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Flugbild: Gerald Lehner
Flugbild: Gerald Lehner
Gericht

Prozess wegen Sieg-Heil-Rufen gestartet

Fünf von sieben angeklagten Wanderern aus Deutschland mussten sich am Dienstag wegen nationalsozialistischer Wiederbetätigung auf dem Untersberg in Grödig (Flachgau) vor einem Schwurgericht in Salzburg verantworten. Sie beteuern ihre Unschuld, der Prozess wird am Mittwoch fortgesetzt.

Fünf von sieben Angeklagten sind zum Prozess am Landesgericht in Salzburg erschienen. Sie haben sich laut Anklage am 8. April 2017 am Gipfel des Salzburger Hochthrons am Untersberg für ein Foto aufgestellt, dabei „Sieg Heil“ gerufen und den rechten Arm zum „deutschen Gruß“ erhoben. Zwei zufällig anwesende Skitourengeher aus Salzburg brachten noch am selben Tag Anzeige bei der Polizei ein. Die Beamten waren da bereits auf der Suche nach der Gruppe, weil die Besitzerin einer Pension am Fuße des Berges in Grödig (Flachgau) Bierdeckel mit aufgeklebten Hakenkreuzen gefunden und ebenfalls die Polizei verständigt hatte.

Die Beschuldigten im Alter von mittlerweile 56, 67, 43, 21 und 58 Jahren „handelten mit dem Vorsatz, durch ihr Verhalten den Nationalsozialismus als zeitgemäß und positiv darzustellen“, warf ihnen Staatsanwalt Leon-Atris Karisch vor. Die fünf vor Gericht erschienenen Angeklagten bekannten sich nicht schuldig. Ein Verteidiger erklärte, dass am Gipfel zwar „Berg Heil“, aber nicht „Sieg Heil“ gerufen worden sei.

Polizei stellte verschiedene Nazi-Symbole sicher

Der Staatsanwalt lastete dem 56-jährigen Erstangeklagten noch weitere Straftaten nach dem Verbotsgesetz an: So fanden Polizisten in dem Zimmer in Grödig, in dem der Mann damals untergebracht war, ein in Holz geschnitztes Wappen der „Forschungsgemeinschaft Deutsches Ahnenerbe“. Dabei handle es sich um ein Symbol der von SS-Reichsführer Heinrich Himmler gegründeten SS-Forschungseinrichtung, die „archäologische, anthropologische und geschichtliche Forschungen und Expeditionen im Nationalsozialismus“ zum Ziel hatte.

Zudem sei auf der linken Heckklappe des Pkw des 56-Jährigen eine „schwarze Sonne“ aufgeklebt gewesen, lastete Karisch dem Erstangeklagten noch an. „Das ist ein Symbol, das aus zwölf in Ringform gefassten, gespiegelten Siegrunen beziehungsweise drei übereinandergelegten Hakenkreuzen besteht und in der Zeit des Nationalsozialismus von der Schutzstaffel (SS) im Nordturm der Wewelsburg, einem ideologischen Zentrum und Versammlungsort der SS, eingelassen war.“

Symbole der „rechtsesoterischen bis -extremen Szene“

Die „Schwarze Sonne“ diene heute als wichtiges Erkennungssymbol der „rechtsesoterischen bis rechtsextremen Szene“. Der Angeklagte, der auch „Fotograf“ für das Gruppenfoto am Untersberg gewesen sei, habe seine nationalsozialistische Gesinnung zur Schau stellen wollen. ==

Die Verteidiger stellten propagandistischen Vorsatz jedoch in Abrede: Rechtsanwalt Christoph Breindl, der eine 67-jährige, unbescholtene Pensionistin aus Bayern vertritt, sagte, die Zweitangeklagte könne sich nicht erinnern, dass ein solches Gipfelfoto überhaupt gemacht wurde. Er appellierte an die Geschworenen, im Zweifel für den Angeklagten zu entscheiden. Der Verteidiger des mittlerweile 21-jährigen Deutschen, der damals 18 Jahre alt war, meinte, der Bursch sei auf dem Weg zum Gipfel mit einer nicht so geübten Wanderin zurückgeblieben und nicht zusammen mit den anderen am Gipfel gestanden. Der Angeklagte selbst erklärte, es habe sich damals um eine Art Friedensmission gehandelt. Die Reise nach Salzburg war offenbar in einem Internetforum beworben worden, die Teilnehmer sollen sich laut dem Verteidiger untereinander nicht alle gekannt haben.

Richterin weist alle Anträge ab

Juristisch schwere Geschütze fuhr auch der Verteidiger des Erstangeklagten, Rechtsanwalt Wolfram Nahrath auf. Er bezeichnete die Anklage als „unverständlich und unwirksam“. Die „Schwarze Sonne“ und das Wappen, die der Staatsanwalt als Nazipropaganda definierte, „sind nicht typisch für eine nationalsozialistische Organisation“. Es sei nicht klar, was Prozessgegenstand sei. Den Tatbestand nach Paragraf 3g habe der österreichische Gesetzgeber zu unbestimmt formuliert und verstoße damit gegen Artikel 7 der Menschenrechtskonvention.

Nahrath beantragte die Vertagung des Verfahrens gegen seinen Mandanten. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte solle entscheiden, ob der Paragraf 3g mit der europäischen Menschenrechtskonvention vereinbar sei. Das Gericht unter Vorsitz von Richterin Bettina Maxones-Kurkowski lehnte alle Anträge ab. Der Paragraf 3g decke sich mit der Menschenrechtskonvention, das sei juristisch mehrfach entschieden worden, erklärte die Vorsitzende. Was den Inhalt der Anklage betreffe, so habe das Oberlandesgericht Linz die Einsprüche des Erstangeklagten und der Zweitangeklagten abgeweisen. Der Prozess wird morgen Mittwoch fortgesetzt.

Blick vom Mönchsberg zum Untersberg
ORF.at/Georg Hummer
Blick aus der Stadt Salzburg zum Unterberg

Untersberg als Anziehungspunkt für rechte Esoteriker

Der Untersberg bei Grödig ist seit mehr als 100 Jahren Anziehungspunkt für rechte Esoteriker: Der Sage nach soll ja Kaiser Karl in dem Berg auf eine Endzeitschlacht warten. Der völkische Schriftsteller Guido von List verkündete 1908 gar das Anbrechen der „Morgen-Götter-Dämmerung des arischen Geistes“ vom Untersberg aus. Auch der deutsche Verschwörungstheoretiker Jan van Helsing sah 1993 den Untersberg als Ort, an dem ein „Erweckungstrahl“ die Landeposition für Nazi-Ufos signalisiert, die ein „deutsches Lichtreich“ einführen sollten.