Acht Jahre nach Beschlagnahmung des „Schwabinger Kunstfunds“ von Cornelius Gurlitt sind die Recherchen von deutscher Seite zur Herkunft der rund 1.500 Kunstwerke weitgehend beendet. Auch im  Salzburger Stadtteil Aigen wurden Werke in Gurlitts Privathaus sichergestellt. Ein neues Buch dokumentiert den Stand der Forschung.
Gerald Lehner
Gerald Lehner
Kultur

NS-Raubkunst: Neues Buch über Kunsthändler Gurlitt

Acht Jahre nach Beschlagnahmung des „Schwabinger Kunstfunds“ von Cornelius Gurlitt sind die Recherchen von deutscher Seite zur Herkunft der rund 1.500 Kunstwerke weitgehend beendet. Auch im Salzburger Stadtteil Aigen wurden Werke in Gurlitts Privathaus sichergestellt. Ein neues Buch dokumentiert den Stand der Forschung.

Ein neuer Sammelband mit Aufsätzen („Kunstfund Gurlitt. Wege der Forschung“) bringt einige Erkenntnisse. Neben dem formalen Abschluss der Arbeit vieler Frauen und Männer aus der Provenienzforschung bleibt die drängende und für viele wichtigste Frage weiter unbeantwortet: Wie viele der Werke aus der Kollektion, die Cornelius Gurlitt (1932 bis 2014) jahrzehntelang in München und Salzburg hütete und hortete, sind NS-Raubkunst? Was gehörte Folter- und Mordopfern der Nationalsozialisten, bzw. was gehört noch immer deren Nachfahren bzw. rechtmäßigen Erben?

Neues Buch mit Aufsätzen von Fachleuten

Der Vater des 2014 verstorbenen Kunsthändlers hieß Hildebrand Gurlitt. Dieser war im „Dritten Reich“ der Nationalsozialisten laut Historikern und Provenienzforschern ein skrupelloser Geschäftsmann. Auch der ältere Gurlitt arbeitete als Kunsthändler – und zwar in direktem Auftrag Hitlers. Er habe Strohmänner und Decknamen genutzt, gelogen und Quittungen gefälscht, sagen Historiker. Sein Sohn Cornelius schmuggelte noch in den 1960er-Jahren Werke, die der Vater unter deutscher Besatzung in Frankreich „gekauft“ hatte, über die Grenze. Bei ihm wurde vor acht Jahren in seiner Münchner Wohnung der spektakuläre „Schwabinger Kunstfund“ beschlagnahmt. Dazu kamen die Werke, die im Privathaus von Cornelius Gurlitt im Salzburger Stadtteil Aigen entdeckt wurden.

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Acht Jahre nach Beschlagnahmung des „Schwabinger Kunstfunds“ von Cornelius Gurlitt sind die Recherchen von deutscher Seite zur Herkunft der rund 1.500 Kunstwerke weitgehend beendet. Auch im  Salzburger Stadtteil Aigen wurden Werke in Gurlitts Privathaus sichergestellt. Ein neues Buch dokumentiert den Stand der Forschung.
Gerald Lehner
Dienstag, 26. Mai 2020: Mittlerweile zugewucherter Eingangsbereich von Gurletts Einfamilienhaus im Salzburger Stadtteil Aigen, das dem 2014 verstorbenen Kunsthändler auch als Depot diente
Acht Jahre nach Beschlagnahmung des „Schwabinger Kunstfunds“ von Cornelius Gurlitt sind die Recherchen von deutscher Seite zur Herkunft der rund 1.500 Kunstwerke weitgehend beendet. Auch im  Salzburger Stadtteil Aigen wurden Werke in Gurlitts Privathaus sichergestellt. Ein neues Buch dokumentiert den Stand der Forschung.
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Dienstag, 26. Mai 2020: Mittlerweile zugewucherter Eingangsbereich von Gurletts Einfamilienhaus im Salzburger Stadtteil Aigen, das dem 2014 verstorbenen Kunsthändler auch als Depot diente
Acht Jahre nach Beschlagnahmung des „Schwabinger Kunstfunds“ von Cornelius Gurlitt sind die Recherchen von deutscher Seite zur Herkunft der rund 1.500 Kunstwerke weitgehend beendet. Auch im  Salzburger Stadtteil Aigen wurden Werke in Gurlitts Privathaus sichergestellt. Ein neues Buch dokumentiert den Stand der Forschung.
Gerald Lehner
Dienstag, 26. Mai 2020: Mittlerweile zugewucherter Eingangsbereich von Gurletts Einfamilienhaus im Salzburger Stadtteil Aigen, das dem 2014 verstorbenen Kunsthändler auch als Depot diente
Acht Jahre nach Beschlagnahmung des „Schwabinger Kunstfunds“ von Cornelius Gurlitt sind die Recherchen von deutscher Seite zur Herkunft der rund 1.500 Kunstwerke weitgehend beendet. Auch im  Salzburger Stadtteil Aigen wurden Werke in Gurlitts Privathaus sichergestellt. Ein neues Buch dokumentiert den Stand der Forschung.
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Dienstag, 26. Mai 2020: Mittlerweile zugewucherter Eingangsbereich von Gurletts Einfamilienhaus im Salzburger Stadtteil Aigen, das dem 2014 verstorbenen Kunsthändler auch als Depot diente
Acht Jahre nach Beschlagnahmung des „Schwabinger Kunstfunds“ von Cornelius Gurlitt sind die Recherchen von deutscher Seite zur Herkunft der rund 1.500 Kunstwerke weitgehend beendet. Auch im  Salzburger Stadtteil Aigen wurden Werke in Gurlitts Privathaus sichergestellt. Ein neues Buch dokumentiert den Stand der Forschung.
Gerald Lehner
Dienstag, 26. Mai 2020: Mittlerweile zugewucherter Eingangsbereich von Gurletts Einfamilienhaus im Salzburger Stadtteil Aigen, das dem 2014 verstorbenen Kunsthändler auch als Depot diente

Anrainer in Aigen wundern sich

Gurlitt vererbte seine Schätze dem Kunstmuseum Bern in der Schweiz. Dieses teilte 2017 mit, man werde das Salzburger Haus verkaufen, um die Unkosten bei der Bearbeitung der Erbschaft zu decken. Ob es dann verkauft wurde, das ist bisher nicht bekannt. Ein Anrainer sagte dem ORF, seit Jahren habe es hier keine Zeichen auf Veränderungen mehr gegeben. Viele seien verwundert und würden sich fragen, wie es mit dem Haus weitergeht.

Viele Hintergründe von Kunstwerken nicht geklärt

Nur insgesamt 14 Werke von Künstlern wie Max Liebermann, Henri Matisse, Thomas Couture oder Adolph von Menzel wurden bisher eindeutig als Raubkunst identifiziert und an die rechtmäßigen Eigentümer restituiert. 445 Positionen wurden als „unbedenklich“ kategorisiert. Doch es bleiben weit mehr als 1000 Werke, deren Herkunft nicht eindeutig geklärt werden konnte. „Es gibt eine ganz große Grauzone“, bilanziert der Kunsthistoriker Gilbert Lupfer, der den Sammelband mit herausgegeben hat. Er ist Vorstand des Deutschen Zentrums Kulturgutverluste in Magdeburg, das seit 2016 die Forschungsarbeit zum Kunstfund Gurlitt fortführte.

„Recherche ist ausgeschöpft“

Nachdem Experten aus Deutschland, Frankreich, Israel oder den USA jahrelang zum Gurlitt-Fund geforscht hätten, müsse man jetzt aber sagen: „Was möglich war an Recherche, das haben wir ausgeschöpft.“ Das Kunstmuseum Bern, dem Cornelius Gurlitt die Sammlung vermacht hatte, betreibe noch eine eigene Provenienzforschung. „Und wenn neue Anhaltspunkte oder Quellen auftauchen, werden wir dem nachgehen“, sagte Lupfer der Deutschen Presse-Agentur. Schon früh sei klar gewesen, dass es sich nicht um den anfangs vermuteten „Milliardenschatz der Nazis“ handelte: „Es ist eine gute Kollektion, aber es war nicht die absolute Top-Sammlung.“

Buch zeigt auch Fälschungen

Auch einige Fälschungen hatte sich Hildebrand Gurlitt (1895-1956) unterjubeln lassen, etwa eine allegorische Szene von Marc Chagall. Manche Grafik, angeblich von Auguste Rodin, stammte wohl ebenfalls aus Fälscher-Hand. Auch das kapitale Ölgemälde „Don Quichote et Sancho Pansa“, das Honoré Daumier zugeschrieben wurde, „wirft Zweifel an seiner Authentizität auf“, heißt es in dem Buch.

Klarer wird dagegen das Bild des Kunsthändlers Hildebrand Gurlitt und seiner Geschäftspraktiken im besetzten Frankreich. Er war laut Fachleuten eine ambivalente Person. Er hatte eine jüdische Großmutter und litt zu Beginn der Nazi-Diktatur selbst unter Repressionen, zumal er ein Verfechter der von den Nazis als „entartet“ verfemten modernen Kunst war. „Aber man weiß jetzt, dass er nicht nur als selbst ernannter Retter der Moderne agiert hat, sondern dass er ganz normal mit Hitler und seinen Beauftragten gehandelt hat, also ein skrupelloser Händler war, der sein Geschäft machen wollte“, sagt Lupfer.

Dunkle Machenschaften im besetzten Paris

Im besetzten Paris, wo Gurlitt als einer der Haupteinkäufer des „Sonderauftrags Linz“ für Hitlers geplantes „Führermuseum“ tätig war, habe er „die ganze Klaviatur der legalen und illegalen Methoden“ ausgespielt, so Lupfer. Gurlitt ließ nicht nur Quittungen fälschen, sondern prellte auch seine französischen Geschäftspartner. In die Geschäfte verstrickt war auch seine Geliebte Olga (Lola) Chauvet. Die wahren Verkäufer seien oft verschleiert worden. Das verstärke wiederum den Raubkunstverdacht, betonen die Forscher.

Mehr als 400 Objekte ließ Gurlitt laut Recherche auf offiziellem Weg nach Deutschland bringen. Die Dunkelziffer aber wird fast dreimal so hoch auf 1150 Kunstgegenstände geschätzt. 350 dieser Werke hortete er für sich – sie kamen erst mit dem Kunstfund wieder ans Licht. Zu Gurlitts wichtigsten Kunden in Deutschland zählte laut Forschung das Kölner Wallraf-Richartz-Museum. Nach Ende des Krieges wurden die meisten Werke nach Frankreich zurückgeführt. Auch an die Kunsthallen in Karlsruhe und Hamburg sowie private Sammler vermittelte Gurlitt Kunst aus den besetzten Gebieten.

„Profiteur des NS-Regimes“

Die Frankreich-Geschäfte waren die lukrativsten Jahre für Gurlitt. In wenigen Jahren habe er sich „von einem Leidtragenden zu einem Profiteur des NS-Regimes gewandelt“, heißt es im Buch. Noch nach dem Krieg bewahrte der Kunsthändler Raphael Gérard Werke für Hildebrand Gurlitt in Frankreich auf. Nachdem Gurlitt 1956 bei einem Autounfall starb, schmuggelten seine Kinder Cornelius und Benita Objekte nach Deutschland. Sie versteckten sie im Auto oder ließen sie illegal durch einen Spediteur über die Grenze bringen. „So führte der Sohn das weiter“, sagt Lupfer: „Vielleicht hatte er auch gar kein Unrechtsbewusstsein, weil er davon ausging, dass das einfach das väterliche Erbe war.“

Wie viele Täter auch nach dem Krieg erfolgreich

Hildebrand Gurlitt profitierte auch in der Nachkriegszeit als Leiter des Kunstvereins für die Rheinlande und Westfalen in Düsseldorf von seinen exzellenten Netzwerken. „Wir wissen jetzt auch viele mehr über Mechanismen des Kunsthandels und wie diese über Jahrzehnte ganz diskret weiter funktionierten“, erzählt Lupfer: „Offensichtlich wusste man auch im Kunsthandel: Der Sohn vom alten Hildebrand hat noch ganz interessante Stücke.“ Die habe der Handel „immer mal wieder entgegengenommen und verkauft“, so dass das Geschäft „relativ ungebrochen weiter funktionierte“.

„Auch Kunsthandel weiter verstrickt“

Spätestens durch den „Kunstfund Gurlitt“ ist erneut klar geworden, dass die Suche nach Raubkunst nicht nur auf Museen konzentriert sein dürfe, sondern auch den Kunsthandel und private Sammler ins Visier nehmen müsse: „Diskretion ist für den Kunsthandel zwar wichtig“, sagt Lupfer: „Man sieht jetzt aber, welche lang anhaltenden Netzwerke es gegeben hat und weiter gibt.“