Gewalt gegen Roma: Autor kritisiert Medien

In Salzburg gebe es weder Bettlerbanden kriminellen Zuschnitts noch aggressives Betteln. Das sagt der Autor und Roma-Experte Karl-Markus Gauß. Er finde die „öffentliche Hetze gegen Roma unerträglich“, so der international bekannte Schrifsteller. Er kritisiert Medien und Politiker.

Karl Markus Gauß

Wolfgang H. Wögerer / wikipedia.org

Der Salzburger Schriftsteller Gauß ist Aushängeschild Österreichs in der europäischen Literatur. Er ist alles andere als einverstanden, wie hierzulande über die historisch vielfach gepeinigte und im Nationalsozialismus bestialisch verfolgte Volksgruppe der Roma berichtet und geredet wird - auch von Politikern. Gleichzeitig sagt Gauß, auch Roma müssten sich ändern und modernisieren.

Gauß äußerte sich Freitag zu den Vorgängen der vergangenen Tage bei einem Pressegespräch des Salzburger Friedensbüros.

Anlass für diesen Termin mit Vertretern der Katholischen Aktion und der Plattform für Menschenrechte ist der Angriff türkischer Jugendlicher auf Roma-Bettler in einem Abbruchhaus am vergangenen Samstag. Der Mob soll laut Einsatzkräften dabei zwei Menschen verletzt haben.

Die Polizei teilte zuletzt dazu mit, sie könne nichts oder wenig gegen die mutmaßlichen Täter tun, weil Zeugen fehlen würden.

„Ich gehöre zu jenen Salzburgern, die die Hetze gegen bettelnde Roma unerträglich finden. Leider wird auch in Qualitätsmedien sachlich falsch, ja zum Teil hanebüchen argumentiert“, so der international mehrfach preisgekrönte Schriftsteller Gauß.

Auch Sprache in Qualitätszeitung in der Kritik

Kritik übte Gauß etwa an den „Salzburger Nachrichten“. „Die SN haben sich auf die Volksmeinung gestürzt. Sie sprechen nicht mehr von Roma, sondern immer nur von Roma-Banden. In Reportagen wird nur mit den nächstgelegenen Geschäftsleuten geredet und nie mit den betroffenen Roma selbst“, so Gauß.

Roma-Lager der Nazis in
Salzburg-Maxglan:

Im Nationalsozialismus gab es im Salzburger Stadtteil Maxglan ein kleines Außenlager der NS-Konzentrationslager gegen Sinti umd Roma. Von hier wurden viele in die Gaskammern der Vernichtungslager deportiert. Die Salzburger Historikerin Susanne Rolinek berichtet darüber in einem zeitgeschichtlichen Reiseführer. Lesen Sie mehr ...

„Bestelltes Pogrom“

Viele wollten heute die Roma einfach aus der Stadt weghaben: „Wenn dann eine Gruppe jugendlicher Türken zur Selbstjustiz greift, dann ist das fast wie ein bestelltes Pogrom.“

Es sei einfach nicht wahr, dass jeder Cent, den die Leute erbetteln, an millionenschwere Zuhälter im Hintergrund abgeliefert würden, erklärte Gauß.

Gauß sieht mediale Missstände

Er hat für seine international vielfach preisgekrönte Literatur - darunter das Buch: „Die Hundeesser von Svinja“ - auch eine Vielzahl von Roma-Ghettos in Osteuropa besucht und viele Gespräche mit Roma geführt:

„Ich kenne einen Roma, der spielt in Salzburg oft das Akkordeon. Am nächsten Tag kniet er auf einer Brücke und bettelt, und am übernächsten Tag sammelt er das Geld ein, das andere Familienmitglieder erbettelt haben, damit es nicht von der Polizei konfisziert wird.“

„Triste Chancenlosigkeit“

Das seien Familienstrukturen, da gehe es um das Verdienen von Lebensunterhalt, so Gauß weiter: „Die Roma sind an dieser europäischen Misere Mitschuld, auch sie müssen sich ändern. Aber aus ihrer Sicht machen sie im Moment das einzig Richtige, um der tristen Chancenlosigkeit in den Ghettos zu entfliehen. Sie machen ihr Schicksal mit ihren Körpern sichtbar und behelligen unsere Wohlstandsstädte mit ihrer Armut.“

„Menschen in existenzieller Not“

Josef Mautner von der Katholischen Aktion sagte, jeder habe das Recht, als eigenständige Person und nicht als Teil einer abstrakten Bande wahrgenommen zu werden: „Bei den Bettlern, die uns in Salzburg begegnen, geht es um Menschen in existenzieller Not“.

„Verbote treiben Leute in Kriminalität“

Mautner bezeichnete das Bettelverbot als verfassungswidrig und forderte Notunterkünfte inklusive sanitärer Einrichtungen.

Daive Döring von der Plattform für Menschenrechte argumentierte, erst derartige Verbote würden die Leute in die Kriminalität treiben: „Nicht die Sichtbarkeit der Armut, sondern die Armut an sich ist das Problem.“

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