Auf Saint-Exuperys Spuren nach Westafrika

Zwei Salzburger sind mit einer Cessna auf den Spuren von Antoine de Saint-Exupery in die Sahara geflogen. Viele kennen ihn als Autor des „Kleinen Prinzen“ - nicht jedoch sein Leben als Postpilot und Flugpionier in Afrika, Lateinamerika und Asien.

Cessna auf den Spuren von Exupery in die Sahara

Reinhard Prosser

Cessna 182 mit dem Rufzeichen Delta-Echo-Sierra-Echo-Mike

Cap Juby! Lange bevor die ersten Passagierjets im Fernverkehr die ganze Welt zum Dorf machten, war dieses Kap der Atlantikküste an der Südspitze Marokkos für Piloten und Postflieger in ihren fragilen Propellermaschinen ein unverzichtbarer Versorgungsstützpunkt.

Saint-Exupery ab 1926 unterwegs

Wer es damals mit seiner fliegenden Kiste von Europa bis Cap Juby schaffte, der hatte auch große Chancen, die Stadt Dakar im noch viel ferneren Senegal lebend zu erreichen - die weit in den Atlantik vorgeschobene Westspitze Afrikas. Der französische Schriftsteller und Berufspilot Antoine de Saint-Exupery transportierte hier ab 1926 für die französischen Gesellschaften Aeropostale und Latecoere die Flugpost – anfangs „nur“ von Toulouse bis Casablanca, später bis nach Dakar und über die Kapverdischen Inseln nach Lateinamerika.

Start in Salzburg

Nun folgten ihm die beiden Piloten Reinhard Prosser und Joachim Prantner. Sie starteten auf dem Salzburg Airport. Und so verlief ihr Flug auf dem Südteil der klassischen Postfliegerroute ab Gibraltar:

Routenverlauf Afrika - auf den Spuren Exuperys nach Westafrika

Google Earth. Montage: Gerald Lehner

Etappenziele auf dem Hinflug: Salzburg - Cremona - Beziers - Madrid - Gibraltar - Tanger - Casablanca - Tit Mellil - Essaouira - Tan Tan - Dakhla. Rückreise via Agadir - Jerez - Perpignan - Rodez - Salzburg

Einst Sprungbrett nach Lateinamerika

Bis in die 1940er Jahre war die Atlantikküste der Sahara für die frühen Fernflieger ein passabler und im Vergleich zur Schifffahrt sehr schneller Weg in die Kolonialreiche des tiefen Südens, aber auch das Sprungbrett über das große Meer nach Brasilien und Argentinien. Sie waren rein im intuitiven Sichtflug nach Karten und der (missweisenden) Kompassnadel unterwegs – ohne GPS, Autopilot und andere Annehmlichkeiten. Auch das moderne Fluggerät erleichtert diese noch immer recht strapaziöse und navigatorisch anspruchsvolle Reise. Die Cessna 182 kann sechs Stunden in der Luft bleiben. Reisegeschwindigkeit: 140 Knoten (ca. 260 km/h). Maximale Reichweite: ca. 1.700 km. Reine Flugzeit für mehr als 8.000 Kilometer mit viel Seiten- bzw. Gegenwind: fast 39 Stunden.

Bildgalerie: Reise mit der Cessna 182

Gefährlich für Postflieger

Als Saint-Exupery vor 90 Jahren beim Flugplatz auf Cap Juby seinen Dienst als Streckenposten für andere Postpiloten schob, bewohnte er ein Zimmer im alten Fort der spanischen Kolonialmacht. Die politische Lage war in der Westsahara schon immer labil. Und in Schilderungen des sonst so sensiblen Poeten schwingt ein Grundton europäischer Eroberer mit:

„In der Sahara ist der Begriff einer militärischen Besetzung völlig sinnlos. Eine Gruppe von Kamelreitern hat jederzeit die Möglichkeit, sich an einen bestimmten Ort zu begeben und dann wieder an einen anderen. Die feste Besitzergreifung einer leeren Sandfläche ist völlig belanglos. Ebenso führt die Errichtung eines Forts nur zur Unterwerfung seiner eigenen Grundfläche. Der Einfluss, den das Fort auf Cap Juby ausübt, ist schon nach ein paar Kilometern zu Ende. Es kann im Notfall als Zuflucht und Stützpunkt dienen, kann aber kein Land beherrschen … Man kann Nomaden nicht pazifizieren wie das internationale Verbrechertum. Sie lassen sich nur überwachen und bestrafen. Es hängt von Zeit, Ort und Umständen ab, ob der gleiche Stamm dein Freund oder Feind ist.“

Erfahrene Crew

Der Salzburger Pilot Prosser und sein Kollege Prantner, der früher auch in Salzburg flog und in seinem Brotberuf als Arzt nun die Chirurgie des Krankenhauses Langenau (Baden-Württemberg) leitet, sind vor Kurzem von ihrem Langstreckenflug auf Saint-Exuperys Spuren zurückgekehrt. Sie hatten ihre Mountainbikes mit an Bord, um in den zum Teil sehr strukturschwachen Regionen auch auf dem Boden mobil zu sein. Die Reisenden flogen ihre einmotorige Cessna 182 ebenfalls in relativ geringer Höhe nach Sicht. „Das führte zu unvergesslichen Eindrücken über teils bizarren Küsten, Wüstenformationen und Gebirgen“, so Prosser.

Auftanken überlebenswichtig

Als sich zum Beispiel südlich von Tan Tan eine weite und blickdichte Wolkenbank unter das Flugzeug schob, konnten sie im Gegensatz zu ihren fliegerischen Vorfahren auf die moderne Satellitennavigation zurückgreifen. Insgesamt haben die beiden 4.360 nautische Meilen (Hin- und Rückweg - fast 8.074 Kilometer) auf dieser Reise zurückgelegt. Südlichster und westlichster Punkt war die Wüstenstadt Dakhla an der Atlantikküste des von Marokko annektierten Territoriums Westsahara. Von hier wären es nur noch 400 nautische Meilen bis Senegal.

Zu Saint-Exuperys Zeiten musste noch deutlich öfter aufgetankt werden, ehe es von den Kapverdischen Inseln ohne weitere Zwischenlandung über den Atlantik nach Lateinamerika ging. Zuvor hatte man sich von Südfrankreich, Spanien und Gibraltar kommend zwangsläufig und gut an die afrikanische Küste halten können. Hier wurde die Flugplätze mit Hilfe von Schiffen versorgt - selten, aber doch, was im Inneren des Kontinents unmöglich gewesen wäre.

Europa hinter sich lassen

Die Etappe von Südspanien über die Straße von Gibraltar begeisterte Saint-Exupery immer wieder, so schrieb er im Roman „Südkurier“, der 1928 in der Einsamkeit auf Cap Juby entstand:

„Nun ist der Himmel endlich klar. So ein Kurier ist sehr wertvoll. Jawohl, er bringt das Lebenselixier für dreißigtausend Verliebte. Geduld, ihr Liebenden! Wir fliegen die Post nach Afrika und Amerika. Die schweren Wolken, vom Wirbelsturm in einem einzigen Riesenzuber zusammengepeitscht, liegen nun hinter dem Piloten. Vor ihm ein Land, von der Sonne in Glanz gehüllt … Über Gibraltar wird es schon Nacht sein. Dann löst eine Linkskurve den Piloten völlig von Europa. Es geht gegen Tanger hin. Europa mag hinter ihm zerrinnen wie ein riesiger Eisberg. Noch einige Städte, die aus braunem Lehm wachsen, dann ist nur noch Afrika unter ihm. Und wieder einige Städte. Nun aus schwarzem Lehm. Und dann die Sahara. Der Pilot darf hier zusehen, wie sich die Erde sanft entkleidet. Er ist müde. Vor zwei Monaten war er noch nach Paris gefahren, um seine Genoveva zu gewinnen.“

Bildergalerie zu Saint-Exupery:

Er rettete 14 Piloten aus der Wüste

1927/28 war Saint-Exupery 18 Monate lang Chef des Landeplatzes bei Cap Juby. Er hatte immer wieder große Probleme mit kriegerischen Berbern und bewährte sich bei Rettungseinsätzen für Postflieger und andere Piloten, die in der küstennahen Wüste notlanden mussten. Insgesamt 14 Männer verdankten ihm das Leben. 1930 erhielt Saint-Exupery dafür den höchsten Orden Frankreichs, der an Zivilisten vergeben wird. Die meiste Zeit bei Cap Juby verbrachte er mit endlosem Warten auf das nächste Postflugzeug aus Toulouse oder Dakar.

Stürmisches Tor von Afrika

Auch moderne Piloten haben zwischen Gibraltar und Casablanca – wo der kühle Atlantik auf das wärmere Mittelmeer trifft - mit starken Winden und oft wechselndem Wetter zu kämpfen, was Saint-Exupery einst so beschrieb:

„Europa und Afrika rüsteten sich fast zur gleichen Minute für die Nacht. Hier wie dort waren die letzten Stürme dieses unruhigen Tages im Abflauen begriffen … In Malaga, wo die nächste Landung bevorstand, brauchte man keine Beleuchtung vorzubereiten. Aber der Pilot dachte nicht an eine weitere Zwischenlandung. Er würde gleich gegen Tanger weiterfliegen, allerdings in geringer Höhe. Auch würde er wieder einmal die Meerenge von Gibraltar, kaum zwanzig Meter hoch, überfliegen müssen, ohne die afrikanische Küste zu sehen und nur nach der Kompassnadel. Ein starker Westwind wühlte nun das Meer auf. Im Westen waren die Wellen noch ein ganzes Stockwerk höher. Am jenseitigen Ufer lang Tanger im Dunst, und der Regen wusch nun auch diese Stadt. Afrika!“

„Sand keine Gefahr für Motoren“

Warum wagt man sich heute mit einer zwar robusten und verlässlichen, jedoch nicht sehr schnellen einmotorigen Cessna 182 in diese von Weite und Wildnis geprägte Region? Ruiniert der mit Wüstensand durchsetzte Küstenwind nicht den Motor? Dazu kommt die Hitze, die die Leistung von Flugzeugmotoren stark verringert. Natürlich sei es eine fliegerische Herausforderung, auch Gegenden zu befliegen, die nicht vor der Haustür liegen, sagt Prosser. Und die Schönheit einer Landschaft erschließt sich am besten aus der Vogelperspektive: „Das bestätigen auch jene, die gern von Bergen ins Land schauen.“

„Niemand fliegt im Sturm“

Auch bei Privatpiloten stehe wie bei guten Bergsteigern die Sicherheit an erster Stelle, so Prosser: „Natürlich müssen die Flüge unter Berücksichtigung der Leistungsgrenzen exakt vorbereitet werden. Und niemand würde in einen Sandsturm hineinfliegen. Allerdings werden feine Sandpartikel aus der Sahara manchmal mit den Höhenwinden sogar bis in unsere mitteleuropäischen Breiten transportiert. Eine Gefahr für Motoren besteht dank guter Luftfilter in den Kolbentriebwerken nicht.“

Die Flugplätze entlang der Route sind mittlerweile ziemlich gut ausgebaut und mit langen Betonpisten auch für sehr große Maschinen geeignet. Insgesamt ist das Verkehrsaufkommen gering – außer auf den touristisch bedeutsamen Plätzen wie Agadir, Marrakesch und Casablanca.

Kampf gegen Islamisten: Pisten gut ausgebaut

Es gibt fast überall gute, beleuchtete Zufahrtsstraßen und sorgsam gepflegte Rasenflächen. Die marokkanische Herrscherfamilie habe die Vorteile einer guten fliegerischen Infrastruktur erkannt, sagt Prosser: „Es gibt vielerorts eigene Terminals für die Königsfamilie. Und die Flugplätze haben auch große militärische Bedeutung, um bei Konflikten mit Islamisten möglichst rasch Truppen, Spezialkräfte und Gerät verfrachten zu können.“

Prosser, der im ORF-Landesstudio Salzburg als Toningenieur arbeitet, hat schon vor Jahrzehnten seine Ausbildung zum Privatpiloten abgeschlossen. Zertifikate als Berufspilot, Instrumentenflieger und Fluglehrer sind noch dazugekommen. Insgesamt bringt es der Salzburger auf mehr als 7.500 Flugstunden.

Reinhard Prosser ORF-Toningenieur Fluglehrer

Gerald Lehner

Prosser in einer DA20 Katana auf dem Salzburger Flughafen

Gegner dieser Luftlinie

Zu Saint-Exuperys Zeit auf Cap Juby zeigte die Madrider Kolonialmacht in der Westsahara ganz offen, was sie von den französischen Fliegern und ihrer Linie hielt. In seinen frühen Schriften beleuchtete der Autor auch dieses Szenario:

„Spanien betrachtet uns hier als Konkurrenten. Hauptmann Navarro, damals vorübergehend Kommandant der spanischen Staffel in Cap Juby, hat mir gesagt, sie hätten keinerlei Interesse, uns zu helfen: ‚Je mehr Verdruss ihr hier habt, umso mehr Post werden wir selbst über unsere eigene künftige Luftlinie nach Buenos Aires leiten.‘“

„Der Ästhetik des Fliegens verfallen“

Der französische Luftikus Saint-Exupery interessiert Prosser auch literarisch: „Er war ein guter Erzähler. Und in Fliegerkreisen heißt es immer wieder, dass er kein exzellenter Pilot war. Er hat mehrere Bruchlandungen überlebt, war aber ein leidenschaftlicher, fast besessener Pilot. Es brauchte für diese Route nach Westafrika und weiter nach Lateinamerika viel Mut und Bereitschaft zum Risiko. Dazu kommen seine Fernflüge mit Propellermaschinen in den Nahen Osten und nach Asien. Ich glaube, dass er vor allem der Ästhetik des Fliegens verfallen war.“

Fortschritt ging über Route hinweg

Auf dem weiten Weg von Toulouse bis Dakar waren auch Saint-Exuperys Kollegen unterwegs, die vom Senegal in andere Regionen West-, Zentral-, Ost- und Südafrikas weiterflogen. Die politischen Entwicklungen mit dem Spanischen Bürgerkrieg ab 1936, dem Zweiten Weltkrieg ab 1939 und der technische Fortschritt bzw. die größeren Reichweiten der Maschinen führten bald zum Ende dieser speziellen Route über die Westsahara und Senegal.

Nun wurden Island, Grönland und Neufundland die wichtigsten Sprungbretter nach Amerika bzw. umgekehrt nach Europa - für die großen Pulks von Jagdfliegern, Kampfflugzeugen und für die Bomberflotten der alliierten Befreier, die die Nazis niederkämpften. Auch Saint-Exupery saß im Cockpit einer amerikanischen Lockheed P-38 „Lightning“, als ihn im Juli 1944 bei einem Aufklärungsflug über dem Mittelmeer ein deutscher Jagdpilot abschoss. Laut neueren Forschungen der spätere ZDF-Sportreporter Horst Rippert am Steuer einer Messerschmitt Bf 109 - der Bruder jenes Mannes, der sich als deutscher Sänger später Ivan Rebroff nannnte.

Gerald Lehner, salzburg.ORF.at

Bibliografie
De Saint-Exupery, Antoine:
- Südkurier, frühe Schriften - erstmals erschienen 1928. Fischer Taschenbuch Verlag, Frankfurt am Main 1958.
- Nachtflug - erstmals erschienen 1931. Verlag Karl Rauch, Düsseldorf 2015.
- Wind, Sand und Sterne - erstmals erschienen 1939. Verlag Karl Rauch, Düsseldorf 2010.

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