Wunderkammern aus Südafrika

„The Refusal of Time“ heißt eine der Multimedia-Installationen von William Kentridge, die nun im Museum der Moderne Salzburg auf dem Mönchsberg zu sehen sind. Die Wunderkammern des Südafrikaners haben weltweit Fans.

Man sollte tatsächlich die Zeit anhalten können, um all’ die Wunderkammern, die hier aufgebaut sind, gebührend auf sich wirken zu lassen, schreibt die Austria Presse Agentur (APA).

"William Kentridge. Thick Time.

Installationen und Inszenierungen" heißt die 5. November laufende Ausstellung, die zweigeteilt ist. Auf dem Mönchsberg ist die erweiterte Kentridge-Werkschau aus der Londoner Whitechapel Gallery zu sehen, im Rupertinum - wo der Künstler ein eigenes Studio erhielt - wurde anlässlich seiner Neuinszenierung von Alban Bergs Oper „Wozzeck“ ein Überblick über seine bisherigen Arbeiten für Theater und Oper zusammengestellt.

William Kentridge  Künstler aus Südafrika

Axel Stalljohann / wikipedia.org / https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/de/legalcode

Kentridge bei der documenta in Kassel, 2012

Für beide Schauplätze hat Kentridge zudem neue, ortsspezifische Installationen geschaffen: Am Mönchsberg wurde auf den Stiegen zur vierten Ausstellungsebene mit schwarzen Klebestreifen eines jener Alban-Berg-Porträts fixiert, die in Kentridges „Lulu“-Inszenierung Verwendung fanden, im Stiegenhaus des Rupertinum nehmen an den Wänden angebrachte schwarze Pappfiguren Motive der Inszenierungen auf. Hier lässt sich auch der Arbeitsprozess für „Wozzeck“ (Premiere am 8. August im Haus für Mozart) studieren.

„Museum ist zum Workshop geworden“

„Sonst zeigt man meist fertige Kunstwerke, hier ist das Museum zum Workshop geworden. Das geht mit William Kentridge besonders gut. Er ist liebenswürdig, freundlich, offen - aber auch höchst fordernd“, freut sich Museumsdirektorin Sabine Breitwieser über die intensive Zusammenarbeit mit dem Künstler, mit dem sie seit den 1990ern immer wieder im Gespräch über mögliche Ausstellungsprojekte gewesen sei. Die Gelegenheit, mit den Salzburger Festspielen zu kooperieren, habe sich schließlich als ideal erwiesen.

Lob des Künstlers für Salzburg

Auch Kentridge streute in einer Pressekonferenz dem Museum Rosen: „Das ist ein wunderbarer Raum. Wenn es nicht funktionieren sollte, dann ist es Schuld des Künstlers, nicht des Museums“, sagte er schmunzelnd. Er darf beruhigt sein: Alleine die sich über 50 Meter erstreckende Prozessions-Projektion „More Sweetly Play the Dance“, ein thematisch hervorragend zum „Jedermann“ passender moderner Totentanz, erschlägt den Besucher förmlich. Von den Betonwänden des Museums hallt es unaufhörlich, überall bewegt sich etwas, flimmert und tönt, und hinter jeder Ecke der eingebauten provisorischen Ausstellungsräume warten neue Überraschungen.

Ausdruck in scheinbarer Einfachheit

Die raumgreifenden Installationen beschäftigen sich mit der Kultur- und Filmgeschichte („7 Fragments for Georges Melies, Day for Night und Journey to the Moon“), mit Bewegung und Aneignung von Wissen („Second-hand Reading“) oder mit Technik und Politik, wenn etwa für „O Sentimental Machine“ Leo Trotzki auftaucht und Megafone, Schreibmaschinen und Filmkameras eine Maschinenwelt repräsentieren, die hart mit sentimentalen Gefühlen kontrastieren. Kentridges Werk ist tief menschlich und hoch politisch. Seine komplexen Aussagen reduziert er auf einen künstlerischen Ausdruck, der in seiner scheinbaren Einfachheit den Kern unseres Wesens trifft.

„Abendessen und Swimmingpool am produktivsten“

Es sei am besten, alles als verschiedene Formen von Zeichnung anzusehen, sagte Kentridge, manche von ihnen seien eben durch Projektion in Bewegung versetzt. Es sei alles eine Frage von Thema und Material. Dies könne eben in seinem Studio in Johannesburg durch die Zusammenarbeit mit Schauspielern oder Filmemachern auch größere Formen annehmen. „Da kommen mitunter 10, 15, 30 Leute zusammen und wir probieren vieles aus. Das ist wichtig als realer wie als metaphorischer Raum. Die produktivsten Meetings finden aber beim Abendessen und im Swimmingpool statt.“ Um auch anderen, weniger bekannten Künstlern einen geschützten Raum zum Ausprobieren ohne Erfolgsdruck zu bieten, hat er das „Center of the less good idea“ gegründet. Auch er habe, als er als junger Künstler in dem von Apartheid geprägten und von der internationalen Kunstwelt gemiedenen Land seine Karriere begann, ohne Druck seine Arbeitsweise entwickeln können.

Salzburg: „Stolpern über die NS-Vergangenheit“

Heute sei Kentridge einer der wichtigsten Künstler unserer Zeit, schreibt die APA. Davon gebe „Thick Time“ beredt Auskunft. Nur schade, dass er nicht Zeit dazu gefunden hat, seine Eindrücke von Salzburg und Umgebung künstlerisch umzusetzen. Es sei eine wunderschöne Landschaft, bei der man ständig über „The Sound of Music“, aber auch über die NS-Vergangenheit stolpere, sagt Kentridge. Diese Facetten künstlerisch vor Augen geführt zu bekommen, ist den Salzburgern erspart geblieben. Hoffentlich nur vorläufig.

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