Neben trauernden Angehörigen und vielen seiner Freunde erinnerten sich bei teils starkem Regen auch Vertreter der Republik Österreich, des Landes Salzburg und der heimischen Kirchengemeinden an den ältesten Holocaust-Überlebenden Österreichs. Der pensionierte Modehändler starb vergangenen Donnerstag – 19. September 2019 – im Alter von 106 Jahren an den Folgen einer Lungenentzündung. Zur großen Trauergemeinde in Salzburg und Österreich kommen international noch viele Fans, die Marko Feingold durch seine Vorträge, Publikationen und souveränen Auftritte gewonnen hat – auch in Massenmedien.
Seine sehr ernste Rolle als Mahner vor den schlimmsten Dingen, zu denen Menschen fähig sind, kombinierte er noch im hohen Alter mit spitzbübischem Charisma und vielschichtigem Humor. So erzeugte er als Redner vor großen Auditorien, aber auch im persönlichen Gespräch eine argumentative Sprengkraft, die ihm auch die Herzen zufliegen ließ.
Ein großer Trauerzug
setzte sich Montag in Bewegung. Österreichs Oberrabbiner Paul Chaim Eisenberg leitete die Totenfeier. Es sprach auch Erzbischof Franz Lackner, den mit Feingold eine lange Freundschaft verbindet.
Haslauer: „Der Grat ist schmal“
Landeshauptmann Wilfried Haslauer (ÖVP) betonte in seiner Trauerrede die Bedeutung des Verstorbenen für das Land Salzburg. Die habe er noch immer, und er werde sie immer haben: „Seine Geschichte, seine Geschichten waren es, die vieles begreiflich gemacht haben. Diese Geschichten zeigen, wie schmal der Grat ist, bis aus einer vermeintlich humanistischen Gesellschaft eine bestialische werden kann.“
„Bruder“ des Erzbischofs
Salzburgs Erzbischof Franz Lackner nannte in seiner Trauerrede den Verstorbenen seinen „älteren Bruder“. Das deutete einerseits auf die jahrelange Freundschaft der beiden Männer hin, wirkte aber auch symbolisch. Als theologisch-philosophisch-ideengeschichtlicher Hinweis auf Europas Wurzeln und die damit verbundene Rolle des Judentums, die wichtigste Basis für das Christentum.
Bures: „Erzählung ließ ihn leben“
Das Erzählen sei Marko Feingolds ganzer Stolz gewesen, betonte in ihrer Trauerrede die Zweite Nationalratspräsidentin Doris Bures im Namen der Republik. Das Erzählen hätte ihn auch so lange am Leben gehalten, so die SPÖ-Politikerin: „Marko Feingold sagte: ‚Es ist unsere Aufgabe, dafür gemeinsam Sorge zu tragen, dass nie wieder Menschen ausgegrenzt und an den Rand der Gesellschaft gedrängt werden.‘ Dieses ist sein Vermächtnis und lebt in vielen Menschen auch weiter.“
Vor allem bleibt Feingold seiner Familie, den vielen, die ihn beruflich und privat kannten, schätzten, den Mitgliedern der kleinen Israelitischen Kultusgemeinde Salzburgs sowie zahlreichen Trauergästen in Erinnerung – als Zeitgenosse mit ziemlich kritischem Blick auf alles Politische, Humorist, Gentleman, stets gut gekleideter Sir, ein Ritter ohne Furcht und Tadel.

Blick in unser Archiv:
Die letzte größere Debatte Feingolds mit Salzburger Politikern fand im Herbst 2018 zu diesem Thema statt – via salzburg.ORF.at und ORF Radio Salzburg:
Existenz der Jüdischen Gemeinde bedroht
Die Israelitische Kultusgemeinde Salzburg wird immer kleiner und ist in ihrer Existenz bedroht. Die meisten Mitglieder sind schon älter oder hochbetagt. Salzburgs Juden hoffen auf Hilfe der Politik, um ein künftiges Ende ihrer Gemeinschaft abzuwenden – mehr dazu in salzburg.ORF.at (29.10.2018)
Gemischte Reaktionen: Israelische Experten für Salzburg?
Salzburgs SPÖ auf Landesebene, Grüne, NEOS, Teile der ÖVP und die Uni machen nun Vorschläge, um die gealterte Israelitische Kultusgemeinde zu retten. Einige Politiker befürworten den Zuzug junger Wissenschaftler und Techniker aus Israel – mehr dazu in salzburg.ORF.at (12.2.2019)
Seine Stimme nachhören
Marko Feingold als Gast im Radio Cafe von ORF Salzburg zu seinem 105. Geburtstag – gesendet am 26.5.2018. Story mit Link zu MP3-Stream der längeren Sendung
Gedenken an jüdische Flucht über die Alpen
Einer unglaublichen Flucht über das Hochgebirge beim Krimmler Tauernpass wird alljährlich in Salzburg gedacht. Im Sommer 1947 waren rund 5.000 Juden vom Pinzgau über die Alpen marschiert. Fluchthelfer war damals Marko Feingold, Überlebender von vier NS-Konzentrationslagern – mehr über eine dieser Gedenkveranstaltungen in salzburg.ORF.at (23.6.2017)
Gedenkturnier für jüdische Fußballer
Im Herbst 2011 ging es ihm um die Erinnerung an jüdische Salzburger Fußballer der Zwischenkriegszeit, die in Konzentrationslagern umkamen. Jugend heute in Europa: Feingold machte im Herbst 2011 in Hallein den Anstoß für ein besonderes Fußballturnier. Es spielten Tennengauer Teams gegen eine jüdische Kinder-Mannschaft aus München – mehr dazu in salzburg.ORF.at (30.10.2011)