Rettungskräfte: Wirbel um deutschen Digitalfunk

Bei Unfällen im Grenzland von Bayern und Österreich gibt es technische Probleme, wenn die Einsatzkräfte beider Staaten zusammenarbeiten und über Funk kommunizieren müssen. Schwierig wird es, wenn Österreichs Rettungshubschrauber in Deutschland gebraucht werden.

Probleme beim Digitalfunk der Einsatzkräfte mit Bayern und Deutschland

Gerald Lehner

Piloten österreichischer Notarzthubschrauber müssen nun ein deutsches Handfunkgerät zusätzlich an Bord mitführen und bei Bedarf im Cockpit anschließen, wenn sie zu Einsätzen nach Bayern gerufen werden

Es geht um den neuen Digitalfunk, der mittlerweile in den meisten EU-Staaten für hauptberufliche und ehrenamtliche Einsatzkräfte eingeführt wurde. Er sollte neben der Abhörsicherheit die Kommunikation für alle vereinfachen.

Verschlüsselung als deutsche Schikane?

In Deutschland sind die Behörden aber als einzige im „vereinigten“ Europa dazu übergegangen, die digitalen Funksignale noch zusätzlich zu verschlüsseln. „Aus Sicherheitsgründen“, wie in München und Berlin betont wird.

Das führte bei den Nachbarn in Österreich dazu, dass Feuerwehr- und Bergrettungsleute, Rotkreuzhelfer und Rettungspiloten nicht mehr direkt mit den Einsatzkräften in Bayern kommunizieren können - trotz des modernen Digitalfunks, der auch in Österreich eingeführt wurde. Bei zahlreichen Alpinunfällen in den Hochalpen Bayerns zwischen Berchtesgaden und Bodensee werden zudem österreichische Rettungshubschrauber immer wieder gebraucht, regelmäßig angefordert und erfolgreich eingesetzt.

Probleme beim Digitalfunk der Einsatzkräfte mit Bayern und Deutschland

Gerald Lehner

Wahlschalter für die verschiedenen Funkgeräte an Bord eines Notarzthubschraubers, damit der Pilot deren Sprechverkehr im eigenen Helm mithören kann

Generell sind Piloten nach internationalen Regeln als Kommandeure bei Flügen persönlich für die Sicherheit von Maschinen und Insassen verantwortlich. Einige Captains in Österreich planten schon, nun nicht mehr nach Deutschland zu fliegen: „Wir kommen gern und helfen, aber nicht unter diesem gefährlichen Umständen.“

Kritik in Bayern an eigenen Behörden

David Pichler von der Bergwacht im bayerischen Chiemgau und im Berchtesgadener Land schilderte dem ORF auf Anfrage, in den Reihen der ehrenamtlichen Bergretter in Deutschland gebe es deutliche Kritik an eigenen Behörden bzw. zuständigen Regierungsstellen in München und Berlin: „Es ist nicht gerade sicher, wenn unsere Teams bei einem schwierigen Einsatz auf dem Boden oder im Gebirge nicht mit den Hubschrauberpiloten reden können. Andererseits sind wir sehr froh, wenn auch die guten Flieger aus Österreich zu uns kommen.“

In Deutschland haben einheimische Rettungskräfte noch ein zusätzliches Problem. Die deutsche Polizei und damit auch die Piloten der deutschen Flugpolizei arbeiten neuerdings sogar mit doppelter Verschlüsselung. Sie sind damit auch für die eigenen Einsatzkräfte anderer Organisationen nicht mehr rasch und unbürokratisch erreichbar, schildert Bergretter Pichler aus dem Chiemgau: „Es muss über die Leitstellen extra um- und zugeschaltet werden. Das ist eine weitere Hürde im System, in dem man aus Sicherheitsgründen gut kommunizieren müsste.“

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Bayerns Bergretter griffen zur Selbsthilfe

Einsatzkräfte in Bayern wollten als Ehrenamtler nicht mehr nur zusehen, was deutsche Politiker entscheiden oder nicht entscheiden. Die Bergwacht hat in Eigenregie und auf eigene Kosten alle grenznahen Stützpunkte von Rettungshubschraubern und Polizeimaschinen in Österreich mit Zusatz-Funkgeräten ausgestattet, die ins deutsche System passen. Sprecher Pichler: „Das nützt der Sicherheit aller Beteiligten. Zuerst hieß es aber von unseren Behörden, das sei verboten, wir müssten die Geräte wieder einsammeln. Nun haben sie es doch noch genehmigt.“

Kritik auch von Heli-Betreiber Knaus

Auch bei der Firma des Salzburger Flugunternehmers Roy Knaus wurden auf den Stützpunkten von St. Johann (Pongau) und Karres (Tiroler Oberland, Bezirk Imst) die deutschen Funkgeräte nun zusätzlich in Helikopter eingebaut. Knaus sagte dem ORF dazu auf Anfrage, es sei sehr traurig, dass sich in der EU die Regierungen bei wichtigen Themen wie der Sicherheit im Rettungswesen offenbar nicht absprechen könnten oder wollten.

Innenministerium setzt auf Verhandlungen

Stefan Semmelberger, Funkspezialist der Polizei im österreichischen Innenministerium in Wien, hofft auf weitere Gespräche mit den deutschen und bayerischen Behörden. Die Lage sollte deutlich verbessert werden, so der Fachmann. Weitere Konsultationen zwischen Regierungsbehörden seien geplant: „Wir sind gespannt, was dabei herauskommt. Die Lage derzeit ist etwas unübersichtlich. Auch wir liefern den deutschen Kollegen auf ihren grenznahen Stützpunkten unser Funksystem ins Haus, damit sie bei Flügen in Österreich mit ihrer verschlüsselten Technik nicht in Schwierigkeiten kommen.“

Wie reagiert das offizielle Deutschland?

Es gibt auch eine Stellungnahme des bayerischen Innenministeriums in München, die dem ORF vorliegt. Daraus ist herauszulesen, dass in Deutschland keine großen oder raschen Änderungen geplant sind. Pressesprecherin Sandra Schließlberger verweist darauf, dass auch weiterhin Digital-Funkgeräte der verschiedenen Systeme zwischen Einsatzkräften dies- und jenseits der Staatsgrenze verteilt würden. Dass es grenzüberschreitende Kommunikation auch bei Rettungseinsätzen geben müsse, sei unstrittig. Das Thema stehe „auch im Fokus der Bundesanstalt für den Digitalfunk der Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben“, so Schließlberger. Eine weitere Verbesserung werde „vorangetrieben“. Das bestehende System sei von der Bundesregierung in Berlin mit allen Bundesländern beschlossen worden und bewähre sich, so die Münchner Sprecherin.

Christophorus-Flugrettung pragmatisch

In Österreich muss deshalb weiter technisch improvisiert werden. Auch in die Christophorus-Rettungshubschrauber wurden auf grenznahen Stützpunkten in Salzburg, Tirol, Vorarlberg und Oberösterreich die bayerischen Funkgeräte von Bordtechnikern zusätzlich eingebaut. ÖAMTC-Pressesprecher Ralph Schüller sieht die Lage pragmatisch. Der Flug- und Rettungsbetrieb könne nun in Bayern normal weiterlaufen: „Wir kommen damit zurecht.“ Das bestätigt auch Stefan Dürager, einer der Rettungspiloten, die auf dem Notarzthubschrauber Christophorus 6 in Salzburg ihren Dienst tun und oft auch bei schwierigen Einsätzen in Bayerns Bergen unterwegs sind.

Rotkreuz-Chef sieht Verbesserungsbedarf

Beim Salzburger Roten Kreuz hofft Landesrettungskommandant Toni Holzer wie Österreichs Innenministerium auf weitere Verhandlungen zwischen den Staaten: „Unser österreichischer Digitalfunk reicht zum Glück über Traunstein bzw. Kiefersfelden fast bis Rosenheim. Und auch im Kleinen Deutschen Eck über Bad Reichenhall nach Unken und Lofer bleiben unsere Einsatzkräfte über den österreichischen Funk erreichbar. Wünschenswert ist natürlich, wenn wir mit Bayern langfristig eine bessere Lösung hinbekämen - auch für mögliche Großeinsätze oder Übungen im Katastrophenschutz. Dafür haben wir momentan auch noch unsere eigene, uralte, jedoch sehr sichere und robuste Analog-Telefonleitung zu Dienststellen in Oberbayern.“

Gerald Lehner, salzburg.ORF.at

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