Nachlass von Karl Böhm nun zugänglich

Der Nachlass des Festspieldirigenten Karl Böhm wurde in Zusammenarbeit mit der Salzburger Uni-Bibliothek gesichtet und geordnet. Ab sofort ist die Sammlung dort allgemein zugänglich. Parallel gibt es eine Debatte um Verstrickungen Böhms im Nationalsozialismus.

Neben Herbert von Karajan war Böhm eine sehr prägende Persönlichkeit bei den Salzburger Festspielen. Sein Nachlass
war lange Zeit im Haus seines Sohnes in Grödig (Flachgau) aufbewahrt, des vor wenigen Jahren verstorbenen Schauspielers Karlheinz Böhm. Dieser gründete auch die Hilfsorganisation „Menschen für Menschen“.

Karlheinz Böhm Karl Böhm

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Sohn und Vater Böhm, jeder für sich eine Berühmtheit

Unirektor: „Mir war er sympathisch“

Vater Böhm galt vielen Zeitgenossen als schwierig. Aber jene, die ihn persönlich kannten, sahen das ganz anders, betont Heinrich Schmidinger, Rektor der Uni Salzburg: „Das habe ich in ganz kleinem Ausmaß auch erlebt, dass er sich über etwas geärgert hat. Das gehört jedenfalls dazu. Mir war er als Mensch sehr sympathisch.“

Bei Familie oft lustige Auftritte

Karl Böhm stammte aus Graz. Und dort sei er in den Familie seiner Brüder ein Onkel gewesen, der richtig gute Laune verbreitet habe, sagt sein Großneffe Christian Böhm: „Eines der ersten Erlebnisse, an die ich mich erinnern kann – er hat uns auf der Couch der Großmutter als Kinder die Einsätze gegeben, wann wir unter seiner Führung als Dirigent zu springen hatten.“

Auch weniger glorreiche Seiten

Gesichtet und geordnet wurde der Nachlass seit Februar, erzählt Agnes Brunnauer von der Universitätsbibliothek: „Die vielen Preise und Ehrungen, die in der Sammlung enthalten sind, zeigen gut seinen internationalen Erfolg.“ Und Karl Böhms Schwiegertochter Almaz Böhm, die aus Äthiopien stammt, hat ihn nie persönlich kennengelernt: „Schade. Mein Mann sagte immer, wie du lachst, da hätte dich mein Vater sicher auch sehr geliebt.“

Mit der Vertragsunterzeichnung am Mittwoch gehört der Nachlass Karl Böhms nun über die Universitätsbibliothek auch der Öffentlichkeit. Viele sind schon gespannt, ob dort auch die weniger glorreichen Facetten dieser Biografie beleuchtet und dokumentiert werden.

Böhms Rolle für Hitlers „Reich“

Der Karl-Böhm-Saal im Salzburger Festspielhaus ist 2015 mit einer Tafel ausgestattet worden, die auf die einst tragende Rolle des Dirigenten in der Zeit des Nationalsozialismus hinweist. Darauf wird auf eine Internetadresse verwiesen, „wo in Deutsch und Englisch die Persönlichkeit Karl Böhms dargestellt wird als das, was er war: Ein großer Künstler, aber politisch fatal Irrender“, sagte Festspielpräsidentin Helga Rabl-Stadler - mehr dazu in NS-Vergangenheit von Karl Böhm: Erklärung im Böhm-Saal (salzburg.ORF.at; 28.12.2015)

Auf der Website der Salzburger Festspiele wird dieser Teil der Lebensgeschichte so geschildert:

"... Politisch war Böhms Lebenslauf durch sein Mitläufertum in der nationalsozialistischen Zeit überschattet. 1933 wurde er Mitglied in dem von Alfred Rosenberg gegründeten Kampfbund für deutsche Kultur ... Auf Fürsprache Adolf Hitlers wurde Böhm 1934 aus seinem Vertrag als Hamburger Generalmusikdirektor entlassen, um Nachfolger von Fritz Busch (1890–1951) an der Semperoper in Dresden werden zu können, den das NS-Regime zum Rücktritt und zur Emigration gezwungen hatte.

Böhms Karriere während der NS- Zeit wurde durch die Übernahme der Wiener Staatsoper gekrönt, wo er 1943 auf Wunsch Adolf Hitlers Direktor wurde. Dort erhielt er auf Intervention von Reichsleiter Baldur von Schirach die `arisierte` Villa Regenstreif in Wien 18, Sternwartestraße 70, deren rechtmäßige Eigentümer nach dem Krieg entschädigt wurden.

1944, in der Endphase des Zweiten Weltkriegs, als viele Künstler zum Kriegsdienst eingezogen oder zum Arbeitseinsatz an der „Heimatfront“ verpflichtet wurden, nahm ihn Hitler in die Liste der `Gottbegnadeten` auf, was einer Freistellung vom Militärdienst gleichkam.

Böhms Aufstieg wurde durch die Vertreibung jüdischer und politisch missliebiger Kollegen begünstigt. Er war ein Profiteur des Dritten Reichs und arrangierte sich mit dem System. Böhm war kein Antisemit, in seinen Publikationen findet sich kein von plumpen Ressentiments und Rassismus durchsetzter Nazijargon. Auch war er nie Mitglied der NSDAP. Anpassung ersetzte bei ihm die Parteimitgliedschaft.

Ende April 1945 entfernten die Alliierten Böhm wegen zu großer Nähe zum Nazi-Regime von seinem Direktorenposten und belegten ihn mit einem Auftrittsverbot, das 1947 wieder aufgehoben wurde ..."

Hannelore Hopfer, Gerald Lehner - ORF Salzburg

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TV-Reportage: Der Nachlass des Künstlers und berühmten Dirigenten ist nun öffentlich zugänglich.

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