Neues Buch zum 20. Todestag von Leopold Kohr

Dem Philosophen und Austroamerikaner Leopold Kohr aus Oberndorf (Flachgau) wird das weltweit bekannte Prinzip „Small is beautiful“ zugeschrieben. Ein neues Buch zum 20. Todestag zeigt unbekannte Seiten und aktuelle Bezüge von Kohrs Thesen zu Krisen von Politik und Wirtschaft.

„Das menschliche Maß. Eine Utopie?“ - das ist der Titel des neuen Buches des ORF-Redakteurs Gerald Lehner über Leopold Kohr. Lehner führte mit Kohr viele und lange Gespräche und schrieb schon einmal eine Biographie - zu dessen Tod 1994.

Der Philosoph, Ökonom, Autor, Journalist, US-Staatsbürger, Wahl-Waliser und gebürtige Salzburger (1909–1994) hatte nur indirekt mit dem berühmten Slogan zu tun: „Small is beautiful“ war 1973 ein Buchtitel von Kohrs Schüler Fritz Schumacher in Großbritannien.

Leopold Kohr

ORF

Der Philosoph und Ökonom Kohr bei einem Symposium im ORF Salzburg, 1982

„Kohrs Gedanken aktueller denn je“

Zum 20. Todestag Kohrs veröffentlichte Lehner jetzt sein neues Buch über den Philosophen. Angesichts internationaler Entwicklungen sei Kohr aktueller denn je - davon waren viele Besucher der Buchpräsentation im ORF Landesstudio Salzburg überzeugt: „Ich glaube, er würde sagen: ‚Wir müssen uns wieder zerteilen, aufteilen in kleine Einheiten und einfach versuchen, mit den Menschen vor Ort diese Dinge zu lösen‘“, sagte Susanna Dankl von der Kohr-Akademie in Neukirchen am Großvenediger (Pinzgau).

„Ein Finanzskandal, den man nicht mehr kapiert - der ist nicht mehr überschaubar und für die Leute auch nicht mehr erfassbar. Und im Grunde haben wir heute einen beendet und morgen ist der nächste da. Wenn man sich da ein bisschen mehr an Kohr orientieren würde, wäre das viel leichter“, ergänzte Christian Vötter von der Kohr-Akademie.

Lange Lehrtätigkeit in Übersee

Der Salzburger Kohr war seit 1939 amerikanischer Staatsbürger, lebte und arbeitete als Wissenschafter, Universitätslehrer, Autor und Journalist in den USA, Kanada, Puerto Rico, Anguilla, Wales und England. Und auch Salzburgs Kohr-„Entdecker“ Alfred Winter war sich sicher: „Wenn man auf die Schweiz schaut: Die ist eigenständig. Und die Kantone sind es auch. Viele andere Länder in Europa würden diesem Beispiel folgen können - auch wenn es noch etwas holprig ist. Aber diese Großmannssucht, die’s gibt, wird - glaube ich - nicht lange währen.“

Die Schweiz und ihre Widersprüche

Autor Gerald Lehner ließ es sich nicht nehmen, sich auch sehr kritisch zu Kohrs Traumland Schweiz und seiner Politik zu äußern - neben einer Analyse der vielen Vorteile, die das kantonale Selbstverwaltungssystem der Schweiz biete. Immerhin gelingt es den vielsprachigen Eidgenossen damit, nationalistischen Größenwahn aus Deutschland, Frankreich und Italien seit Jahrhunderten abzuwehren.

Erstmals Kohrs Beziehung zu Frauen thematisiert

In Lehners Buch erfährt man nicht nur viel über Philosophie und Leben Leopold Kohrs, sondern zum ersten Mal auch etwas über seine Beziehungen zu Frauen.

„Ich habe in Großbritannien Gott sei Dank noch seine langjährige Freundin näher kennengelernt, die Malerin Diana Lodge“, schildert Gerald Lehner: „Sie war damals schon über 90 Jahre alt. Als Kohr noch jung war, war Lodge mit einem viel älteren Mann verheiratet, einem Spezialisten für die Literatur von Shakespeare. Ich könne das ruhig in meinem Buch schreiben, sagte sie. Mit ihrem Ehemann hätte sie viel spirituell verbunden und mit dem jungen, knackigen Philosophen Leopold Kohr aus Salzburg mehr das Körperliche.“

Leopold Kohr an der Schreibmaschine Philosoph Ökonom Journalist www.kohr.at

Gerald Lehner

Arbeiten zum bis Schluss: Kohr wenige Tage vor seinem Tod mit 84 Jahren in seiner britischen Wahlheimat Gloucester

„Immer positive Einstellung zum Leben“

Leopold Kohr würde vielleicht viele der Entwicklungen heutzutage begrüßen - allerdings: „Mit seiner immer positiven Einstellung zum Leben und seinen optimistischen Gedanken wird er mit Lust zusehen, wie ganz große gigantische Systeme auch wieder kollabieren“, ist sich Volker Toth sicher, Verleger des Buches der Edition Tandem: „Das menschliche Maß. Eine Utopie? Gespräche mit Leopold Kohr über sein Leben“.

Hannelore Hopfer, ORF Salzburg

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