Gasteiger verlässt ÖVP: Protest gegen Bundespartei

Nach 47 Jahren tritt Ex-Landeshauptmann-Stellvertreter Arno Gasteiger aus der ÖVP aus. In seinem Brief kritisiert der 72-Jährige die politische Richtung der schwarzen Bundespartei unter Sebastian Kurz. Gasteiger erntet dafür selbst auch Kritik.

Die ÖVP Salzburg bestätigt den Austritt ihres früheren Spitzenpolitikers und nimmt ihn „mit großem Bedauern zur Kenntnis“. Die Volkspartei sei unter Sebastian Kurz zu einer „rechtspopulistischen Bewegung“ geworden, heißt es gleich zu Beginn in dem Schreiben von Arno Gasteiger an den ÖVP-Wirtschaftsbund, das dem ORF vorliegt.

Kritik an Politik unter Kurz

Seine Kritik richte sich nicht gegen den Wirtschaftsbund. Dieser Brief sei aber die einzige Möglichkeit, um seine Mitgliedschaft in der ÖVP zu beenden. Aus reinem Opportunismus mache die Partei unter Kurz „Stimmung gegen Flüchtlinge und Ausländer". Sie habe „Polizei, Militär und Sicherheitsdienste der äußeren Rechten ausgeliefert“.

Kurz setze in Übereinstimmung mit der FPÖ auf die Mobilisierung von Stimmung gegen Flüchtlinge, Migranten und Ausländer. „Schon im Wahlkampf entstand der Eindruck, Kurz betrachte Flüchtlinge quasi ,als verdorbene Ware, die umgehend an den Absender zurückzuschicken ist’. Bei großen Teilen der FPÖ ist Nationalismus, Rassismus und Ausländerfeindlichkeit genetisch verankert. Für Kurz & Co. ist Ausländerfeindlichkeit die opportunistische Option für politischen Erfolg“, schrieb Gasteiger. Er nannte als Beispiel dafür die Haltung der Regierung zum Migrationspakt.

Kritik auch an Bildungspolitik

Auch die Bildungspolitik führt Gasteiger als Grund an. Hier werde nach dem Prinzip „wir finden die Zukunft in der Vergangenheit“ und „politisches Diktat statt wissenschaftlicher Vorbereitung“ vorgegangen. Und in der Sozialpolitik gehe es nun darum, „den Wohlhabenden mehr zu geben und die Armen kurz zu halten“. Das zeige sich deutlich beim Kinderbonus. „Gutverdienern werden 1.500 Euro von der Steuer nachgelassen - das ist im Hochsteuerland Österreich sehr positiv. Arme Alleinerziehende erhalten über die Reduktion des Arbeitslosenversicherungsbeitrags 250 Euro im Jahr zusätzlich. Diejenigen, die am meisten brauchen, erhalten wenig“, führte Gasteiger aus.

Kein offizieller Kommentar zu seinem Brief

Arno Gasteiger wollte sich gegenüber dem ORF nicht zu dem Schreiben äußern. Seine aktuelle Haltung zur ÖVP sei seine Privatsache. Gasteiger war fünf Jahre Salzburger Landesrat und von 1989 bis 2000 der Landeshauptmann-Stellvertreter für die ÖVP. Später leitete er als Manager den Verkehrskonzern und Energieversorger Salzburg AG, der mehrheitlich dem Land und der Stadt Salzburg gehört.

Reaktionen aus der ÖVP

Der Parteigeschäftsführer der Salzburger Volkspartei, Wolfgang Mayer, sagte am Mittwoch, man nehme den Parteiaustritt Gasteigers mit Bedauern zur Kenntnis: „Wir möchten sein Schreiben aber auch nicht überbewerten. Die Zusammenarbeit mit der Bundespartei ist so gut wie lange nicht.“ Seit Sebastian Kurz Parteiobmann sei, verzeichne man erstmals in der jüngeren Parteiengeschichte „konstant und messbar“ Netto-Zuwächse bei den Parteieintritten. So seien in Salzburg nach einer Mitgliederwerbeaktion seit vergangenem September etwa 564 Personen neu in die Partei eingetreten. „Das ist ein außergewöhnlicher Wert“, betonte Mayer.

Franz Schausberger, Landeshauptmann von Salzburg in der politisch aktiven Zeit Gasteigers, kritisierte seinen früheren Kollegen hingegen scharf: „Diese Attacke ist ganz im Stile der Uralt-ÖVP, in der die Parteiobmänner in erster Linie von den eigenen Leuten angegriffen worden sind. Das hat dann dazu geführt, dass die ÖVP bei 20 Prozent gelandet ist.“