Flüchtlinge: Rückstau an Saalachbrücke bleibt

Der Flüchtlingsstrom via Salzburg ins bayerische Freilassing hat am Donnerstag angehalten. Während die Grenzbrücke zum improvisierten Flüchtlingslager wurde, kam es zu gegenseitigen Schuldzuweisungen der deutschen und österreichischen Polizei.

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Die Flüchtlinge harren stundenlang an der Grenze aus

Den ganzen Tag über befanden sich rund 300 bis 400 Schutzsuchende auf der österreichischen Seite der Grenze an der Saalach. Hierher hatte sich das Zentrum der Flüchtlingskrise in Salzburg vom Hauptbahnhof verlagert.

Aufgrund der Abfertigungsgeschwindigkeit in Bayern - dort wird jeder Ankommende registriert - war damit zu rechnen, dass diese Zahl nicht kleiner wird, hieß es nach einer Einsatzbesprechung in Salzburg. Direkt in Freilassing waren etwa 1.600 Menschen untergebracht, die in den kommenden Stunden und Tagen auf Notquartiere in ganz Deutschland aufgeteilt werden sollen.

„Deutsche Behörden für Situation verantwortlich“

Pro Stunde durften laut Polizei nur rund 40 Menschen über die Grenze, was nun auch zu Kritik der Salzburger Polizei geführt hat: „Die Flüchtlinge haben das klare Ziel, Deutschland zu erreichen, und sie verfolgen dieses Ziel konsequent und hartnäckig“, sagte deren Sprecher Michael Rausch.

„Wir wollen eine geordnete Weiterreise in Zügen gewährleisten und haben dies den deutschen Behörden auch angeboten. Für die momentane Drucksituation sind alleine die deutschen Behörden verantwortlich, denn taktisch könnte man das auch lockerer gestalten, wie sich an anderen Grenzübergängen zeigt“, so der Sprecher.

Zuvor waren Vorwürfe von deutscher Seite gekommen, dass die österreichische Polizei an der Grenze nicht anwesend sei. Dazu sagte Rausch, es seien genügend Kräfte an Ort und Stelle. Der Kritik, die Polizei würde die Route der Flüchtlinge nicht absichern, widersprach der Sprecher, man könne aber nicht den Eindruck erwecken, als ob die Polizei die Menschen zur Grenze begleite.

Drohendes Unwetter verschärfte die Lage

Auch am Donnerstag marschierten weitere Flüchtlinge vom Bahnhof Richtung Saalachbrücke, weshalb dort die Zahl der Wartenden nicht kleiner wurde. Dort hatten die Menschen die - dank Südföhn ausgesprochen milde - Nacht ohne jegliche hygienische Versorgung im Freien verbracht und in der Früh eine entsprechende Verunreinigung zurückgelassen.

Als am Nachmittag ein Unwetter aufzuziehen drohte und es auch zu regnen begann, bereiteten die Vertreter von Magistrat und Rotem Kreuz die Garage des ehemaligen Zollamtsgebäudes als Notquartier vor. Weiter wollen und werden sich die Flüchtlinge nicht von der Grenze entfernen, sagte Michael Haybäck vom Amt für öffentliche Ordnung: „So wie es ausschaut sind es aktuell rund 300 Flüchtlinge, die nach Bayern hinüber wollen. Die lassen sich nicht abhalten und alle Überredungsversuche, sie in andere Quartiere zu bringen, werden scheitern.“

Die Flüchtlinge hätten nur ein Ziel, ergänzte Haybäck: „Sie sind knapp vor der Grenze zu Deutschland, und dort wollen sie auch hin.“ Die an der Grenze wartenden Flüchtlinge werden auf österreichischer Seite medizinisch notversorgt, sanitäre Einrichtungen werden bereitgestellt.

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Lage am Grenzübergang nach Freilassing

ORF-Reporter Tobias Pötzelsberger berichtet über die aktuelle Situation am Grenzübergang zwischen Salzburg und Freilassing.

Sonderzüge sollen Chaos vermeiden

Um Chaos zu vermeiden, sollten weitere Flüchtlinge mit Sonderzügen von der deutsch-österreichischen Grenze abgeholt und direkt in verschiedene deutsche Städte gebracht werden. Das sagte ein Sprecher des bayerischen Innenministeriums am Donnerstagabend in Rosenheim. Nicht bestätigt wurden Berichte, wonach Flüchtlinge auch direkt in Österreich abgeholt werden sollen.

Den Angaben des bayerischen Innenministeriums zufolge waren drei Züge am Abend unterwegs, um je etwa 500 Flüchtlinge vom Grenzort Freilassing nach Celle, Stuttgart und Frankfurt/Main zu bringen. Für die Nacht sei eine weitere Fahrt von Freilassing nach Berlin sowie eine von München nach Dortmund geplant. Insgesamt sollten etwa 2500 Flüchtlinge auf diese Weise weiterreisen können.

Immer wieder Tumulte

Unter den Wartenden waren viele Mütter mit Kleinkindern. Und immer wieder kam es zu Tumulten und Gedränge, wenn die Polizei etwa Kinder und Mütter aus der Menge holte, die sichtlich zu erschöpft sind, um noch weiter auf der Straße zu warten.

In Freilassing selbst wurden weitere Notunterkünfte für Flüchtlinge eingerichtet. Etwa 300 Flüchtlinge seien in der Sporthalle einer Realschule in Freilassing untergebracht, sagte ein Sprecher der deutschen Polizei. Seit Tagen werden in der Halle eines Möbelhauses in dem Grenzort schon 1.000 Menschen versorgt.

Bahnhofstiefgarage geräumt und gereinigt

Die Tiefgarage beim Salzburger Hauptbahnhof wurde am Donnerstag unterdessen komplett geräumt, gereinigt und desinfiziert. Dies sei aus hygienischen Gründen notwendig gewesen, so die Mitteilung. Daher steht die Garage bis 21.00 Uhr für die Flüchtlinge nicht zur Verfügung. Die rund 150 Personen, die sich noch in ihr aufgehalten hatten, wurden in das Quartier nach Salzburg-Kasern gebracht.

Generell sei ein neues Konzept notwendig, da sich die Tiefgarage nicht als längerfristiger Aufenthaltsort für Flüchtlinge eignet. Dennoch befanden sich noch rund 700 Flüchtlinge im Bahnhofsbereich, sagte Polizei-Sprecherin Irene Stauffer zur APA.

Donnerstagvormittag kamen in Salzburg mit der Bahn 170 Personen aus Wien und 280 aus Graz an. Bis 16.00 Uhr wurden rund 80 weitere erwartet. Wie viele Menschen mit Autos nach Salzburg gebracht wurden, lässt sich nicht abschätzen.

Assistenzeinsatz des Bundesheeres läuft an

Der Assistenzeinsatz des Bundesheeres zur Bewältigung des Flüchtlingsstromes in Salzburg startet Donnerstagabend. Eine Kompanie aus Kärnten traf bereits am Dienstag in Salzburg ein, die Soldaten wurden seither von der Polizei für die anstehenden Aufgaben eingeschult.

Die 90 Männer unterstützen die Polizisten bei Ordnungs- und Sicherheitsaufgaben. Der Assistenzeinsatz sei vorerst für zwei Monate vorgesehen, sagte Oberst Franz Pritz, Chef des Stabes beim Militärkommando Salzburg.

Zugsverkehr weiterhin unterbrochen

Der Zugsverkehr zwischen Salzburg und Freilassing bzw. München war am Donnerstag weiterhin unterbrochen. Fahrten nach Salzburg sind laut ÖBB weiterhin möglich. Fahrgäste, die von Wien nach Salzburg reisen, erhalten von den ÖBB eine Gratisreservierung. Es werden derzeit keine Tickets für Reisen nach Deutschland über Salzburg verkauft. Bereits gekaufte Tickets werden an den Personenkassen rückerstattet. Der Personennahverkehr blieb zwischen den Bahnhöfen Salzburg-Liefering und Freilassing zur Gänze eingestellt. Für Pendler und Schüler wurde jetzt ein Schienenersatzverkehr eingerichtet - mehr dazu in Sonderbusse für Pendler eingerichtet (salzburg.ORF.at).

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Hunderte Menschen warteten in der Nacht auf Donnerstag am Grenzübergang

Panik unter Flüchtlingen ausgebrochen

In der Nacht auf Donnerstag wäre die Situation am Grenzübergang beinahe eskaliert. Bis zu 700 Flüchtlinge warteten kurz vor Mitternacht auf den Grenzübertritt nach Deutschland, als es plötzlich hieß, Deutschland könnte die Grenzen schließen. Tatsächlich war wegen eines Dienstwechsels bei der deutschen Grenzpolizei die Abfertigung ins Stocken geraten. Schnell machte das Gerücht die Runde, dass die Grenze geschlossen werde.

Panik brach unter den Menschen aus - so knapp vor ihrem Ziel zu scheitern, stundenlange Ungewissheit, Angst, Erschöpfung, das alles führte schließlich zu Tumulten und Auseinandersetzungen unter den Flüchtlingen. Die Nerven lagen bei lagen blank. Nur mit Mühe sei es der Polizei und den freiwilligen Helfern gelungen, mittels Dolmetschern die Lage wieder zu beruhigen, schilderte die Halleiner Amtsärztin Fatma Gürel.

„Es war so, dass niemand gewusst hat, ob sie rüber dürfen oder nicht. Wir haben dann versucht, ihnen über Megafone zu erklären, dass sie alle nach Deutschland kommen werden, es aber halt eine Ordnung braucht“, so Gürel. Sie organisierte auch Medikamente, Decken, Lebensmittel und freiwillige Dolmetscher, um die vielen Wartenden zu versorgen. Nach und nach ließ die deutsche Polizei die Flüchtlinge in Kleingruppen über die Grenze und registrierte jeden Einzelnen.

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