Broad Peak: 60 Jahre Erstbesteigung

Heute vor genau 60 Jahren haben drei Salzburger und der wenig später getötete Tiroler Superstar Hermann Buhl in Pakistan den Broad Peak (8.047 m) erstbestiegen - ohne jede Hochträgerhilfe und ohne Sauerstoffflaschen, damals international eine Sensation.

Marcus Schmuck auf dem Broad Peak, 9. Juni 1957

Fritz Wintersteller

Der 2005 mit 80 Jahren verstorbene Expeditionsleiter Schmuck auf dem 8.047 Meter hohen Broad Peak. Hinten: Gipfelaufbau des benachbarten K2, zweithöchster Berg der Erde.

Dem Himmel näher: Der 9. Juni 1957 ist Pfingstsonntag. Marcus Schmuck, Fritz Wintersteller (beide auch Salzburger Bergrettungsmänner) - und paar Stunden später Kurt Diemberger und Hermann Buhl - erreichen den Gipfel bei strahlendem Wetter und unbeschreiblicher Fernsicht über Nordpakistan bis weit hinein ins westliche China (Jinjiang bzw. Turkestan).

Idee von Buhl nach Nanga-Erfolg

K2 bzw. Chogori (mit 8.611 Metern noch viel höher), Hidden Peak und die beiden Gasherbrums als höchste unter hunderten Nachbargipfeln des Karakorumgebirges leuchten herüber. Das Quartett hat den Broad Peak im damals revolutionären Westalpen-Stil bestiegen. Kein anderer Achttausender wurde mit so wenig technischen Mitteln erstbestiegen. Es war eine Pionierleistung, eine Idee Hermann Buhls, die in seiner Erstbesteigung des Nanga Parbat wurzelte. Dieser weltweit gefeierte Alleingang hatte vier Jahre zuvor stattgefunden (1953).

Revolutionärer „Westalpen-Stil“ an Achttausendern

Beim Nanga Parbat war der junge Hochleistungssportler und Sturkopf Buhl in den autoritären Rahmen einer deutschnationalen Großexpedition mit Hunderten Trägern hineingezwängt. Er hatte vor seinem Solo-Erfolg die „Befehle“ des Leiters aus dem Basislager ignoriert und dadurch erlebt, dass es letztlich und weit oben „nur“ auf ein paar Freunde, Gefährten, gute Form, perfekte Höhenanpassung, Glück, Wetter und den eigenen Kopf ankommt, um mit fairen Mitteln erfolgreich zu sein. „Sauberes“ Bergsteigen wie in den Westalpen - angewandt auf den extremen Himalaya mit seinen Todeszonen oberhalb von 7.000 Metern Seehöhe - das war Buhls Traum: Verzicht auf Sauerstoffgeräte und Hochträger, kleine und kleinste Teams, die oberhalb des Basislagers alles selbst tragen.

Bildergalerie:

Buhls Vision des Abgespeckten wurde auf dem Broad Peak am 9. Juni 1957 erstmals Realität. Diese Taktik ist heute grundlegender Standard des modernen Höhenbergsteigens, wenn es mit fairen Mitteln als Spitzensport betrieben wird - abseits der kommerziellen Moden, wo zahlende Gäste mit künstlichem Sauerstoff, viel technischer und menschlicher Hilfe auf die höchsten Punkte von Himalaya und Karakorum „geschleust“ werden.

Genussfähige Haudegen

Zwei der vier Pioniere dürfen den Ruhestand genießen. Im Oktober 2017 wird Fritz Wintersteller 90 Jahre alt, Kurt Diemberger ist mittlerweile 85. Die beiden Salzburger waren nie Gesundheitsapostel. Wintersteller hatte nach der Rückkehr vom Gipfel ins höchste Lager gleich Lust auf eine Zigarette, wie er vor einigen Jahren in ORF Radio Salzburg und Ö1 erzählte:

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Zwei Mal auf den Gipfel

Der Broad Peak gilt bis heute in internationalen Fachkreisen als „Salzburger Achttausender“. Das Projekt wurde in Schmucks Heimat Maria Alm (Pinzgau) ausgebrütet, geplant und entwickelt. Der Tiroler Buhl hatte dort und im nahen Berchtesgaden immer wieder auch als Skilehrer gearbeitet, ehe er nach München ging, um Sportartikel zu verkaufen.

Konditionell dürfte es damals in Europa nur wenige gegeben haben, die besser beisammen waren als Buhl, Schmuck und Wintersteller, der aus der Stadt Salzburg dazukam. Bei der Erstbesteigung musste das Team sogar zwei Mal ganz hinauf gehen. Beim ersten Anlauf stellten sie nach einer markanten Scharte auf dem vermeintlich höchsten Punkt im Nebel fest, dass der Hauptgipfel doch noch eine gute Stunde entfernt war. Für den Weg hinüber war es an diesem Tag zu spät. Sie stiegen ins Basislager ab, um sich zu erholen, gut zu essen und zu trinken. Einige Tage später bewältigten sie die 3.000 Höhenmeter hinauf in die Todeszone ein zweites Mal und in - den Umständen, der dünnen Luft und dem Neuschnee entsprechend - hohem Tempo. Schmuck und Wintersteller spurten, waren an diesem Tag mit Abstand die stärksten.

Historisches Buhl-Interview

Reporter-Legende Hans Klettner von Radio Salzburg machte 1957 - kurz vor der Abreise nach Pakistan - das letzte Interview mit Hermann Buhl. Bei der Verabschiedung durch den Salzburger Landeshauptmann Josef Klaus (ÖVP):

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Wenige Wochen später ist Buhl tot

Hermann Buhl auf dem Broad Peak

Kurt Diemberger

Buhl im letzten Abendlicht auf dem Broad Peak - mit Blick zum Hidden Peak

Diemberger und Buhl kamen am 9. Juni etwas später auf dem höchsten Punkt an, weil Buhl Durchfall hatte und geschwächt war. Sein Gipfelbild im Abendlicht - fotografiert von Diemberger - wurde international ein Kultfoto; auch wegen des frühen Todes des jungen Tirolers. Wenige Tage nach dem Broad Peak brach er mit Kurt Diemberger zur Erstbesteigung des nahen Siebentausenders Chogolisa auf. Als Duo kamen sie - fast -
auf den Gipfel, mussten knapp darunter umkehren, und auf dem Weg zurück stürzte Buhl im Nebel bei einem Wächtenbruch in den Tod.

Lagerkoller und Streitereien

Schmuck und Wintersteller waren währenddessen mit Tourenski für eine weitere Erstbesteigung auf dem Skil Brum unterwegs, mehr als 7.000 Meter hoher Nachbar von Broad Peak, K2, Hidden Peak und den beiden Gasherbrums. Menschlich fast „normal“ auf vielen Expeditionen bis heute: Lagerkoller etc. Es gab zu diesem Zeitpunkt schon einige Missstimmungen zwischen Schmuck und Wintersteller gegenüber dem deutlich jüngeren Diemberger. Buhl soll sich herausgehalten haben.

Mount Everest und Lhotse (rechts) und Nuptse (Vordergrund hinten) im Sonnenuntergang, aufgenommen von einem namenlosen 6.000 im Sherpaland Khumbu

Gerald Lehner

Mount Everest und Lhotse, aufgenommen von einem namenlosen Sechstausender in Nepal

Vorbilder für Messner, Kammerlander, Gatt

Das System vom Broad Peak wurde der Start für die hohe Schule, die 20 bis 30 Jahre später auch in Reinhold Messners und Hans Kammerlanders bahnbrechende Erfolge mündete: Everest-Solo von China her bzw. die komplette Überschreitung der beiden Gasherbrums in einem Zug und nur zu zweit. Auch Stefan Gatts deutlich spätere Everest-Kür inklusive Snowboard-Abfahrt über die Nordwand sowie seine einzigartige Rettungsaktion auf dem Cho Oyu für einen Schwerverletzten aus fast 8.000 Metern Höhe und andere Highlights stehen in dieser Tradition.

Rückkehr nur noch zu dritt

Trotz der international gefeierten Erstbesteigung des Broad Peak war die Rückkehr auf dem Salzburger Flughafen im Frühsommer 1957 neben den strahlenden Ehrungen auch ein Drama. Nun standen sie nur noch zu dritt da. Schmuck, Wintersteller und Diemberger statteten nach dem Staatsempfang in Salzburg-Maxglan der Witwe ihres berühmten Gefährten im nahen Berchtesgaden einen traurigen Kondolenzbesuch ab. Der Körper von Hermann Buhl ist bis heute in Pakistans Bergen nicht gefunden worden. Der Tiroler ruht bei der Chogolisa irgendwo in einer Gletscherspalte oder Randkluft.

Gerald Lehner, ORF Radio Salzburg

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Broad Peak: „Salzburger Achttausender“

TV-Bericht zum Jubiläum von ORF-Redakteur Harald Manzl