Nicaragua: Vorzeige-Partnerschaft vor dem Aus?

Stadtpolitiker kritisieren die eigene Partnerschaft Salzburgs mit Leon in Nicaragua. Die Buchführung des Fördervereins sei mangelhaft. Und ein Diktator wie Daniel Ortega dürfe nicht mit Salzburger Geld gefüttert werden. Der Verein weist die Vorwürfe vehement zurück.

Die Sozialdemokraten, NEOS und Freiheitlichen in der Stadt Salzburg plädieren nun für das Ende dieser offiziellen Beziehungen nach Nicaragua. Es soll kein Steuergeld mehr für die Partnerstadt Leon und den gemeinsamen Förderverein in Salzburg gezahlt werden, dessen Buchführung zuletzt vom Kontrollamt der Stadt kritisiert wurde.

Beim Salzburger Förderverein sieht man darin unfaire und unsachliche Vorwürfe. Es werde nicht - wie die NEOS behaupten würden - ein Diktator „gefüttert“. Das Geld sei über gut geplante Projekte immer der armen Landbevölkerung in Nicaragua zugute gekommen, nicht Regierungskreisen. Und die Kulturabteilung der Stadt habe alle Subventionen geprüft und eine sinngemäße Verwendung bestätigt.

Was steckt geopolitisch dahinter?

Europäische Sozialdemokraten haben sich über Jahrzehnte neben Grünen, Kommunisten, Aktivisten der evangelischen und katholischen Kirche sowie anderen gesellschaftlichen Gruppen für das aufstrebende Entwicklungsland Nicaragua engagiert. 1979 hatten es sandinistisch-linke Rebellen von der Herrschaft des rechtsradikalen Diktators Anastasio Somoza Debayle befreit. Man hoffte auf sozialen Fortschritt und das Ende bitterster Armut von breiten Bevölkerungsschichten.

Daniel Ortega

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Ortega

Vom „Helden“ zum neuen Diktator

Seit spätestens 2006 glitt Nicaragua wieder in den Zustand der Diktatur eines Familienclans ab – dieses Mal unter dem mittlerweile 73-jährigen Präsidenten, Marxisten und Ex-Revolutionär Daniel Ortega. Dieser wurde früher von europäischen Linken lange als Fortschrittsgeist verherrlicht und finanziert. Im Mai 1998 wurde Ortega von seiner damals 30-jährigen Stieftochter Zoilamerica Narvaez bezichtigt, sie seit 1978 mehrfach sexuell missbraucht und vergewaltigt zu haben. Die nicaraguanische Justiz schaffte es bis zur Verjährung der mutmaßlichen Delikte nicht, den Politiker vor Gericht zu stellen.

Auf Ortegas Konto gehen in letzter Zeit laut oppositionellen Nicaraguanern und internationalen Beobachtern immer mehr Morde und Übergriffe auf politische Gegner und die Zivilbevölkerung. Die Ehefrau und sieben Kinder mischen in der Regierungspolitik und der staatlich dominierten Wirtschaft seit vielen Jahren kräftig mit.

Bürgermeister hat Zahlungen gestoppt

Salzburgs Vizebürgermeister Bernhard Auinger (SPÖ) stellt nun – nach Beratungen im Kulturausschuss der Stadt - die Zahlungen an den Förderverein in Salzburg und damit an Leon in Nicaragua ein. Er verweist auf den jüngsten Bericht des städtischen Kontrollamtes, das eine transparente Buchführung vermisse. Auinger will diese Städtepartnerschaft nun grundlegend überprüfen: „Wir zahlen diese Mittel jetzt nicht aus und haben sie auch im Budget gestrichen. Und wir werden dann die Lage, wenn es positive Veränderungen geben sollte, neu beurteilen.“

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Verein Städtepartnerschaft Salzburg-Leon

Heftige Kritik von NEOS und FPÖ

Die NEOS und die Freiheitlichen kritisieren die Städtepartnerschaft mit Leon schon längere Zeit. Sie wollen sie komplett kippen. Und die mangelhafte Buchführung im Salzburger Betreiberverein sollten externe Fachleute überprüfen, fordert Christoph Starzer von den NEOS. Das einst aufstrebende Entwicklungsland Nicaragua habe sich mittlerweile wieder in eine blutige Diktatur verwandelt. Und mit dem Salzburger Geld solle und dürfe kein Diktator mehr gefüttert werden, so die NEOS.

Die Freiheitlichen in der Stadtpolitik wiesen schon vor Wochen darauf hin, dass der Salzburger Förderverein seit 2012 mehr als 240.000 Euro erhalten habe - und das Kontrollamt kritisiere eine fehlende Abrechnung. Auch die FPÖ fordert die Abschaffung dieser Städtepartnerschaft mit Leon in Nicaragua.

Förderverein: „Vorwürfe falsch und unsachlich“

Paul Pirker weist als ehrenamtlicher Obmann des Fördervereins der Städtepartnerschaft mit Leon die Kritik vehement zurück. Es grenze an Rufschädigung, wenn behauptet werde, mit dem Subventionsgeld würde der Diktator Ortega gefüttert. Pirker verweist auf konkrete Bildungsprogramme für sozial verträglichen Tourismus, der ausschließlich der armen Landbevölkerung diene. Es gebe auch Stipendien für junge Nicaraguaner, die an der Tourismusschule Kleßheim studieren und künftig eine gute Entwicklung in der Heimat vorantreiben wollen. Und im Land selbst finanziere man 21 Kindern und Jugendlichen von Armen die Schulausbildung, die sonst nicht möglich wäre. Die Buchhaltung sei von der Subventionskontrolle der städtischen Kulturabteilung stets penibel geprüft worden, ohne Beanstandungen. Die jüngsten Vorschläge des Kontrollamtes, die privaten Spenden, Mitgliedsbeiträge und Erlöse aus Sprachkursen getrennt auszuweisen, werde der Verein berücksichtigen.

Wenn nun die Parteien im Salzburger Rathaus die Unterstützung der Städtepartnerschaft mit Leon aufgeben, dann werde und müsse der Förderverein das natürlich hinnehmen, so Pirker. Damit drohe das Ende einer guten Entwicklungszusammenarbeit.

Partnerschaft mit Tansania bleibt

Die zweite Partnerschaft Salzburgs mit einer Stadt in der „Dritten Welt“ ist von dieser Entwicklung nicht betroffen. Es geht um Singida im ostafrikanischen Tansania. Dieser Salzburger Förderverein arbeite transparent und gut, sagte dazu Vizebürgermeister und Kulturreferent Auinger dem ORF auf Anfrage.

Generell werde die Stadt Salzburg in den nächsten Jahren alle ihre Partnerschaften überprüfen, so der Politiker. Davon gibt es noch eine ganze Reihe weitere: Verona, Meran, Busseto (alle Italien), Vilnius (Litauen), Reims (Frankreich), Dresden (Deutschland), Shanghai (China) und Kawasaki (Japan).

Gerald Lehner, salzburg.ORF.at

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