Missbrauch in Kinderheimen: „Nur“ 45 Opfer entschädigt

In Salzburg sind bisher „nur“ 45 Opfer - von sexuellen Übergriffen in Kinderheimen - entschädigt worden. Es soll nicht so viele Verbrechen gegeben haben wie anderswo in Österreich. Donnerstag entschuldigten sich Nationalrat und Kirche bei den Opfern.

Seit 2010 können sich bundesweit jene Geschädigten melden, die vorwiegend in den 1950er- und 1960er-Jahren in Kinderheimen psychisch und körperlich schwer verletzt wurden. Viele gerieten in kirchlichen Heimen in die „Obhut“ von Gewalttätern, wurden sexuell missbraucht und auch anders misshandelt. Von den Tätern waren viele Priester.

100 Meldungen in Salzburg

Insgesamt haben sich in Salzburg bisher 100 Personen gemeldet. Allerdings fielen etliche Fälle laut Landesregierung in einen anderen Verantwortungsbereich. Sie waren zum Beispiel in anderen Bundesländer untergebracht oder in Heimen der Kirche - so die offizielle Erklärung der Landesregierung.

Geld und Psychotherapie

45 Personen seien bisher finanziell entschädigt worden, einige Fälle würden noch bearbeitet. Etwas mehr als 600.000 Euro seien als Entschädigungen ausbezahlt worden, zudem seien Psychotherapie-Stunden im Gegenwert von 128.000 Euro bewilligt worden. Zwei Fälle von Missbrauch und Gewalt wurden auch angezeigt. Sie waren aber bereits verjährt, wurden also strafrechtlich nicht weiter verfolgt.

Warum „nur“ 100 bzw. 45 in Salzburg?

Warum scheinen in Salzburg die Opferzahlen vergleichsweise gering zu sein? Beim Amt der Landesregierung und im Büro des zuständigen Landesrates Heinrich Schellhorn (Grüne) erklärt man sich das damit, dass es in Salzburg keine großen Kinderheime gegeben habe – sondern nur SOS Kinderdorf, einige kleinere Heime und Pflegefamilien.

Staatsakt in Wien

Vertreter der Republik und der Kirche zollten Donnerstag bei einem Staatsakt für die Missbrauchsopfer von Heimen der öffentlichen Hand und der Kirche den Betroffenen am Donnerstag ihren „Respekt und Anerkennung“. Was ihnen widerfahren sei, "ist eine Schande für unser Land, und ich stehe hier und schäme mich“, sagte Nationalratspräsidentin Doris Bures (SPÖ) im Parlament.

Den Staatsakt bezeichnete sie als „Geste der Verantwortung. Er kann und soll keinen Schlussstrich unter offene Diskussionen und die Aufarbeitung setzen.“ Es gehe darum, dass staatliche und kirchliche Stellen das Leid der Betroffenen anerkennen und ihre Schuld eingestehen. „Leugnen, verdrängen, vergessen“ sei nämlich über viele Jahre die Devise bei den Verantwortlichen gewesen.

Schönborn: „Wir haben vertuscht“

Der Wiener Erzbischof und Kardinal Christoph Schönborn machte schon vor der Veranstaltung deutlich, dass der Staatsakt alles andere als ein Schlussstrich unter die Missbrauchsthematik sein darf. „Wir haben in der Kirche zu lange weggeschaut“, sagte Schönborn dann im Parlament.

„Wir haben vertuscht, wir haben, wenn Missbrauch bekanntgeworden ist, Leute versetzt und nicht abgesetzt. Für diese Schuld der Kirche stehe ich heute vor Ihnen, und sage, ich bitte um Vergebung.“ Nur die Wahrheit mache frei, so der Wiener Erzbischof. „Die Kirche muss ihr Versagen hier genauso einbekennen. Ich verbeuge mich vor Ihnen und dem, was Sie erlitten haben.“

Kritik von Betroffenen: „Heuchelei“

Im Nationalrat anwesende Missbrauchsopfer kritisierten, dass sie bei dem Festakt nicht zu Wort kamen. Manche Texte von Vergewaltigten und Missbrauchten wurden von Schauspielern vorgelesen.

Es gab auch Kritik im Vorfeld der Veranstaltung, insbesondere von Mitgliedern der Plattform Betroffener kirchlicher Gewalt. Von „Heuchelei“ war die Rede. Zudem wurde darauf hingewiesen, dass in vielen Fällen noch immer keine Entschädigungen gezahlt worden und das Thema für etliche Betroffene noch lange nicht abgeschlossen sei. Während des Staatsakts im Parlament kam es dann auch zu weiteren Unmutsbekundungen und Buh-Rufen.