Viele aus der Stadt in Umland „gedrängt“

Die Bevölkerung des Umlandes der Stadt Salzburg wächst seit Jahren deutlich stärker als die Stadt selbst. Hauptgrund sind die stark steigenden Immobilienpreise. So würden viele gegen ihren Willen ins Umland „gedrängt“, sagen Wissenschafter.

Die Bevölkerung der Stadt Salzburg wuchs in fünf Jahren zuletzt um fünf Prozent. Der Flachgau und der Tennengau verzeichneten jeweils fast zehn Prozent Bevölkerungszuwachs. Mittlerweile holte der Flachgau die Landeshauptstadt bei der Einwohnerzahl schon beinahe ein.

Folge: Wachsender Verkehr mit immer mehr Staus

Die augenscheinlichste Folge der Entwicklung ist der Verkehr vom Umland in die Landeshauptstadt: Er ist mittlerweile so dicht, dass nur kleinste Irritationen ausreichen, um sofort zu erheblichen Staus zu führen. Denn jeden Tag pendeln beinahe 60.000 Menschen zum Arbeiten in die Stadt Salzburg - ein Großteil kommt aus dem Flachgau und dem Tennengau.

Autos auf verschneiter Straße (Pendlerstrecke, Bundesstraße, Landesstraße)

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Immer mehr pendeln in die Stadt Salzburg - meist mit dem Auto

Da die meisten der Pendler mit dem Auto fahren, ist das eine enorme Belastung für das Straßennetz und die Umwelt - zumal in der Landeshauptstadt noch der hausgemachte Verkehr hinzukommt: „Die Stadt hat 150.000 Einwohner. Fast zwei Drittel bewegen sich jeden Tag in die Stadt hinein oder durch die Stadt durch. Das macht im Wesentlichen unser Verkehrsproblem“, sagte Salzburgs Bürgermeister Heinz Schaden (SPÖ).

Hohe Preise führen zu „unfreiwilliger Wanderung“

Auf dem Land zu leben und in der Stadt nur zu arbeiten war jahrzehntelang ein Wunschmodell. Doch das treffe nicht mehr auf alle Bewohner der Umlandgemeinden zu, sagt der Sozialgeograf Andreas Koch von der Universität Salzburg: „Was heute dazukommt, ist, dass wir zusätzlich zur der freiwilligen Wanderung von der Stadt ins Umland auch noch eine unfreiwillige haben. Aufgrund der gestiegenen und weiter steigenden Miet- und Kaufpreise bei Immobilien können sich immer weniger das Wohnen in der Stadt leisten - selbst wenn sie das wollen. Deswegen sind die gezwungen, im Umland nach günstigeren Alternativen zu suchen.“

Allerdings stiegen auch in den Umlandbezirken die Preise auf dem freien Wohnungsmarkt an, so Christian Wintersteller, Sprecher der gemeinnützigen Wohnbauträger in Salzburg: „Es ist schwierig geworden, günstige Grundstücke zu bekommen - im Flachgau und auch im Tennengau. Und die Kosten für das Grundstück sind natürlich ein wesentlicher Preisbestimmungsfaktor. Aber es gelingt - gerade auch mit Hilfe der Gemeinden - da und dort auch, günstige Grundstücke verfügbar zu machen. Dann ist auch das Angebot ein preiswertes.“

Immobilienpreise ziehen auch im Umland an

Doch die Folge der Entwicklung zeigt sich auch auf dem freien Wohnungsmarkt im Flachgau und Tennengau: In den Bezirken ziehen die Preise deutlich stärker an - obwohl das Preisniveau nach wie vor niedriger ist als in der Stadt. Die Preissteigerung einer gut ausgestatten Wohnung in durchschnittlicher Lage beträgt in der Stadt Salzburg 1,4 Prozent jährlich.

Häuser in Einfamilienhaussiedlung

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Im Flach- und Tennengau steigen die Immobilienpreise

Zuzug Gefahr für Zusammenhalt in kleineren Orten

Wenn die Gemeindebewohner am Tag in der Stadt arbeiteten und nur am Abend in die Wohngemeinde auf dem Land kämen, stelle das die Orte vor Schwierigkeiten, sagte der Bürgermeister einer der Salzburger Nachbargemeinden, Markus Kurcz (ÖVP) aus Elixhausen (Flachgau): „Wir Gemeinden sind durch diese Situation vor große Herausforderungen gestellt. Es geht ja darum, ein örtliches Gefüge aufzubauen, die Vereinslandschaft zu erhalten, die örtlichen Feste im Jahreskreis gestalten zu können.“

Das zeigt auch das Beispiel der Rehhofsiedlung bei Hallein. Sie entstand vor 60 bis 70 Jahren. Seither veränderte sich vieles - vor allem im sozialem Gefüge, so der Halleiner Bürgermeister Gerhard Anzengruber (ÖVP): „Die haben sich die Häuser damals alle selber gebaut. Die haben sich untereinander gekannt. Daraus hat sich ein interessantes und für alle zufriedenstellendes Gemeinschaftsleben entwickelt. Durch den Neuzuzug und die Veränderung in der Eigentümerstruktur hat sich aber auch da ein gewisses Maß an Anonymität breitgemacht - mit all diesen negativen Begleiterscheinungen.“

Schlafgemeinden steuern auch auf Geldproblem zu

Noch eine Folge tut sich für Gemeinden im Speckgürtel der Stadt auf: Orte mit hoher Wohnbevölkerung, aber wenig Arbeitsplatzen lukrieren weniger Einnahmen. Ihnen fehlen Geld aus der Kommunalsteuer, die Betriebe im Ort abführen.

„Natürlich bringt jeder Einwohner auch Bundesertragsanteile“, sagte der Elixhausener Ortschef Kurcz. „Wenn man sich aber vor Augen führt, dass die Gemeinde von der Wiege bis zur Bahre für diesen Bürger verantwortlich ist und die Dienstleistungen zur Verfügung zu stellen hat, dann muss man fairerweise sagen: Die Bundesertragsanteile gehen in der Pflicht auf. Das, was in der Kür bleibt - also wirklich das Mehr für den Bürger -, das resultiert aus dem Kommunalertrag. Und wenn der nicht im Ort wertgeschöpft wird, dann fehlt er. Das führt über kurz oder lang zu Problemen.“

Hohe Preise „verdrängen“ weniger Wohlhabende

Ein Ende der unterschiedlichen Entwicklung von Stadt und Umland in Salzburg sei bei Weitem nicht in Sicht, sagte Sozialgeograf Koch. Für ihn ist eher das Gegenteil der Fall.

„Wenn man die derzeitigen Immobilienpreise und die Entwicklung der letzten fünf bis zehn Jahre zugrunde legt, dann würde ich sagen, dass Salzburg noch am Anfang einer Entwicklung ist, die wahrscheinlich in die Richtung gehen wird, dass durch städtische Aufwertungsprozesse für eine gehobene Einkommensschicht der Verdrängungsprozess noch wesentlich zunehmen wird“, so Koch. „Das, was man unter dem Begriff ‚Gentrifizierung‘ zusammenfasst, könnte dazu führen, dass Menschen, die eigentlich in der Stadt wohnen wollen und die Stadt der kurzen Wege auch goutieren, ins Umland gedrängt werden.“

Unterschiedliches Bevölkerungswachstum

Salzburgs Bevölkerung wächst unterschiedlich stark. Das Umland wächst stärker als die Stadt Salzburg - eine Entwicklung mit Folgen.

Kostenpflichtiges Kurzparken gegen Autopendler

Um zumindest den Individualverkehr in der Landeshauptstadt zurückzudrängen, plant Bürgermeister Schaden eine Ausweitung der Parkraumbewirtschaftung in der Landeshauptstadt, um so den öffentlichen Verkehr zu forcieren. Die Parteingespräche dazu haben begonnen - mehr dazu in Kurzparken: Gebühren in ganzer Stadt Salzburg? (salzburg.ORF.at; 17.1.2017).