Tourismus: 40 Prozent weniger Lehranfänger

In den zehn Jahren zwischen 2006 und 2016 ist die Zahl der Lehranfänger in Tourismusberufen um fast 40 Prozent gesunken - viel stärker als in anderen Branchen. Der Personalmangel in der Gastronomie verschärfe sich weiter, sagen Experten.

Der Tourismus boomt, die Nächtigungen steigen, doch die Hoteliers brauchen mehr Personal. „Der Mangel an Fachkräften ist teilweise wirklich schon eklatant“, sagte Tourismus-Bundesbranchensprecherin Petra Nocker-Schwarzenbacher am Wochenende vor Journalisten in St. Johann im Pongau. Gesucht werden vor allem Köche und Kellner, aber auch Hilfskräfte.

Überdurchschnittlich viele geben Lehre auf

Allerdings wollen immer weniger junge Leute eine Lehre im Tourismus anfangen - in den zehn Jahren zwischen 2006 und 2016 verringerte sich die Anzahl der Lehranfänger in der Branche laut Statistik Austria um fast 40 Prozent von 5.268 auf 3.161. „Es hat in allen Branchen einen gewissen Rückgang gegeben“, sagte der Ökonom Martin Kocher vom Institut für Höhere Studien (IHS) in St. Johann. In der gesamten Wirtschaft sei die Lehrlingszahl im selben Zehnjahreszeitraum nämlich um 23 Prozent gesunken - deutlich weniger als in der Hotellerie und Gastronomie.

Kochlehrling an Herd in Küche in Gastronomiebetrieb

ORF

Die Zahl der Lehranfänger in Tourismusberufen ist zwischen 2006 und 2016 stark gesunken

Dazu komme noch, dass in Tourismusberufen die Lehrausbildung überdurchschnittlich oft innerhalb des ersten Jahres abgebrochen werde, so Ökonom Kocher: „Die Betriebe sind oft sehr klein, und wenn es mit dem Chef nicht klappt, kann der Lehrling nicht einfach innerhalb des Unternehmens wechseln“. Außerdem „haben wird unverhältnismäßig mehr Lehrlinge mit Migrationshintergrund, darunter viele Analphabeten - einige geben auf“, ergänzte Branchensprecherin Nocker-Schwarzenbacher.

Personalmangel im Tourismus immer größer

Dabei wird der Personalmangel im Tourismus in den nächsten Jahren deutlich schärfer - das zeigen Prognosen des Wirtschaftsforschungsinstituts Wifo im Auftrag des Arbeitmarktservice (AMS): Allein in den sieben Jahren von 2016 bis 2023 werden demnach in Österreich in Summe voraussichtlich 7.000 Köche und 9.100 Kellner zusätzlich gesucht, so die in St. Johann präsentierten Zahlen. Insgesamt müssten Hotels, Pensionen, Restaurants und Lokale in diesem Zeitraum 36.000 zusätzliche Beschäftigte finden - davon 20.500 Teilzeit- und 15.500 Vollzeitkräfte.

Besonders stark dürfte der Personalbedarf in Wien steigen (mit 9.200 zusätzlichen Beschäftigten), gefolgt von Tirol (6.600), Niederösterreich (4.700) und Salzburg (4.100). Am geringsten dürfte der Bedarf nach der Prognose im Burgenland (1.300), in Kärnten (1.400) und in Vorarlberg (1.900) steigen.

Wirte bei Mitarbeitersuche in „defensiver Position“

Bereits jetzt spürten die Gastronomen den Personalmangel deutlich, betonte Branchesprecherin Nocker-Schwarzenbacher, die selbst ein Hotel in St. Johann im Pongau führt: „Pro 1.000 Euro teurer Annonce meldet sich ein Kellner, der noch fünf andere Vorstellungsgespräche hat. Wir sind da etwas in einer defensiven Position.“ Es sei notwendig, das Image zu verbessern und die Bedingungen, die gewünscht seien, zu liefern.

Große Fluktuation in der Branche

Insgesamt herrscht im Tourismus bei den Mitarbeitern ein starkes Kommen und Gehen - das zeigen IHS-Zahlen: Von den österreichweit insgesamt knapp 4 Millionen Arbeitnehmern im Jahr 2017 waren rund 270.000 ganzjährig im Tourismus tätig. Doch weitere fast 500.000 Personen arbeiteten im Vorjahr zumindest einmal vorübergehend in Hotels, Lokalen oder anderen Gastronomiebetrieben.

„Daran sieht man: Der Tourismus ist oft eine Einstiegsbranche, eine Branche, wo man viel wechselt“, sagte IHS-Chef Kocher. Zudem sei der Frauenanteil im Tourismus mit 60 Prozent sehr hoch, dazu komme ein großer Anteil von Nicht-Österreichern mit 44 Prozent.

Schwankungen auch je nach Saisonverlauf

2017 habe der durchschnittliche Beschäftigte 195 Tage im Tourismus, 50 Tage in einer anderen Branche und 120 Tage überhaupt nicht gearbeitet, ergänzte Kocher. Allerdings schwanke die Beschäftigungsdauer im Tourismus je nach Bundesland sehr stark: In Kärnten ist der Arbeitnehmer mit durchschnittlich 160 Tagen im Gastronomiebereich am kürzesten beschäftigt; in Wien, Niederösterreich und im Burgenland mit 240 bis 260 Tagen im Beherbergungsbereich bzw. 200 bis 220 Tagen in der Gastronomie am längsten.

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