Greißlersterben: Kritik an Gemeinden & Banken

Die Gesetzgeber bei Bund und Ländern sowie die Wirtschaftskammern müssten sich stärker für kleine Nahversorger einsetzen. Das fordern die letzten Greißler. Es gibt auch Kritik an Banken, Bürgermeistern und Gemeinden, die einander Wettläufe um Großmärkte liefern würden.

Nach einem Bericht in ORF Radio Salzburg über eine um ihre wirtschaftliche Existenz kämpfende Nahversorgerin im Bergdorf Krispl-Gaißau (Salzburger Tennengau) haben sich weitere Betroffene zu Wort gemeldet. Die Thematik, die hier anhand von Salzburger Beispielen beschrieben wird, habe bundesweite Bedeutung, sagen Experten.

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APA / Andreas Troescher

Regal bei einem der letzten Nahversorger

Tenneck ohne Shop

Zum Beispiel hat der pensionierte Justizwachebeamte Herbert Auer aus Wals-Siezenheim (Flachgau) seit langem auch einen Gewerbeschein als Lebensmittelhändler. Der gebürtige Pongauer aus Werfen (Tennengau) wollte vor drei Jahren im Werfener Ortsteil Tenneck das kleine Lebensmittelgeschäft übernehmen. Auer schaffte es aber nicht, an das nötige Geld zu kommen. Der Laden ist seither geschlossen, die Bevölkerung in Tenneck ohne Nahversorger. Und wer kein Auto hat, für den ist der Weg nach Werfen oder Bischofshofen steil und weit.

Herbert Auer

Privates Archiv

Herbert Auer, als angehender und letztlich verhinderter Greißler hatte der pensionierte Beamte der Justizwache weniger zu lachen

Auch bei der Gemeinde Werfen habe ihm niemand geholfen, sagt Auer. 120.000 Euro hätte er privat für die Weiterführung des Ladens aufbringen müssen - für Ablöse, Gebühren, Vorschüsse für die Versicherung Angestellter und für das gesamte Sortiment.

Viel schlechtere Deals im Großhandel

Die Einkaufspreise im Großhandel seien viel höher als für riesige Supermarktketten, kritisiert Auer: „Nahversorger sind völlig auf sich allein gestellt, und niemand kümmert sich um Fairness und gleiche Ausgangsbedingungen - auch in der Politik nicht. Das ganze System ist auf das Ende der Kleinen zugeschnitten.“

Herbert Auer ergänzt, Österreichs Nationalrat und die Landtage müssten bessere Gesetze schaffen, die Nahversorger nicht weiter benachteiligen. Druck müsste auch über die Wirtschaftskammer aufgebaut werden: „Die Kammer fördert nur einzelne Beratungen. Insgesamt müsste es auch von ihr wesentlich mehr Unterstützung geben.“

Greisler Andrea Kocher ADEG Gaißau Nahversorger

Gerald Lehner

Nahversorgerin von Krispl-Gaißau, über ihren „Kampf“ der ORF vor kurzem schon berichtet hat

Auch Banken im Visier

Während Herbert Auer seine Pläne als Nahversorger für Tenneneck aufgegeben hat, macht einer seiner Kollegen von Innergebirg weiter. Dieser will namentlich nicht genannt werden und nimmt die Wirtschaftskammer und die Landesregierung voll in Schutz. Deren Zinsstützung für Kredite sei eine gute Förderung. Dieser Nahversorger kritisiert jedoch die heimischen Banken. Bei den meisten heiße es, jedes kleine Geschäft mit weniger als 400 Quadratmetern sei ohnehin zum Tod verurteilt. Entsprechend hart seien die Kreditbedingungen.

Umstrittene Rolle von Bürgermeistern & Gemeinden

Die beste Förderung von Nahversorgern in Ortszentren nütze nichts, wenn die Kunden weiter groß bei Supermarktketten und Diskontern auf der grünen Wiese einkaufen. Das betonen Experten der Wirtschaftskammer.

In der Debatte gibt es dazu noch Kritik an Bürgermeistern und Gemeinden. Viele würden bevorzugt große Handelskonzerne ansiedeln, heißt es in der Wirtschaftskammer. Nicht selten seien Gemeindepolitiker selbst verantwortlich, wenn ihre Ortszentren wirtschaftlich aussterben, sagt Johann Höfelmaier, Geschäftsführer der Sparte Handel der Salzburger Wirtschaftskammer.

Wer sich selbst immer mehr große Handelskonzerne auf die grüne Wiese hole, sollte sich nicht wundern, so der Fachmann. Er verweist auch auf den Wettbewerb von Gemeinden und Bürgermeistern untereinander. Bei der Ansiedlung von Großbetrieben gehe es oft auch darum, sich die meisten Steuern ins eigene Gebiet zu holen - auf Kosten anderer Gemeinden und Regionen, deren Kaufkraft dann abfließt.

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APA / Andreas Troescher

Eine der letzten Greißlerinnen in Wien

Handelsexperte Höfelmaier will auch die Landespolitik nicht aus der Mitverantwortung für das Greißlersterben entlassen: „Besonders in der letzten Legislaturperiode haben Landesregierung, Landtag und deren Raumordnungsgesetze stark dazu beigetragen, dass noch mehr Supermärkte auf die grüne Wiese außerhalb von Ortszentren im ganzen Land gestellt werden können.“

Banken weisen Kritik zurück

ORF Salzburg hat sich dazu auch in der Szene der Geldgeber ein wenig umgehört. Eine Kritik, wonach Banken größere Handelsbetriebe bevorzugen und kleine benachteiligen würden, wird von Salzburger Kreditinstituten generell und vehement zurückgewiesen. Manager Matthäus Haas von der Salzburger Sparkasse sagt zum Beispiel, sein Haus fördere Klein- und Mittelbetriebe massiv, seine Bank sei eine echte Regionalbank und keine Industriebank. Das betont auch Udo Steckholzer, Sprecher des Salzburger Raiffeisenverbandes. Mit weit mehr als 100 Filialen im ganzen Land sei Raiffeisen auf bestmögliche Versorgung der regionalen Wirtschaft mit günstigem Geld ausgerichtet.

Gerald Lehner, salzburg.ORF.at & Radio Salzburg

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