Bernhard: Vom Feindbild zum Heimatdichter

Der Roman „Frost“ von Thomas Bernhard wird von 16. bis 19. Mai in Goldegg (Pongau) vollständig vorgelesen. Initiator ist der Wirt und Unternehmer Sepp Schellhorn, seit langem ein Förderer dieser Literatur.

Sepp Schellhorn hat für diese literarische Performance in Goldegg die Autoren Nina Bußmann und Andreas Maier sowie die Schauspieler Ben Becker, Christoph Luser, Martin Schwab, Martin Wuttke zusammengetrommelt und für den Salzburger Pongau engagiert. Ergänzt wird die „Frost“-Komplettlesung in den Gasthäusern „Seehof“ und „Bierführer“ sowie im Schloss Goldegg mit einer Ausstellung von Bernhard-Porträts des Malers Albert Oehlen.

Thomas Bernhard

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Feindbild für Traditionalisten

Schellhorn fördert neben einigen anderen Akteuren in der Region Schwarzach, Goldegg und St. Veit das Andenken an Thomas Bernhard seit Jahren.

Josef Schellhorn Sepp Schellhorn

Salzburger Landeskorrespondenz

Tausendsassa Schellhorn schwingt - international beachtet - den Kochlöffel, konzipiert und betreibt Alpenwirtshäuser mit moderner Architektur und hat ein Herz für den lange verfemten Thomas Bernhard

Das begann schon zu Zeiten, als Bernhard wegen seinen spitzen Feder - auch gegen alte und neue Nazis - in der Region noch als Nestbeschmutzer diffamiert wurde, weil er es gewagt hatte, manche Dinge des Land- und Stadtlebens zu beschreiben und auch zu kritisieren. Die oft auch idyllische Region um Goldegg wurde auch nicht verschont, weil Bernhard im nahen St. Veit-Grafenhof einige Jahre in der Lungenheilanstalt zubringen musste. Die darüber und über Charaktere unter Einheimischen entstandenen Texte eignen sich kaum für Hochglanz-Broschüren alpiner Tourismswerbung.

Den Goldegger Gastronomen Schellhorn stört das nicht - im Gegenteil. Der Tourismusfachmann sitzt für die ÖVP seit Jahren im Gemeinderat und tritt nun auch für die neue liberale Partei NEOS bei der Nationalratswahl an.

Bernhards Bruder Fabjan auch zu Gast

Eröffnet wird der unter dem Titel „Verstörung“ publizierte Literaturevent am 16. Mai mit einer Einführung des Suhrkamp-Cheflektors und Thomas-Bernhard-Herausgebers Raimund Fellinger. Danach wird der 1963 erschienene, 334 Seiten dicke Roman drei Tage lang von früh bis spät Wort für Wort gelesen. Auch Peter Fabjan, der Bruder des Autors, wird auftreten und den Beobachtungen und Reflexionen Bernhards über den „seltsamen Künstler Strauch“ und seine Umgebung eine der Stimmen geben.

Bernhard einst hart kritisiert

Der Ort Goldegg ist keinesfalls zufällig gewählt. Zum einen ist Wirt und Initiator Schellhorn der Besitzer des Seehofes. Zum anderen hat Bernhard seinen frühen Roman im Goldegger Ortsteil Weng angesiedelt. Fünf Jahre nach der Erstveröffentlichung bekam er dafür den Österreichischen Förderungspreis für Literatur.

Das rief einst die Gemeindevertreter und den Bürgermeister der Kur- und Tourismusgemeinde auf den Plan, die beim Bundesminister offiziell gegen Bernhard protestierten: „Die Bevölkerung ist mehr als betroffen, wie ihre österreichische Heimat und sie selbst in diesem Roman geschildert werden... hier wurde dichterische Freiheit missbraucht“.

Gebirgler-Mentalitäten in Texten seziert

Tatsächlich formulierte Bernhard wenig schmeichelhafte Gedanken wie: „Mich erschreckt diese Gegend, noch mehr die Ortschaft, die von ganz kleinen, ausgewachsenen Menschen bevölkert ist, die man ruhig schwachsinnig nennen kann.“ Der von der Gemeindevertretung der 60er Jahre befürchtete Imageschaden für den Fremdenverkehr dürfte sich aber genau 50 Jahre nach der Erstveröffentlichung von „Frost“ in sein Gegenteil verkehrt haben - sowohl bei den ersten „Verstörungen“ im September 2012 als auch für diese Sonderausgabe mit der „Frost“-Gesamtlesung ist das Publikumsinteresse groß, man rechnet jetzt zu Pfingsten neuerlich mit rund 250 Besuchern.

Vielschichtes Programm bis in den Herbst

Der „Verstörungen“-Haupttermin in Goldegg aber bleibt der September, von 19. bis 22. werden die zweiten regulären „Verstörungen“ zum Thema „Heldenplatz“ stattfinden. Angesagt sind dann Leute wie Claus Peymann und Andreas Khol, Josef Winkler, Ben Becker, Jens Harzer und Tobias Moretti.

Feature: APA & Gerald Lehner, salzburg.ORF.at

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