Nazi-Debatte: Krankenkasse ermöglicht Denkmal

In Goldegg (Pongau) gibt es im Streit um die geplante Gedenktafel für ermordete Deserteure der Hitler-Armee und weitere Opfer der Nazis eine Zwischenlösung: Die Gebietskrankenkasse stellt bei ihrem Goldegger Erholungsheim einen prominenten Platz zur Verfügung.

Die Salzburger Gebietskrankenkasse (SGKK) betreibt seit Jahrzehnten in Goldegg ein Regenerations- und Erholungsheim für Genesende. SGKK-Obmann Andreas Huss beobachtet seit langem die aus seiner Sicht „unglaubliche Debatte“ darüber, wo und ob nun in Goldegg ein Memorial für Mordopfer, die 1944 in der Region den Nazis und ihren Kriegstreibern zum Opfer fielen, aufgestellt werden soll. Das Thema beschäftigt mittlerweile Interessierte im ganzen Bundesgebiet und im Ausland.

Regenerationszentrum Gebietskrankenkasse Salzburg SGKK in Goldegg

Salzburger Gebietskrankenkasse

Regenerationszentrum der SGKK in Goldegg

„Soziale Absicherung gegen Totalitäre“

Huss geht nun in die Offensive: "Wir stellen gern unseren Grund für die Gedenktafel zur Verfügung – solange es keinen geeigneteren Platz gibt. Die Sozialversicherung ist nach 1945 bewusst aufgebaut worden, um dem Entstehen totalitärer Regime durch eine breite soziale Absicherung entgegenzuwirken. Wir finden es deshalb wichtig, sich an diejenigen zu erinnern, die sich gegen das totalitäre NS-Regime aufgelehnt haben und diesem zum Opfer fielen.“

Die SGKK bietet nun für die Gedenktafel einen prominenten Platz auf ihrem Grund an, wo der beliebte Spazier- und Gehweg in Richtung Ortszentrum von Goldegg verläuft.

Tochter eines Deserteurs erfreut

Brigitte Höfert ist die Tochter eines der Deserteure, die sich 1944 weigerten, weiter für die verbrecherische Hitler-Armee zu kämpfen. Er gehörte zu denen, die sich in den Wäldern und Bergen bei Goldegg versteckten und von SS und Gestapo ermordet wurden. Einige wurden an Ort und Stelle erschossen, andere, und auch Unbeteiligte, kamen in den Konzentrationslagern der Nazis ums Leben.

Höfert teilt nun mit, sie sei über den Schritt der Gebietskrankenkasse sehr froh: "Dass es nun doch noch möglich wird, den Gedenkstein für meinen Vater und die anderen Opfer vor dem 70. Jahrestag am 2. Juli 2014 zu verlegen. Ich hatte die Hoffnung bereits aufgegeben. Vor einigen Tagen hat mir der Obmann der Gebietskrankenkasse, Andreas Huss, angeboten, den Gedenkstein auf dem Grundstück des Regenerationszentrums zu verlegen. Dafür bin ich sehr dankbar. Sollte sich die Gemeinde dazu entschließen, den Stein doch noch im Schlosshof verlegen zu lassen, würde ich mich freuen. So könnte die Gedenktafel doch noch auf den Platz gelangen, für den sie von dem Künstler Anton ursprünglich entworfen wurde.“

Bürgermeister begrüßt SGKK-Initiative

Der Goldegger Bürgermeister Johann Fleißner (ÖVP) sagte Montagfrüh dem ORF, er sei erfreut, dass die Gebietskrankenkasse dieses Angebot macht: „Ich begrüße das auch als mögliche Übergangslösung. Leider hat mich bisher dazu niemand kontaktiert. Der ORF ist der Erste.“ Er weist Vorwürfe von Kritikern zurück, wonach Ewiggestrige am Werk seien: „Es gibt einfach unter den Nachkommen der Ermordeten bei uns zum Teil sehr gegensätzliche Meinungen, wie mit dem Gedenken umgegangen werden soll.“

Fleißner ergänzt, er werde sich die Vorschläge der SGKK noch näher ansehen, um mehr sagen zu können. Der Bürgermeister fühlt sich in der ganzen Causa - von der medialen Berichterstattung bundesweit - übergangen: „Sogar eine Fachzeitschrift für Kommunalpolitik berichtet darüber - relativ einseitig und ohne unsere schwierige Position als Gemeinde zu skizzieren.“

Fleißner will nun den Diskussionsprozess in der Goldegger Bevölkerung, der in den kommenden Tagen und Wochen zu dem Thema stattfinden soll, fördern.

Heftige Debatten seit Wochen

Wie berichtet gibt es zu dem Thema seit Wochen und Monaten einen heftigen Streit zwischen dem Historiker Michael Mooslechner auf der einen und Cyriak Schwaighofer, Chef des Kulturvereins in Goldegg und Klubchef der Grünen im Landtag, sowie der Gemeindepolitik von Goldegg auf der anderen Seite.

Die Gemeindevertretung weigert sich bisher, an prominenter Stelle in ihrem Schloss Goldegg einen Gedenkstein für die ermordeten Goldegger anbringen zu lassen. Der Bürgermeister schlug vor einigen Monaten vor, das neue Memorial beim (relativ weit entfernten) Böndlsee im Ortsteil Weng zu verankern, wo 1944 die ersten Morde geschahen.

Kritik wegen neuerlichem „Diskussionsprozess“

Der grüne Landespolitiker Schwaighofer will die Gemeindepolitik und den eher ablehnenden Teil der Bevölkerung in einem von ihm initiierten Diskussions- und Aufarbeitungsprozess davon überzeugen, dass ein Gedenkstein im Ortszentrum bzw. im Schloss sehr wohl nötig sei. Kritiker wie Mooslechner sehen das allerdings als mögliche Verzögerungs- bzw. Verhinderungstaktik. Eine mutige Politik solle im Sinn der Demokratie vorangehen und nicht warten, bis auch letzte Gegner, Skeptiker und Ewiggestrige überzeugt sei, hieß es sinngemäß von Mooslechner. Von Schwaighofer wird diese Sichtweise vehement zurückgewiesen. Er verweist auf den tiefen Riss, der so lange nach Kriegsende noch immer die Goldegger Bevölkerung spalte. Deshalb sollte diese besser eingebunden werden, so Schwaighofer.

Zuletzt gab es noch eine zusätzliche Debatte, weil in der aktuellen und offiziellen Orts- und Gemeindechronik die Geschehnisse von 1944 noch immer in einer Sprache dargestellt sind, die Historiker an den Jargon der Nazis erinnert. Die Deserteure werden darin beispielsweise als „Landplage“ bezeichnet.

Auch Kulturverein begrüßt SGKK-Vorschläge

Auch Kulturvereinschef Schwaighofer sieht die jüngste Entwicklung mit der Gebietskrankenkasse positiv: „Alles, was die Aufarbeitung der Ereignisse vom 2. Juli 1944 in Goldegg voranbringt, ist zu begrüßen. Deshalb ist das neue Vorhaben der Gebietskrankenkasse ein weiterer Schritt für diesen Prozess. Diese Initiative schafft auch Zeit und Raum, den inhaltlich notwendigen Dialogprozess in Goldegg zielstrebig, aber in Ruhe, zu führen“.

Gerald Lehner, ORF Radio Salzburg & salzburg.ORF.at

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