Tödlicher Bahnunfall: Gutachten über Kinderwagenbremse

Zu dem Unfall im Oktober in Puch (Tennengau), bei dem der Sog eines Zuges einen Kinderwagen erfasste und ein Kleinkind starb, gibt es nun ein Gutachten: Der Buggy hätte sich nicht bewegt, wäre die Feststellbremse aktiv gewesen.

Grabkerze zum Gedenken auf Bahnsteig der Bahnstation Puch bei Hallein

ORF

Unfallstelle auf dem Bahnhof Puch

Ein gerichtlich beeideter Zivilingenieur für Wirtschaftsingenieurswesen und Maschinenbau hat für die Justiz verschiedene Versuche am Unfallort in Puch durchgeführt. Wäre die Feststellbremse angezogen gewesen, hätte sich der Kinderwagen nicht bewegt, lautet ein Erkenntnis des Sachverständigen.

Feststellbremse war nicht aktiviert

Bei nicht eingelegter Bremse habe sich der Kinderwagen bei der Krafteinwirkung bewegt, wie sie durch die Sogwirkung bei durchfahrenden Zügen entsteht. Das ist ein weiteres Ergebnis des Gutachtens.

Das Ermittlungsverfahren wegen fahrlässiger Tötung ist noch nicht abgeschlossen, sagt Marcus Neher, Sprecher der Staatsanwaltschaft. Bei dem Unglück am 4. Oktober war ein Kinderwagen vom Sog eines durchfahrenden Güterzuges mitgerissen und von einem Waggon erfasst worden. Dabei wurde ein einjähriges Mädchen aus dem Buggy geschleudert. Das Kind starb wenig später im Krankenhaus. Als der Unfall passierte, soll die Mutter den Kinderwagen laut Polizei aus der Hand gegeben haben, weil sie sich ihrem dreijährigen Sohn zugewandt habe.

Zug war nicht zu schnell

Zum Zeitpunkt des Unfalls war maximal 100 km/h für Güterzugdurchfahrten und 130 km/h für Personenzüge am Bahnhof Puch bei Hallein erlaubt. Erhebungen ergaben, dass der Güterzug die Maximalgeschwindigkeit nicht überschritten hatte. Als eine vorläufige Sofort-Maßnahme der ÖBB nach dem Unfall durften Güterzüge an der Station in Puch nur noch mit maximal 60 km/h durchfahren, Personenzüge höchstens mit 100 km/h.

Nachdem die ÖBB zusätzliche Sicherheitsmaßnahmen gesetzt hatten - wie die Installation von Halteschlaufen für Kinderwagen und Lautsprecherdurchsagen, die auf das Festhalten von Kinderwagen bei Zugdurchfahrten hinweisen, wurden am 21. Dezember die vorübergehenden Tempobeschränkungen wieder aufgehoben.

Am 16. Jänner führte der Zivilingenieur Versuche mit einem bauartgleichen Kinderwagen - es handelte sich um einen „Geschwister-Buggy“, der Platz für zwei Kinder bietet - am Unfallort beim Gleis eins durch.

Drehmoment durch einseitige Gewichtsbelastung

Der Sachverständige stellte fest, dass ein eingebremster Kinderwagen bei Durchfahrten von Personen- und Güterzügen mit Geschwindigkeiten von 87 km/h bis 130 km/h nicht in Bewegung geraten wäre. Bei den Nachstellversuchen wurde ein bauartgleicher Kinderwagen mit einem 8,5 Kilogramm schweren Sandsack beschwert, um eine authentische Situation herzustellen. Dass der Doppel-Kinderwagen in Bewegung geraten sei, sei aus Sicht des Sachverständigen durch das Drehmoment erklärbar, das durch die einseitige Gewichtsbelastung entstanden sei, erläuterte Staatsanwalt Neher.

Ohne Bremswirkung rasch beschleunigt

Bei nicht angelegten Bremsen an den Hinterrädern hat der Kinderwagen dem Gutachten zufolge relativ rasch beschleunigt, sodass davon auszugehen sei, dass eine Person (in diesem Fall die Mutter, Anm.) in dieser Situation nicht die Möglichkeit hatte, rechtzeitig mit der Hand den Kinderwagen zu erreichen. Bei der Durchfahrt eines Personenzuges sei der Kinderwagen durch den nachlaufenden Luft-Schleppwirbel spontan in Bewegung gesetzt worden. Nach Einschätzung des Gutachters war die Feststellbremse des Kinderwagens, in dem sich das einjährige Mädchen befunden hatte, funktionstüchtig. Die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen die Mutter und gegen unbekannte Täter.

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