete?“ Das hänge auch davon ab, ob die Genossenschaften Baufirmen finden, die günstig und qualitativ bauen.

Landesrat will „Lobby für die Jugend“ sein

Die Landesregierung will an den Gesetzesplänen weiterhin festhalten, betont Landesrat Schwaiger: „Wir wollen fünf Prozent der Wohnungen zusätzlich so schaffen – das sind um die 40 bis 50 Wohnungen pro Jahr. Es können auch mehr sein. Wir bauen jetzt für die Jugend. Die Lobby, die sie haben, habe ich in der Form bisher nicht verspürt. Jetzt bin ich die Lobby.“ Die Landesregierung will das neue Gesetz im Juli im Landtag beschließen.

Stadträtin Anja Hagenauer im Interview

Anja Hagenauer (SPÖ), Sozialstadträtin in Salzburg, erklärt, wie sie die Kritik der Behindertenverbände am neuen Baugesetz sieht.

Stadträtin sieht „Sparen an der falschen Stelle“

Doch die Salzburger Sozialstadträtin Anja Hagenauer (SPÖ) will gegen die Gesetzesnovelle kämpfen: „Man spart eindeutig an der falschen Stelle. Wenn man nicht barrierefrei baut, spart man ein Prozent der Baukosten. Man schließt aber 20 Prozent der Bevölkerung aus“, betonte sie Montagabend im „Salzburg heute“-Interview. Denn nicht nur Menschen im Rollstuhl profitieren von Barrierefreiheit in Wohnanlagen, sondern zum Beispiel auch junge Familien mit Kinderwägen.

Zudem gebe es bei Wohnungen ohne Barrieren noch eine gewaltigen Aufholbedarf in Salzburg, sagte Hagenauer: „Es muss jetzt zu hundert Prozent barrierefreies Wohnen gebaut werden, denn im Gesamt-Wohnungsbestand sind wir erst bei fünf bis sechs Prozent Barrierefreiheit.“ Statt beim Lift solle man eher bei der Tiefgarage einsparen, betont Hagenauer: „Für das Auto ist im Gesetz weiter alles vorgesehen, aber bei Menschen mit Behinderungen spart man.“