Wandern verringert Depressionen
Carina Buchner
20 Patienten der Salzburger Christian-Doppler-Klinik, die schon Selbstmordversuche hinter sich haben, wurden für die Studie ausgewählt. Sie gingen abwechselnd neun Wochen lang je dreimal pro Woche in einer geführten Gruppe wandern.
Es waren kleine, moderate Touren von zwei bis drei Stunden auf den Bergen rund um die Stadt Salzburg, sagt der Studienleiter, Sportwissenschaftler Josef Sturm: „Zum Beispiel sind wir auf den Schlenken bei Hallein gegangen - da fährt man hinauf zum Halleiner Haus und geht eine flache Schotterstraße. Oder den Rundwanderweg auf dem Gaisberg - der wirklich sehr einfach ist. Danach sind wir auch auf einfach Single-Trails gegangen, wo man vielleicht ein Wegbreite von einem halben oder einem Meter hat und vielleicht über eine Wurzel drübersteigen muss.“ Als Abschluss der Studie gab es dann eine Dreitagestour in den Hohen Tauern.
Gerald Lehner
Weniger Hoffnungslosigkeit, Selbstmordgedanken
Der Erfolg der regelmäßigen Wanderungen übertraf die Erwartungen der Wissenschaftler: Zum einen hätten sich die Patienten jedes Mal auf die Wanderungen gefreut - die Motivation sei deutlich höher gewesen als in vergleichbaren Studien, sagt Sturm. Auch die körperliche Verfassung der Patienten hat sich um 100 Prozent verbessert, bestätigte Sportmediziner Josef Niebauer durch Tests.
Und vor allem: Die seelische Lage der Suizid-Patienten wurde deutlich positiver. Ein halbes Jahr lang wurden die Teilnehmer der Studie per Onlinefragebogen täglich über ihren Gemütszustand befragt - dieser Test wurde von Günter Schiepek, Leiter des PMU-Instituts für Synergetic und Psychotherapieforschung, entwickelt. Zudem gab es am Beginn, zur Hälfte und am Ende der Studie ein ausführliches Gespräch. Und es zeigte sich ganz klar, dass im Verlauf der Studie Selbstmordgedanken, das Gefühl der Hoffnungslosigkeit und Depressionen deutlich seltener wurden.
Positiver Effekt „sauber“ nachgewiesen
Dass Bewegung in der Natur und in den Bergen gut gegen Depressionen und Suizidgefährdung ist, wurde damit erstmals in einer wissenschaftlichen Studie bestätigt, sagt Reinhold Fartacek, ärztlicher Direktor der Christian-Doppler-Klinik und Leiter der Suizidprävention: „Es gibt viele Studien zum Thema Depression. Sehr rar sind aber die Studien, die diese Effekte mit einer wirklich sauberen und aufwändigen Methodik untersuchen, wo man danach wirklich sagen kann: Diese Intervention hat Hoffnungslosigkeit, Suizidgedanken verbessert und ist nicht durch andere Faktoren erklärbar. Da ist es am Beispiel der suizidgefährdeten Patienten die weltweit erste Studie, die das sauber zeigen konnte.“
Bei den Wanderungen seien die Studienteilnehmer deshalb auch angewiesen worden, ohne viel Reden mit den anderen Gruppenmitgliedern zu gehen, um ausschließen zu können, dass das Gruppenerlebnis zur Verbesserung des Zustandes führt, ergänzt Fartacek.
Derzeit kein regelmäßiges Angebot für Patienten
Angesichts der Erfolge der Studie haben die Depressions- und Suizidpatienten großes Interesse an einem regelmäßigen Wanderangebot - das weiß auch Fartacek: „Das Interesse der Patienten ist noch immer da. Ich treffe immer wieder Leute, die bei der Studie teilgenommen haben. Sie fragen, wann es denn wieder so etwas geben könnte?“
Allerdings: Solche regelmäßigen geführten Wandertouren für Depressionspatienten gibt es derzeit nicht. Fartacek will deshalb mit den alpinen Vereinen und der Gebietskrankenkasse reden, um ein solches Angebot auf die Beine zu stellen.