Für die Freiheit gegen Hitlers Armee

Österreich verdanke seine politische Freiheit zum Teil den Deserteuren, die unter Lebensgefahr die Hitler-Armee boykottierten. Ihr Widerstand habe Österreich in der Weltpolitik sehr genützt, sagte der Historiker Michael Mooslechner bei einer Tagung am Sonntag in Goldegg (Pongau).

Die positive Rolle von Deserteuren für die Befreiung Österreichs wurde nach 1945 bewusst verschwiegen, weil Deserteure von Soldaten und Ex-Kriegsgefangenen aus Wehrmacht und SS verachtet und gezielt diffamiert wurden, so der Historiker Mooslechner aus St. Johann (Pongau).

Michael Mooslechner Historiker

Maria Schwaighofer

Historiker Michael Mooslechner bei seinem Vortrag am Sonntag in Goldegg

Beispiel Goldegg

Die sechs untergetauchten Deserteure, die im Sommer 1944 in den Bergen bei Goldegg von der SS gejagt und sofort bzw. etwas später ermordet wurden, seien auch keine Einzelfälle gewesen. Das betonte Historiker Mooslechner am Sonntag bei der Tagung auf Schloss Goldegg.

Ab 1943 sei sehr vielen Soldaten und Offizieren längst klar gewesen, dass der Krieg in Russland nicht mehr zu gewinnen und - wegen der klaren Mordbefehle gegen Zivilisten und Gefangene - ein geplantes Staatsverbrechen Hitlers war.

„Kameradschaften“: 60 Jahre Schweigen

Es habe seit dem Untergang der sechsten Armee Hitlers in Stalingrad in fast jedem Dorf Österreichs und Deutschlands einige Deserteure gegeben, die sich versteckt hielten, so Mooslechner:

„Warum wissen wir heute noch immer so wenig von diesen Leuten? Weil sie von später heimkehrenden und regimetreuen Soldaten sowie ehemaligen Kriegsgefangenen verachtet wurden. Jeder Widerstand gegen das Hitler-Regime wurde nach Möglichkeit totgeschwiegen, weil er die Massen von Mitläufern und Kriegsbefürwortern infrage stellte“, sagt Mooslechner. Das sei auch der Grund, warum Deserteure von manchen bis heute als „Verräter“ diffamiert würden.

Deserteure: Pioniere für Österreichs Freiheit

Letztlich könne Österreich davon ausgehen, so Mooslechner, dass die Alliierten das Vorhandensein von Widerstand den Österreichern positiv anrechneten, als es nach 1945 um die Zukunft das Staates ging. Immerhin war schon in der Moskauer Deklaration der Alliierten festgeschrieben worden, dass Österreich nur als Opfer Hitlers gelten könne, wenn es im Land eigene Beiträge zu seiner Befreiung von den Nazis gebe.

Rudi Leo Historiker

Maria Schwaighofer

Der Historiker Rudi Leo schilderte konkrete Beispiel von Widerständlern im Bergland, die auch in seinem neuen Buch über den Nationalsozialismus im Salzburger Pinzgau vorkommen

„Aus meiner Sicht hat Michael Mooslechner dieses wichtige Faktum schön herausgearbeitet. Für viele ist das nach Jahrzehnten des Verdrängens ein neuer und sehr interessanter Blickwinkel auf Österreichs Geschichte“, sagt Cyriak Schwaighofer, Geschäftsführer des Kulturvereins auf Schloss Goldegg und Klubchef der Grünen im Salzburger Landtag.

Kritik an Goldegger Gemeindechronik

Bei der Tagung in Goldegg kritisierte Mooslechner die offizielle Goldegger Gemeindechronik, in der die zehn Deserteure der Region als „Landplage“ bezeichnet würden, was an den Jargon der Nationalsozialisten erinnere. Das Gegenteil sei Faktum: „Gerade im Goldegger Ortsteil Weng hat es einen großen Zusammenhalt der Familien gegeben, und einige der zehn Deserteure saßen regelmäßig am Mittagstisch, wenn keine Nazi-Spitzel in der Nähe waren.“

Der Wissenschafter wies darauf hin, dass jeder Deserteur der Hitler-Armee den Krieg um eine kurze Zeiteinheit verkürzt habe und auch die Befreiung Österreichs vom Nationalsozialismus durch seine Weigerung gefördert habe, für Hitler und seine Komplizen zu kämpfen.

Schwerpunkt „Sippenhaftung“

Bei den Fachgesprächen und dem Gedenktag auf Schloss Goldegg, an denen auch der Pinzgauer Historiker und Autor Rudi Leo teilnahm, wurde Sonntag auch das Thema „Sippenhaftung“ - ein NS-Jargon - besprochen.

Die Nationalsozialisten versuchten, über Verschleppungs- und Todesdrohungen, Ankündigungen von KZ-Haft und weiteren massiven Druck gegen Familien von untergetauchten Regime- und Kriegsgegnern der Lage Herr zu werden und den Widerstand zu brechen: „Im Rahmen der ,Sippenhaftung‘ wurde die Bevölkerung terrorisiert, zur Denunziation aufgefordert und kollektiv eine Art Selbstüberwachung geschaffen“, so Historiker Mooslechner.

Eigene Fachtagung

Der Kulturverein auf Schloss Goldegg plant für das kommende Jahr eine Tagung, die sich mit dem Phänomen der „Sippenhaftung“ im Widerstand gegen das Hitler-Regime auseinandersetzt.

Maria Schwaighofer, Kulturverein Schloss Goldegg, und Gerald Lehner, salzburg.ORF.at

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