Neues Denkmal für vergessenen Bundeskanzler

Auf dem Salzburger Kommunalfriedhof ist ein Denkmal für einen fast vergessenen Bundeskanzler aus Salzburg eingeweiht worden. Der Rechtsanwalt Rudolf Ramek war Regierungschef von 1924 bis 1926, als in Österreich viele in großer Not lebten.

Der Christlichsoziale sei im Gegensatz zu den meisten Politikern seiner Zeit nicht auf harte Konfrontation, sondern mehr auf Zusammenarbeit bedacht gewesen. Österreich hätte seinen Stil damals viel länger brauchen können, sagten Historiker.

Rudolf Ramek österreichischer Bundeskanzler aus Salzburg (1924 bis 1926)

Privatarchiv Franz Schausberger

Ramek als Rechtsanwalt in Salzburg

Nur sieben Jahre nach Rameks zweijähriger Amtszeit ging die Erste Republik nach unerbittlichen Auseinandersetzungen, die bis zur privaten Militarisierung der Parteien und 1934 zu großem Blutvergießen führten, im katholischen Ständestaat und später in Adolf Hitlers Nationalsozialismus unter.

Verhandlungen mit Völkerbund

Das neue Denkmal für Ramek wurde Montag von seinen politischen Nachfahren bei der Salzburger ÖVP auf dem Kommunalfriedhof enthüllt. Große Not, Elend, Hunger, Wirtschaftskrise nach dem Ersten Weltkrieg, die schwierige Geldumstellung von der Krone der untergegangenen Habsburger zum neuen Schilling. All das fiel ab 1924 in die Amtszeit von Ramek. Der Bundeskanzler aus Salzburg musste sich zudem mit einer Kredit- und Geldpolitik herumschlagen, die Österreich vom Völkerbund in Genf vorgeschrieben wurde, um wirtschaftlich überleben zu können.

Streiks, Hunger, Demonstrationen

Gegen frisches Geld als Finanzhilfe musste die junge Republik in der Krise nach dem Ersten Weltkrieg die Wirtschaft umkrempeln. Bis zu 10.000 Beamte sollten entlassen werden, um das Budget zu sanieren. Es gab immer wieder große Streiks, fast kam es zu Hungerrevolten der Arbeiterschaft. Der Kanzler bemühte sich persönlich mehrfach und auf direkten Wegen um niedrigere Mehl- und Brotpreise.

Ignaz Seipel Bundeskanzler Priester Theologe

Unbekannter Fotograf, 1929 in Bingen

Der Priester, Theologe, äußerst konservative Wiener Spitzenpolitiker und mehrfache Regierungschef Ignaz Seipel predigt in Deutschland zu Ehren der Heiligen Hildegard von Bingen. Seine Ämterkombination wäre heute auch in Österreich undenkbar - wegen der Trennung von Kirche und Staat, einer alten Tradition der Aufklärung

Ramek wollte als Chef einer Koalition von Christlichsozialen und Großdeutschen (heute vergleichbar mit Schwarz-Blau) mit den oppositionellen Sozialdemokraten besser kommunizieren, sie auch einbinden. Er wurde von Wiener Medien und einflussreichen Sozialisten als „Provinzler aus Salzburg“ verhöhnt. Es gab auch Karikaturen, wo er neben anderen Motiven als naives und ferngesteuertes „Mandl vom Untersberg“ mit genagelten Schuhen zu sehen ist.

Ramek gegen Judenhass

Der heute fast vergessene Bundeskanzler habe sich in Zeiten großer wirtschaftlicher und politischer Not als echter Demokrat erwiesen, sagte der Universitätsdozent, Historiker und Salzburger Altlandeshauptmann Franz Schausberger (ÖVP). Er brachte dazu 2017 ein 900 Seiten dickes Buch heraus: „Ramek unterschied sich stark von vielen Politikern seiner Zeit. Er war absolut kein Antisemit und hat auch als Kanzler den Zionistenkongress in Wien unterstützt – gegen massive Widerstände in seiner eigenen Partei. Die allgemeine Radikalisierung der Politik lehnte er ab."

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„Er war gegen den Ständestaat“

Ramek suchte laut Schausberger das Gespräch mit Sozialdemokraten und habe sich gegen die immer stärker werdenden Nationalsozialisten gestellt: „Er war auch gegen die bewaffneten Verbände, mit denen sich Christlichsoziale und Sozialisten damals aufrüsteten und gegenseitig bedrohten. Und Ramek war letztendlich auch ein Gegner des Ständestaates.“

Mit Ständestaat ist die katholische Diktatur des späteren Bundeskanzlers Engelbert Dollfuß, eines Parteifreunds von Ramek, gemeint, der ab 1933 zum Alleinherrscher wurde. 1926 musste Ramek nach zwei Jahren als Kanzler zurücktreten, schildert Schausberger: „Offizielle Gründe waren ein Bankenskandal, für den Ramek persönlich nicht verantwortlich war. Dazu kam noch ein großer Streit um das Schulsystem. Deshalb wollte wieder Seipel das Ruder der Regierung übernehmen.“

Hardliner Seipel als Vorbote von Dollfuß

Ignaz Seipel war Rameks Parteichef bei den Christlichsozialen und sein früherer Förderer. Er galt als Vertreter einer sehr harten Linie gegen die oppositionellen Sozialdemokraten. Diese bezeichneten Rameks Team als „Telefonregierung“, weil Seipel so oft im Kanzleramt angerufen haben soll. Der katholische Theologe und Priester Seipel übernahm 1926 wieder selbst den Kanzlersessel und verschärfte sofort den Ton gegen die Sozialisten.

Lob von Haslauer für Ramek

Bei der Gedenkfeier auf dem Salzburger Kommunalfriedhof war Montag herauszuhören, dass die heutige ÖVP viel größere Sympathien für Ramek hat. Landeshauptmann Wilfried Haslauer sagte dem ORF, die Geschichte der Ersten Republik sei viel komplizierter, als viele denken würden: „Es ist sehr wichtig, dass wir nun endlich auch auf jene Männer und Frauen hinweisen, die in dieser Zeit großer Krisen mehr die Zusammenarbeit und nicht die Eskalation gesucht haben. Leider konnten sie sich damals nicht durchsetzen.“

Buchhinweis

Franz Schausberger: Rudolf Ramek 1881–1941. Konsenskanzler im Österreich der Gegensätze. Böhlau, 916 Seiten, 60 Euro.

Ramek blieb nach seinem Rücktritt als Kanzler einfacher Abgeordneter im Nationalrat. 1930 wurde er noch Zweiter Nationalratspräsident. 1933 ging es mit Österreichs Demokratie endgültig bergab. Der Erste Nationalratspräsident Karl Renner von den Sozialdemokraten - im Gegensatz zu Ramek laut neuerer Forschung ein hartnäckiger Antisemit - trat aus abstimmungstaktischen Gründen zurück. Es ging um ein vergleichsweise bedeutungsloses Thema. Kurz nach Renner legte auch Ramek seine Funktion als Vizepräsident zurück. Und auch der Dritte Präsident des Nationalrats ging - der Vertreter der Großdeutschen Partei. Dass damit formalrechtlich der Untergang der parlamentarischen Demokratie eingeläutet wurde, sei damals nur sehr wenigen bewusst gewesen, sagen Historiker.

Dollfuß entmachtet den Nationalrat

Österreichs gesetzgebende Versammlung hatte nun keine Sitzungsleitung mehr. Für diesen Zustand gab es in der Geschäftsordnung keine Vorgaben oder Lösungen. Der amtierende Bundeskanzler Dollfuß nutzte das Machtvakuum für seine Ziele. Er sprach von „Selbstausschaltung“ des Parlaments und etablierte eine „christliche“ Diktatur nach persönlichen Wünschen, den Ständestaat. Österreichische Sozialdemokraten sehen darin bis heute einen kaum aufgearbeiteten Austrofaschismus - in enger Anlehnung an Benito Mussolinis Unterdrückungssystem in Italien und Francisco Francos Spanien. Der Ständestaat von Dollfuß hielt fünf Jahre, ehe Hitler dann 1938 die österreichische Republik komplett zerstören ließ.

Ramek stirbt 1941 an Herzinfarkt

Ramek hatte sich schon 1933 aus der Politik zurückgezogen, wollte im Ständestaat kein Amt mehr bekleiden. Dass er noch eine letzte Scheinsitzung des Nationalrats unter den Augen von Dollfuß leitete, bei der die Sozialdemokraten schon ausgeschlossen und verboten waren, wurde ihm von der Nachwelt nicht als Ruhmesblatt angerechnet - trotz seiner Gegnerschaft zu Dollfuß.

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Fast vergessener Kanzler aus Salzburg

TV-Bericht in „Salzburg heute“ am Montagabend über die Enthüllung des neuen Denkmals.

Als Hitler den Kleinstaat Österreich fünf Jahre später an Deutschland „anschloss“, versuchte Ramek im privaten Rahmen als Rechtsanwalt der nunmehr bedrohten katholischen Kirche zu helfen. Die Nazis ließen ihn persönlich weitgehend in Ruhe, weil er den - ihnen verhassten - Ständestaat der Christlichsozialen nicht unterstützt hatte.

Der frühere Bundeskanzler aus Salzburg starb 1941 an einem Herzinfarkt. Die neue Gedenkstätte auf dem Salzburger Kommunalfriedhof steht im östlichen Teil – gleich beim Eingang im Stadtteil Gneis.

Gerald Lehner, salzburg.ORF.at