Asylkrise, Sexattacken: Spaltung und Angst?

Sexuelle Belästigungen und Diebstähle durch Asylwerber und Flüchtlinge sorgen weiter für Diskussionen. Experten sehen Gefahren von Spaltung der Gesellschaft und wachsender Fremdenfeindlichkeit. Die Polizei rechnet mit weiteren Anzeigen und Vorfällen.

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ORF

Neujahr 2016 auf dem Salzburger Residenzplatz

Seit Weihnachten wurden in Salzburg bisher neun Fälle von sexueller Belästigung angezeigt. Seit einigen Wochen sind auch Einwanderer, Asylwerber und mutmaßliche Taschen- bzw. Seriendiebe aus Nordafrika das Thema polizeilicher und staatsanwaltschaftlicher Ermittlungen.

Dazu kommt die allgemeine geopolitische Lage auf der so genannten „Balkanroute“ via Österreich nach Bayern. Unzählige Migranten, Asylwerber und Flüchtlinge sind 2015 auch durch Salzburg gezogen. Und Tausende sind hier geblieben. Besonders Teile der Landeshauptstadt waren seit dem Sommer 2015 mehrfach in einer Art Ausnahmezustand. Und mit Silvester 2016 bekam das alles noch eine ganz andere Note. Flüchtlinge wurden offenbar zu Sex-Tätern – nicht nur in Köln und anderen deutschen Städten, auch in Salzburg und Wien.

Angst, hitzige Debatten, Unsicherheit?

Die hitzige Asyldebatte trifft nun auf eine hitzige Sex-Debatte. Der Sozialpsychologe Adrian Lüders forscht an der Universität Salzburg. Er sagt, alles schaukle sich weiter hoch. Denn Angst sei ansteckend: „Es gibt eine sehr diffuse Angst. Flüchtlingskrise, IS-Terrorismus, Wirtschaftskrise. Und nun passiert etwas in Köln und anderswo, wo man dann dazu neigt zu generalisieren. Da schaukeln sich dann Ängste aus anderen Quellen damit auf, das ist durchaus denkbar.“

Altstadtwirt hat die Nase voll

Einer, dem die Asylkrise schon länger reicht, ist Marcus Schützinger. Der Wirt in der Salzburger Altstadt hat zuletzt erlebt, wie vor seinem Lokal mehrere mutmaßliche Taschendiebe aus Nordafrika festgenommen wurden. Es sollen Flüchtlinge sein: „Wir sind da leider überflutet worden von dem Ganzen. Man kann das nicht mehr wirklich reglementieren. Es gehört da einiges geändert, bisschen härter durchgegriffen. Die Herrschaften gehören dann nach Hause geschickt, weil solche Leute brauchen wir nicht.“

Diakonie will mehr Integration

Ganz anders sieht Michael König vom Evangelischen Diakoniewerk die Welt. Er glaubt an das Gute im Menschen - und in den Flüchtlingen: „Es gibt nur einen Weg, wie wir da herauskommen. Wir müssen viele Menschen in Salzburg gewinnen, die auf die Flüchtlinge zugehen. Wir müssen diese Flüchtlinge in unsere Sportvereine integrieren, in die verschiedensten Vereine in den Ortschaften und Städten. Dann wird auch in Salzburg ein realistisches Stimmungsbild sein, nämlich das der überwiegende Teil der Flüchtlinge mit Dankbarkeit hier ist.“

„Sexuelle Gewalt am stärksten im Bekanntenkreis“

Seit Silvester ist für Zwischentöne und die Farbe Grau zwischen Schwarz und Weiß offenbar immer weniger Platz. Manche kommentieren die Geschehnisse damit, dass es sexuelle Belästigung überall gebe. Drei von vier Frauen hätten sie schon erlebt, sagt Alexandra Schmid, die Frauenbeauftragte Stadt Salzburg: „Die Gefahr von sexueller Gewalt ist nach wie vor am größten in der Familie und im direkten Verwandten- und Bekanntenkreis. Aber sexuelle Belästigung im Sinn von unerwünschten Berührungen, unerwünschten Küssen, das gibt es dort, wo viele Menschen zusammen sind.“

„Mehr Misstrauen gegen arabische Männer“

Manche Fachleute sagen, dass arabischen Männern seit den Übergriffen viel mehr Misstrauen entgegenschlage. Das bestätigt auch Hamoudi Bensmain. Der angehende Pfleger stammt aus Algerien und ist seit 20 Jahren in Salzburg: „Das ist durch die Medien schon eine Art Schublade geworden. Das finde ich nicht schön, weil die Menschen sind sehr vielfältig, und viele sind gut integriert hier.“

Die Ereignisse von Silvester zeigen vor allem, dass es keine Gewinner in dieser Debatte gibt – weder Flüchtlingshelfer noch Asylgegner, weder Frauen noch Männer.

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Gemischte Gefühle und Ängste
ORF-Redakteur Tobias Pötzelsberger hat fast drei Wochen nach Silvester die aktuelle Lage und Stimmungsbilder der Asyldebatte recherchiert.

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