Heftiger Streit um zu viel Rotwild

In Bad Hofgastein (Pongau) spitzt sich der Streit um eine Wildfütterung für 150 Stück Rotwild zu. Die vielen Tiere würden für schwere Waldschäden sorgen, Abschüsse seien nötig, fordern die Behörden. Der private Jagdleiter wehrt sich juristisch.

Die Bezirkshauptmannschaft (BH) verlangt wegen der Waldschäden im Angertal zwischen Stubnerkogel, Silberpfennig und Schlossalm nun vermehrt Abschüsse - auch in der Schonzeit. Vor allem weibliche Tiere müssten erlegt werden, weil der Bestand sonst außer Kontrolle gerate, sagen Experten. Statt derzeit 150 Stück Rotwild sollten nur noch 70 in dem Gebiet sein, schreibt die BH vor.

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Großer Andrang beim Futter, das ins Gebirge zu den Tieren transportiert wird

„Rotwild hat gleiches Lebensrecht wie wir“

Der im Angertal mit der Wildfütterung aktive Revierbesitzer und Jagdleiter Thomas Tscherne wehrt sich gegen die vorgeschriebenen Abschüsse: „Es ist wichtig, dass hier eine Bewusstseinsbildung stattfindet. Es geht um Kreaturen, die das gleiche Lebensrecht haben wie wir Menschen. Und es gibt auch Eigentumsrechte, die regeln, dass ich hier herauffahren darf, mit wem ich will.“

Er würde die Vorgaben der BH nicht grundsätzlich ablehnen, so Tscherne: „Wenn es Sinn macht, und vor allem, wenn es einer objektiven Befundaufnahme entsprechen würde.“

„Zu viel Wild erhöht Naturgefahren“

Im Sommer zeigen sich die Schäden an den Bäumen in diesem Revier laut Fachleuten der Behörde deutlich. 90.000 Jungbäume haben die Bundesforste nach dem Föhnsturm vor 16 Jahren gepflanzt. Durch Wildverbiss würden sich diese Bäume nicht entwickeln, heißt es. Sie hätten jeweils mehrere Wipfel, die Stämme seien geschält.

Ohne stabilen Baumbestand im steilen Bergland bestehe künftig die Gefahr von Hangrutschungen und Lawinen, sagt Hannes Üblagger, Leiter der Bundesforste im Pongau: „Der Wald hat hier Priorität. Es handelt sich um Schutzwald der höchsten Stufe. Und wir müssen diesen Schutzwald um jeden Preis wieder erneuern.“

Schickt BH eigene Jäger in die Region?

Der Streit ist nun voll entbrannt. Jagdleiter Tscherne bezweifelt die Objektivität der Bezirkshauptmannschaft. Dort sprechen die Fachleute schon davon, dass möglicherweise eigene und ortskundige Jäger ins Angertal aufbrechen müssen – um das überschüssige Rotwild zu erlegen. Der Experte für Forstbau- und Jagd, Franz Hoffmann, ist zuständiger Behördenchef der BH in St. Johann: „Diese Möglichkeit wird man ins Auge fassen müssen.“

Der Streit geht nun in die nächste Runde. Das Landesverwaltungsgericht ist die nächste Instanz für eine Entscheidung. Die Zeit dränge, heißt es bei den Behörden. Denn im Angertal nehme die Zahl des Rotwildes mittlerweile um 50 Stück pro Jahr zu.

„Waldverjüngung katastrophal“

Auch Landesforstdirektor Michael Mitter hat sich den Zustand des Bergwaldes und den Wildverbiss im Angertal näher angesehen: „Die Lage bei der Waldverjüngung nach den Windwürfen vor 16 Jahren und der Borkenkäferplage muss man in dieser Gegend leider weiterhin als katastrophal bezeichnen.“

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Streitgespräch

ORF-Redakteurin Gertrud Stabauer hat die umstrittene Wildfütterung im Angertal bei Bad Hofgastein (Pongau) besucht und mit Streitparteien gesprochen.