Stories aus entlegenen Winkeln

In seinem Buch „Zwanzig Lewa oder tot“ beschreibt der Salzburger Schriftsteller Karl Markus Gauß nun vier neue und spannende Reisen, die ihn wieder ins Hinterland Südosteuropas führten - nach Moldau, in die Batschka, nach Bulgarien und Kroatien.

Karl Markus Gauß

Wolfgang H. Wögerer / wikipedia.org

Gauß

Karl-Markus Gauß war wieder auf Reisen - mit der einzigartigen Mischung aus sehnsüchtiger Naivität, ethnohistorischer Kenntnis, liebevoller Geradlinigkeit und großem Sprachgeschick, die all seine Berichte auszeichnet, kann auch „Zwanzig Lewa oder tot“ (Zsolnay) reichlich dienen.

Das titelgebende Zitat ist gleichzeitig irreführend und punktgenau. Es entstammt der Begegnung mit einem kranken Bettler irgendwo in Bulgarien, der damit freilich vor seinem eigenen Tod gewarnt hat - und auch später noch zu überraschen weiß. Als die bettelnden Kinder ihm ihre ergatterte Münze bringen, sehen sich die Reisenden schon in einem „Vorurteil, das nicht das unsere war“ bestätigt - nur um dann zu beobachten, dass er den Kindern die Münze so in Kleingeld wechselt, das jedes sich davon ein Eis kaufen kann.

Unerschütterliche, hoffnungsvolle Sehnsucht

Es sind diese Geschichten, die Gauß’ stets mit glasklarer sprachlicher Eleganz erzählte Reiseberichte immer wieder freudvoll machen - auch wenn sie sich meist in wenig freudigen Gegenden abspielen und auch wenn bei weitem nicht jede dieser Geschichten ein gutes Ende findet. Aber sie sind erzählt und erlebt von einem Menschenfreund, den eine unerschütterliche, hoffnungsvolle Sehnsucht immer wieder in die entlegenen Winkel Europas treibt.

Wer kennt die Republik Moldau?

Von der Zerrissenheit, der systematischen Zerstörung des multiethnischen Gleichgewichts in Grenz- und Einwanderungsregionen wie der Batschka zwischen Serbien und Ungarn oder der Republik Moldau, erzählt Gauß sowohl in geschickt positionierten und damit gut verdaulichen Geschichtslektionen wie in kleinen Begegnungen auf der Straße, in Beobachtungen von Denkmälern und Straßenzügen, in Gesprächen mit Intellektuellen und Kaffeehausgängern, in Nacherzählungen großer osteuropäischer Romane und in den Erinnerungen seiner donauschwäbischen Mutter.

Abseits der Touristenpfade

Was Gauß nicht nur verstanden hat und offensiv lebt, sondern auch mitreißend zu erzählen weiß, ist, dass man abseits ausgetretener Touristenpfade oftmals eine hohe Frustrationstoleranz braucht, ein ausgeprägtes Gefühl „für die Schönheit hässlicher Städte“ und eine Prise Glück bei den Begegnungen mit fachkundigen - wenn auch manchmal eher ungewöhnlichen - Experten. Dann aber hat man die Chance, überraschende Schätze zu heben, die in Gauß’ Universum, so sehr er ethnografisch und historisch und literarisch versiert ist, dennoch nie intellektuelle Schätze sind, sondern immer menschliche. Am Donnerstagabend präsentiert Gauß sein neues Buch im Salzburger Literaturhaus.

Maria Scholl, Austria Presse Agentur (APA)

Bibliografie
Gauß, Karl-Markus: „Zwanzig Lewa oder tot“, Zsolnay Verlag, Wien 2017. 208 Seiten, 22,70 Euro.

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