Die grüne Grenze zwischen Salzburg und Bayern verläuft durch viele Wälder, über viele Hochweiden, über Gipfel, Grate, Rücken und Täler. Und die Almbauern bereiten in diesen Tagen den Auftrieb vor.
Wegen der Corona-Grenzsperren stehen sie nun vor vielen und unerwarteten Hürden, wie Klaus Vitzthum von der Bezirksbauernkammer im Pinzgau schildert: „Es kann sich niemand erinnern, dass es jemals eine solche Situation gegeben hat, dass man den Übertritt so erschwert hat wie jetzt."
Möglicherweise war es zur Zeit der berüchtigten „Tausend Mark-Sperre“ in den 1930er-Jahren ähnlich, als das Hitlerregime versuchte, das damals noch unabhängige Österreich unter Druck zu setzen. Jeder Deutsche, der nach Österreich wollte, musste tausend Mark an die deutschen Behörden zahlen. Damit sollte Österreichs Tourismuswirtschaft ruiniert werden, um den kleinen Nachbarstaat für den „Anschluss“ zu zerstören.
Riesige Bürokratie: Geh-Pläne für die Behörden
Die Bauernkammer muss nun Bescheinigungen für Schlüsselarbeitskräfte auf den Almen ausstellen, damit alle Senner und Mitarbeiter der Almen auch rechtmäßig oben arbeiten dürfen, sagt deren Sprecher Vitzthum: „Wenn nun eine österreichische Kuh über die Grenze hinübergeht und ein Senner saust nach, dann könnte es sein, dass ein Zöllner oder Polizist dasteht und den Almbauern bestraft. Weil er sich außerhalb des gesetzlichen Rahmens befindet. Momentan müssen wir in der Kammer Pläne zeichnen, wo es Grenzübertritte von Almpersonal geben kann und geben soll. Diese Pläne schicken wir nach Salzburger zur Polizeidirektion, damit sich die ein Bild machen können. Es dürfen dann nur bestimmte Personen über diese grüne Grenze. Die müssen namentlich genannt werden.“
Almpersonal verunsichert: „Viele Fragen, keine Antworten“
Einen solchen Plan muss es auch für die Kallbrunnalmen in Weißbach bei Lofer (Pinzgau) geben. Dort wird seit Jahrhunderten das Hochland von 30 Bauern gemeinsam bewirtschaftet, 16 aus Bayern, 15 aus Salzburg. Noch sind die Kühe nicht aufgetrieben. Peter Braunmüller und Gabi Sandmaier putzen ihre Jausenstation schon für den Almsommer heraus.
Auch bei ihnen und den Almbauern in der Nachbarschaft weiß noch keiner, was der Sommer und die Behörden bringen werden: „Keiner weiß, wie und wann er kommen soll. Wir haben auch Angestellte aus dem Chiemgau und aus Niederbayern. Die wissen noch nicht, ob sie überhaupt nach Österreich dürfen. Und wenn sie dann zwischendurch nach Hause fahren, kommen sie dann in Quarantäne? Jeder macht sich viele Sorgen, weil wir einfach keine klaren Ansagen bekommen.“
Harte Zeiten auch zwischen Oberpinzgau und Südtirol
Ähnlich ist die Lage im westlichen Oberpinzgau im Krimmler Achental. Hie treiben neun Bauern aus dem angrenzenden Ahrntal im italienischen Südtirol ihr Vieh auf. Nach mühsamen Verhandlungen zwischen den Staaten ist zumindest zugesichert, dass sie heuer kommen dürfen – allerdings auch nur auch unter strengen Auflagen.
Auch Alpinisten, Kletterer, Wanderer betroffen
An den grünen bzw. eisigen Grenzen liegen auch viele Gebiete für Alpinisten, Kletterer, Wanderer und Mountainbiker sowie traditionelle Schutzhütten – wie zum Beispiel das Stahl-Haus auf dem Torrener Joch zwischen Bluntautal (Golling, Salzburger Tennengau) und dem Berchtesgadener Land beim Königssee (Bayern). Die Staatsgrenze verläuft gleich neben der Hütte. Ludwig Eichinger ist Hüttenreferent beim Alpenverein in der Stadt Salzburg, dem dieser Stützpunkt gehört: "Es werden heuer wohl deutsche Gäste ausbleiben, wenn die Grenzkontrollen weiter so rigoros laufen. Dann wird das für unseren Hüttenwirt oben sicher ein Problem werden.“
Almbetrieb durch Grenzkontrollen erschwert
Für Almbauern und Hüttenwirte sind in Punkto Grenzkontrollen viele Fragen offen. Das Übertreten der grünen Grenze ist verboten. Etliche Almen werden jedoch gemeinschaftlich von Bauern aus Salzburg, Bayern oder Südtirol genutzt. Sie unterliegen strengen Auflagen.
Kontrollen, Schikanen im Hochgebirge?
Am 15. Mai sperrend viele Hüttenwirte ihren täglichen Gastbetrieb auf, die mit Schlaflagern erst Ende Mai. Wie streng die Behörden in Wien, Berlin, München und Rom ihre grünen Staatsgrenzen im Salzburger Gebirge wirklich kontrollieren wollen, das weiß keiner so genau. Der finanzielle Personalaufwand wäre jedoch extrem hoch, würde man hart durchgreifen wollen. Auch strenge Kontrollen mit Polizeihubschraubern würden über Wochen und Monate extrem viel Steuergeld kosten, was Regierungen angesichts der allgemeinen Kosten dieser Krise keine große Freude bereiten dürfte. Dem ORF wurde – auf Anfrage – von Behörden jedenfalls mitgeteilt, auch im Hochgebirge könnten Kontrollen „nicht ausgeschlossen“ werden.
Katharina Garzuly, Gerald Lehner – salzburg.ORF.at