Der langsame Tod der Telefonzelle

Jahrzehntelang waren Telefonzellen aus dem Bild von Städten und Landgemeinden nicht wegzudenken - jetzt verschwinden sie langsam. Alleine in Salzburg hat sich ihre Zahl seit 2011 um gut ein Siebtel reduziert.

Auf den ersten Blick sieht eine aussterbende Gattung anders aus: Laut Telekom Austria gibt es in ganz Österreich insgesamt noch rund 14.000 öffentliche Sprechstellen, darunter 12.000 „klassische“ Telefonzellen. „Der Rest befindet sich innerhalb von Gebäuden - etwa Krankenhäusern oder in Einkaufszentren“, sagt Telekom-Sprecherin Livia Dandrea-Böhm.

Alte Telefonzelle

ORF

Die klassische Telefonzelle stirbt langsam aus

Im ganzen Land Salzburg gibt es noch 750 Standorte mit öffentlichen Telefonen: „Davon sind 220 in der Stadt Salzburg, die noch in Betrieb sind“, so Dandrea-Böhm. Die Tendenz ist aber sinkend. 2011 waren es noch 890 Telefonzellen landesweit. „Der Bedarf geht laufend zurück - jeder hat ein Mobiltelefon“, sagt dazu die Telekomsprecherin. „Trotzdem kann man sagen, dass nach wie vor in fast jeder Gemeinde Österreichs eine Telefonzelle zu finden ist.“ Sie geht aber davon aus, dass die sich die Zahl Telefonzellen über die Jahre „weiter sukzessive reduzieren“ wird.

Nur mehr für Kurzgespräche genützt

Denn genutzt werden die öffentlichen Telefone nur mehr für kürzere Anrufe: Die Gesamtdauer der Gespräche sank zwischen 2007 und 2012 um 85 Prozent. Öfter telefoniert würde in den Zellen nur noch an „neuralgischen Punkten“ oder „Orten, wo öffentliches Interesse besteht“ - etwa Bahnhöfen oder in Fußgängerzonen, weiß Dandrea-Böhm: „Wir wissen, dass vor allem Touristen das noch gerne nützen - etwa, um im Hotel anzurufen.“ Auch wenn der Handyakku leer ist, werde die Telefonzelle als letzter Ausweg verwendet.

Dass in den Telefonzellen nur mehr das Nötigste telefoniert wird hängt vielleicht auch damit zusammen, dass Telefonwertkarten seit einem Jahr endgültig der Vergangenheit angehören. Bei den aktuell aufgestellten öffentlichen Telefonapparaten wird ausschließlich ganz klassisch mit Münzen bezahlt.

Münztelefon in Telefonzelle in der Stadt Salzburg

ORF/Peter-Paul Hahnl

In den Telefonzellen gibt es seit einem Jahr noch nur Münzgeräte - die Gesprächsdauer ist stark gefallen

Fixer Verteilungsschlüssel für Telefonzellen

Trotz dieser Abwärtstrends „ist es im Moment nicht absehbar, dass es Telefonzellen gar nicht mehr geben wird“, betont Dandrea-Böhm. Denn die Telekom ist vom Gesetzgeber dazu verpflichtet, öffentliche Telefone zu betreiben. Das ist in der Universaldienstverordnung festgelegt.

Seit der letzten Überarbeitung dieser Verordnungen im Vorjahr ist festgelegt, dass jede Gemeinde zumindest eine Telefonzelle haben muss. In Orten zwischen 1.500 und 3.000 Einwohnern müssen zwei Telefonzellen stehen und in allen größeren Gemeinden ist pro 3.000 Einwohner jeweils eine öffentliche Sprechstelle vorgeschrieben. Allerdings: In Orten, wo die Telefonzelle bereits verschwunden ist, muss die Telekom diese nicht nachrüsten. Die Orte sollten sich hier „wenig erwarten“, betonte Martin Huber, Geschäftsführer des Salzburger Gemeindeverbands, in einer Stellungnahme zu der Verordnung.

Konsumenten trauern Zellen kaum nach

Von den meisten Konsumenten vermisst werden die Telefonzellen aber nicht wirklich - das zeigte sich bei einer (nicht repräsentativen) Straßenumfrage des ORF: „Heute braucht man sie eigentlich nicht mehr. Jeder hat ohnehin ein Handy“, waren die häufigsten Antworten. Es „passt schon so, wie es ist“.

Die erste Telefonzelle Österreichs wurde am 17. August 1903 am Wiener Südbahnhof aufgestellt. Ihre Blüte erlebten die Zellen in den 1950er- und 1960er-Jahren, als private Telefonanschlüsse noch selten waren.

„Zweites Leben“ als Bücher-Tauschhäuschen

Dafür gibt es aber auch Ideen, um den alten Telefonhäuschen neues Leben einzuhauchen: Vor gut fünf Jahren baute das Literaturhaus Salzburg als erste Einrichtung in Österreich ein altes Telefonhäuschen zur Bücherbörse um. In der ehemaligen Telefonzelle stehen jetzt auf kleinen Regalen rund 200 Bücher. Jeder kann welche mitnehmen oder hinbringen.

Das funktioniere klaglos, sagt Tomas Friedmann, Leiter des Literaturhauses: „Die Erfahrungen sind sehr gut. Im Jahr werden rund 10.000 Bücher getauscht. Die Leute kommen, stellen hinein und nehmen mit. Das ist es schon. Jedes Mal, wenn ich vorbeigehe, stehen Leute davor - mit Fahrrädern oder Autos, wo dann Schachteln ausgeladen werden. Es ist eine ganz einfache Idee, die niemandem wehtut und für das Gemeinwohl ein Gewinn ist.“

Die Inspiration zu dem Umbau sei 2012 aus der Schweiz gekommen, so Friedmann. Mittlerweile gibt es mit Büchern gefüllte Telefonhäuschen aber an vielen Orten in ganz Österreich. Alleine in und um die Stadt Salzburg stehen heute zehn zu Tauschbörsen umfunktionierte ehemalige Telefonzellen - vier davon in den städtischen Freibädern. Zum Teil sind sie auch künstlerisch gestaltet, um ein bisschen aufzufallen.

Telefonzelle als Solar-E-Bike-Ladestation

Doch auch die Telekom Austria selbst überlegt, was sie mit den Telefonhäuschen noch anstellen könnte. So hat beispielsweise eine Telefonzelle am Ende der Linzergasse in der Stadt Salzburg eine kleine Solaranlage auf dem Dach und eine Ladestation für Elektrofahrräder eingebaut, sagt Telekomsprecherin Livia Dandrea-Böhm: „Das kann man, wenn man seine Einkäufe erledigt, das Fahrrad dranhängen, und hat es dann wieder geladen.“

Weitere Telefonzellen zu E-Bike-Ladestationen umzurüsten, ist zumindest in Salzburg vorerst aber nicht geplant, so die Telekom. Österreichweit sind seit 2010 aber 30 solche Telefonzellen mit Lademöglichkeit aufgestellt worden: „Wir arbeiten daran, das laufend zu erweitern“, heißt es von der Telekom.

Peter-Paul Hahnl, salzburg.ORF.at

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