Der Blues eines verkrachten Lehrers

Die in Köln lebende Salzburgerin Ingrid Kaltenegger hat nun erfolgreich ihren Debütroman herausgebracht. „Das Glück ist ein Vogerl“ ist die Story eines mieselsüchtigen Musiklehrers, der gern Rockstar geworden wäre.

Ingrid Kaltenegger Autorin Schriftstellerin

ingridkaltenegger.com / Bettina Fürst-Fastré

Kaltenegger

Dazu dreht sich der Plot um die in ihrer Lebensmitte für einfache Glücksrezepte anfällige Linn, die Gattin des Musiklehrers. Und da ist noch die auf Autopilot schaltende Tochter Julie, die tief in der Pubertät steckt. Aus dieser nicht sehr originellen Konstellation macht Ingrid Kaltenegger einen originellen Roman. Verantwortlich dafür ist ihre Sprache. Und der Geist Egon.

Ursprünglich Drehbuch für Filmschule

Entstanden ist er zunächst als Abschlussprojekt der 1971 geborenen Salzburgerin an der Internationalen Filmschule Köln. Sie ist auch Autorin von Drehbüchern. „Nach mehreren vielversprechenden Anfängen war das Drehbuch dann auch soweit, unverfilmt von meinem Schreibtisch in meine Altpapiertonne wandern“, berichtet Ingrid Kaltenegger auf ihrer Homepage. Es aus dem Altpapier hervorzukramen und zu einem Roman umzuarbeiten, war definitiv eine gute Idee. „Das Glück is a Vogerl, / goa liab, owa scheu. / Es losd si schwea faungan, / owa fuatgflogn is glei“, heißt es im titelgebenden Wienerlied. Das Vogerl dürfte in diesem Herbst fröhlich um seine Autorin flattern, denn ihr Buch, das sie am Donnerstag (17.8.) bei den O-Tönen im Wiener Museumsquartier vorstellt, wird vermutlich viele Leser finden.

Sprache erinnert an Haas und Nikowitz

Es beginnt fulminant. Selten bekommt man eine tranige, traurige Familienkonstellation so munter, lakonisch und witzig nahegebracht. Man erinnert sich auf den ersten Seiten an die Sprache von Wolf Haas oder Rainer Nikowitz, die Direktheit und Trockenheit mit der Kaltenegger erzählt, erwischt einen. Diesen Parforceritt hält sie nicht durch. Doch sie gibt ihrer Geschichte nach kaum 30 Seiten einen unerwarteten Kick. Der sympathische, tollpatschige Mittvierziger Franz, der sich mit seiner Loser-Rolle noch nicht arrangiert hat und den der mitleidige Leser schon bald als Identifikationsfigur adoptiert, verursacht einen Unfall. Und begegnet seinem toten Unfallgegner als sehr lebendig wirkende Geistererscheinung kurz darauf wieder - ausgerechnet in jenem Lebenshilfeseminar, zu dem Franz von seiner Frau zwangsverpflichtet wurde, um gemeinsam endlich wieder „The Elevator to Happiness“ zu besteigen.

Burn-out bei 10-Stunden-Lehrverpflichtung?

„Das Herz is der Käfig, / und schaust net dazua, / so hosd du auf amoi / ka Glück und ka Ruah.“ So geht der Refrain weiter, und so geht es jetzt auch dem Franz, dem unter der Befürchtung, wahnsinnig zu werden, sein Leben zu zerbröseln scheint. Seine Schüler vernachlässigt er; seine Direktorin kann sich nicht vorstellen, dass man mit einer 10-Stunden-Lehrverpflichtung ein Burn-out haben kann; seine Frau interessiert sich für den schleimigen Lebenshilfe-Guru Scott deutlich mehr als erlaubt und sein Geist will und will nicht verschwinden. Wie Franz den Hugo durch das Auffrischen seiner jahrzehntealten ersten Liebe erlösen möchte und dabei an die tätowierte junge Krankenpflegerin Tessa gerät, deren Band ganz dringend einen guten Gitarristen bräuchte, ist frisch, fröhlich und gradlinig erzählt.

Großer Unterhaltungswert

„Das Glück ist ein Vogerl“ wird vielleicht manche Literaturpreis-Juroren nicht überzeugen, aber umso mehr Leser unterhalten. Es ist ein Roman, der seinen anfänglichen Wow-Effekt zwar verliert, aber einen bis zum Ende immer wieder zum Schmunzeln bringt. Es ist ein Buch für jene, die im Lift zum Glück den richtigen Knopf noch nicht gefunden haben - also eigentlich für fast alle. Und schließlich ist es auch eine Inspirationsquelle für Regisseure auf der Suche nach ihrem nächsten Stoff. Denn den Film würde man eigentlich schon ganz gerne sehen ...

Wolfgang Huber-Lang, Austria Presse Agentur

Bibliografie & Lesung in Wien:
Ingrid Kaltenegger: „Das Glück ist ein Vogerl“, Hoffmann & Campe, 300 S., 20,60 Euro; Lesung bei den O-Tönen im Wiener Museumsquartier: Donnerstag, 17. August, 20.00 Uhr.

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