Der Deutsche ist der insgesamt erst siebente Preisträger dieser Reihe. Derzeit kämpft Bernd Arnold gesundheitlich noch mit einem Beinbruch, den er sich bei einer leichten Kletterei mit seiner kleinen Enkelin vor ein paar Wochen zugezogen hat. Bis vor wenigen Tagen war der 72-Jährige noch mit Gips und Krücken unterwegs, hat aber schon wieder ausgiebige Kletter- und Reisepläne. Der Preis, der ihm nun in Salzburg überreicht wird, erinnert an den legendären Kletterer und Alleingänger Paul Preuß aus Wien, der am 3. Oktober 1913 auf dem Gosaukamm mit 27 Jahren tödlich abstürzte.
Österreichs traditioneller Antisemitismus
Preuß war 1886 in Altaussee als Sohn einer jüdischen Familie auf die Welt gekommen, wuchs in Wien auf und litt an dem schon damals in Österreich grassierenden Hass gegen Juden. Er studierte in München, konvertierte zum Protestantismus und wurde Pflanzenphysiologe. Skitourengehen und Extremklettern waren seine große Leidenschaften. Im Fels brachte er es schon zu Lebzeiten zu großer Berühmtheit, hatte aber auch viele Neider – besonders bei deutschnationalen Antisemiten im Alpenverein, die es in Wien und an anderen Orten Österreichs schon damals gab.
Paul Preuß war einer der bekanntesten Bergsteiger seiner Zeit, der nicht nur für seine Leistungen, sondern auch für seine Leitsprüche berühmt ist. Besonders bekannt ist in Kletterkreisen seine sportlich äußerst radikale Forderung, man müsse die Kletterstellen, die man nach oben klettert, auch frei und ohne Sicherung abklettern können. Preuß gilt als einer der geistigen Väter des bis heute umstrittenen Free-Solo-Stils und als einer der besten Bergsportler aller Zeiten.
Wegbereiter für den zehnten Grad
Die Avantgarde einer Epoche zu verkörpern, das verbindet die historische Figur Preuß mit einigen wenigen Männern und Frauen unserer Gegenwart. Dazu gehört der Hochleistungssportler Bernd Arnold seit Jahrzehnten. Der nunmehr 72-jährige Sachse ist als nervenstarker Vorsteiger mit einigen zum Teil viel jüngeren Gefährten noch immer in hohen Schwierigkeitsgraden unterwegs. In den 1980er- und 1990er-Jahren war er einer der (weltweit wenigen) Wegbereiter für den damals noch für die meisten Zeitgenossen unvorstellbaren zehnten Schwierigkeitsgrad.
Arnold schien Touren dieser extremen Art im heimatlichen Elbsandstein mit der spielerischen Leichtigkeit zu bewältigen, die für ihn immer schon typisch war. Er lebte und liebte das Klettern auch als innere Flucht vor den Zumutungen der spätstalinistischen Diktatur in der DDR. Deren politischen Strukturen war der gelernte Buchdrucker von Kindesbeinen an ausgeliefert – wie seine Kletterfreunde auch, die sich von der Partei nicht einspannen ließen. Gegen Funktionäre und Bürokraten rebellierten solche Freigeister schon in sehr jungen Jahren. Der rein privat, ohne Doping und weit abseits der staatlichen Verbände betriebene Hochleistungssport war ihre Luft zum Atmen.
Klettern als Fluchtpunkt gegen DDR-Machthaber
Arnold klettert seit den späten 1950er-Jahren. „Als Kind probiert man und zuerst spielt man – und ich habe sehr frühzeitig ‚Bergsteiger‘ gespielt“, sagte er einem Chronisten mit einem Schmunzeln und irgendwann sei dann halt „der Ernst des Lebens“ daraus geworden. Um – wie Reinhold Messner es formuliert – „einer der besten Kletterer der Gegenwart“ zu werden, reichte Arnold in den 1970er- und 1980er-Jahre das räumlich begrenzte Elbsandsteingebirge im deutsch-tschechischen Grenzraum. Rund 900 Routen erschloss er dort mit seinen Gefährten.
Eigenes Kulturfestvial in Hohnstein
Der Sachse veranstaltet jedes Jahr im Frühsommer im historischen Handpuppen-Theater seiner kleinen Heimatstadt Hohnstein bei Dresden ein mehrtägiges Kulturfestival, das sich mit vielerlei historischen und zeitgenössischen Facetten des Bergsports beschäftigt – den „Hohnsteiner Bergsommerabend“, der sich immer über mehrere Tage und Abende erstreckt. Mit seiner Frau Christine betreibt er in Hohnstein und dem nahen Bad Schandau an der Elbe zwei kleine Sportgeschäfte für Kletter, Wanderer und Radfahrer.
Nach dem Untergang des DDR-Kommunismus war Arnold auch in vielen Gebirgen rund um die Ede unterwegs, nachdem sich zuvor sein Aktionsradius gezwungenermaßen auf Staaten des Warschauer Paktes beschränkten musste. In jungen Jahren reiste er mit DDR-Sportlern auch einmal nach Nordkorea, wo ihn Gebirge und die einfachen Menschen auf dem Land und nicht die offiziellen Termine beeindruckten.
Aufbruch nach Übersee ab 1989
Schon in den 1970er-Jahren hatte er über den Anfang der 1930er-Jahre ausgewanderten Sachsen Fritz Wiessner erste Einladungen des amerikanischen Bergsteigerverbandes zu Besuchen in den USA erhalten, die Arnold jedoch nicht annehmen durfte. Nur in einigen wenigen Ausnahmen konnte er mit dem Segen Ostberlins ins westliche Ausland fahren. In seiner privaten Klettermannschaft berichteten zwei Spitzel der SED über seine Kontakte und Freundschaften zu namhaften westdeutschen Bergsteigern wie Wolfgang Güllich, Kurt Albert und Dietrich Hasse. Mit Albert war Arnold nach 1989 unter anderem auf Expeditionen im Karakorum und Patagonien unterwegs.
Download: Portrait in Fachzeitschrift
Hier finden Sie ein (fast) aktuelles Portrait von Bernd Arnold in der Fachzeitschrift „bergundsteigen“ des Deutschen und Österreichischen Alpenvereins aus dem Jahr 2018 – verfasst und recherchiert von dem Salzburger ORF-Redakteur Gerald Lehner. Er war im Nachstieg mit Seilschaftsführer Arnold mehrfach im Elbsandstein Sachsens unterwegs – aber nur auf leichten Touren:
Preisverleihung am Donnerstag in Salzburg
Der Dia-Vortrag von Bernd Arnold, an dessen Ende der Hohnsteiner dann den Paul-Preuß-Preis bekam, lief Donnerstagabend im Salzburger Filmkulturzentrum „Das Kino“. Die Laudatio hielt Alexander Huber.