Kritik an Schwerstbehindertenheim

Die Volksanwaltschaft kritisiert, dass es im „Konradinum“ - einem Heim für Schwerstbehinderte in Eugendorf (Flachgau) - zahlreiche Missstände gebe. Und die Bewohnervertretung sagt, die Mängel seien dem Land Salzburg als Heimträger schon lange bekannt.

Auf Verbesserungsvorschläge sei bisher praktisch nicht reagiert worden. Das „Konradinum“ ist eine Wohn- und Tagesheimstätte für Kinder, Jugendliche und Erwachsene mit schweren geistigen und teils auch körperlichen Behinderungen. Einige der derzeit 34 Bewohner sind teilweise oder komplett gelähmt, kämpfen mit Anfällen und sind blind, seh- oder hörbehindert. Ihre Betreuung und Pflege sollen laut Kritikern schon länger nicht mehr der UNO-Behindertenrechtskonvention oder dem neuen Heimaufenthaltsgesetz entsprechen.

Konradinum Eugendorf

Land Salzburg / salzburg.gv.at

Konradinum Eugendorf

Zustände im Sanitärbereich im Fokus

„Die Intim- und Privatsphäre im Heim wird eklatant verletzt. Das Gebäude ist nicht barrierefrei und stark überbelegt. Betten stehen in Gemeinschaftsräumen und Gängen, Toiletten befinden sich offen neben Duschen und Pflegebädern“, sagt Volksanwalt Günther Kräuter. Das WC werde benutzt, während andere Bewohner auf engstem Raum gewaschen werden, es gebe keine Geschlechtertrennung beim Toilettengehen und der Körperhygiene. Dabei würde es sich aber noch nicht einmal um die gravierendsten Missstände handeln.

Dauermedikation mit Psychopharmaka?

„Es gab auf unseren Antrag seit August 2015 fünf gerichtliche Überprüfungsverfahren wegen unzulässiger Freiheitsbeschränkung“, berichtet Erich Wahl von der Bewohnervertretung. In allen fünf Verfahren seien nicht zu vertretende und umgehend zu beseitigende Missstände in der Betreuung der Bewohner festgestellt worden. Vor allem die Verabreichung von Medikamenten bei Selbst-oder Fremdgefährdung ohne begleitende Fördermaßnahmen wurde äußerst kritisch betrachtet. „Andere Konzepte wie Tagesstrukturen oder eine 1:1-Betreuung wirken oft besser als die Ruhigstellung mit Psychopharmaka“, erklärt Wahl. Die Dauermedikation könnte geringer gehalten, Bedarfsmedikation nur mehr in extrem seltenen Fällen erforderlich sein.

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Vorwürfe gegen Konradinum

Die Volksanwaltschaft erhebt schwere Vorwürfe gegen das Land wegen angeblicher Missstände im Konradinum in Eugendorf.

„Reaktion vom Land erst fünf Monate später“

„Notwendige heilpädagogische Maßnahmen sind im Heim jedoch über längere Zeit hinweg verabsäumt worden“, kritisiert Wahl. So sei Ende August in einem Verfahren eine 1:1-Betreuung als Akutmaßnahme festgestellt worden: „Vom Land erfolgte eine Reaktion in Form eines Antrages auf besonderer Betreuung erst am vergangen Mittwoch - also fünf Monate später.“

„Fehlende Betreuung und Förderung“

Zugleich würden den Bewohnern externe Lebensinhalte fehlen: „Ein einziger Bewohner arbeitet in einer geschützten Werkstätte. Außer Spaziergängen befinden sich die Bewohner in einem geschlossenen System.“ Wegen nicht behindertengerechter Türgriffe könnten viele der Bewohner nicht einmal selbstständig den Raum verlassen. „Die Betreuungssituation im Heim wurde als sekundär behindernd eingestuft. Durch die fehlende Betreuung und Förderung kommt es zu zusätzlichen Beeinträchtigungen“, sagt Wahl.

Einrichtung mit Kommission besucht

Die Mitarbeiter der Einrichtung treffe bei den Vorwürfen aber keine Schuld. „Es sind die strukturellen Rahmenbedingungen, die keine menschengerechte Betreuung erlauben“, sagt dazu Reinhard Klaushofer vom Österreichischen Institut für Menschenrechte (ÖIM). Er hat Ende Oktober mit einer Kommission der Volksanwaltschaft das Konradinum besucht. 27 Maßnahmen haben die Experten - Mediziner, Pfleger, Juristen und Sozialarbeiter - nach dem Besuch empfohlen. „Obwohl Bewohner teilweise seit Jahrzehnten dort leben, fehlen individuelle Förderkonzepte.“

„Land hätte Besserungen selbst in der Hand“

Man habe mit der Kritik alle damit befassten Personen kontaktiert. „Das Land hat es als Heimträger selbst in der Hand, Verbesserungen herbeizuführen. Aber seit Monaten tut sich nichts. Wir zweifeln mittlerweile daran, dass man ernsthaft Verbesserungen vorantreiben will“, berichtet Klaushofer. Zuständig für das Konradinum sind in Salzburg zwei Landesräte. Gesundheitslandesrat Christian Stöckl (ÖVP) für die Wirtschafts- und Dienstaufsicht, und Soziallandesrat Heinrich Schellhorn (Grüne) für die Fachaufsicht. Am 13. Jänner informierte die Volksanwaltschaft sogar im Landtagsausschuss über das Problem - ohne erkennbare Reaktionen, wie Volksanwalt Kräuter sagte. Und auch Bewohnervertreter Wahl fragt: „Warum setzten sich die beiden Abteilungen nicht zusammen und arbeiten an einer Lösung?“

Land Salzburg: „Neubau geplant“

Der für Salzburgs Sozial- und Behindertenpolitik zuständige Landesrat Heinrich Schellhorn (Grüne) sagte dem ORF, dass er bei diesem Thema im Konradinum nicht ressortzuständig sei. Schellhorn verweist auf den Landesfinanz- und Gesundheitsreferenten und seinen Koalitionspartner Christian Stöckl (ÖVP).

Dieser teilte am Dienstag in einer Aussendung dazu mit, dass das „Konradinum“ baulich in die Jahre gekommen sei. Das Haus den 1950er-Jahren entspreche nicht mehr den Anforderungen einer so wichtigen Einrichtung. Es gebe derzeit „intensive Planungen für einen Neubau des Konradinums“. Und es sei nun einmal so, dass Projekte wie diese „eine gewisse Zeit“ benötigen: „Unter anderem musste ein passendes Grundstück gefunden und umgewidmet werden. Derzeit wird die Auschreibung für den Bau vorbereitet“, so Landeshauptmann-Stellvertreter Christian Stöckl.

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