KZ-Verband kritisiert Chef des Reiser-Adventsingens

Der Salzburger KZ-Verband kritisiert den Leiter des Tobi-Reiser-Adventsingens scharf. Dessen Aussagen zur NS-Vergangenheit des Kulturfunktionärs Reiser seien ein schlampiger Umgang mit den Verbrechen des Hitlerregimes und seiner Netzwerke.

Tobi Reiser senior, Gründer des Salzburger Adventsingens

ORF

Tobias Reiser, 1907 - 1974

Der Salzburger KZ-Verband hält die Erinnerung an Mordopfer und überlebende Geschädigte aus der Zeit der nationalsozialistischen Herrschaft wach. Mittlerweile sind im Abstand von 71 Jahren seit Kriegsende nur noch sehr wenige Zeitzeugen am Leben. Siegfried Trenker, Sprecher des KZ-Verbandes, kritisiert nun jüngste Aussagen von Josef Radauer, der das Tobi-Reiser-Adventsingen in Salzburg leitet.

Zuletzt hatte sich die Salzburger Landesregierung offiziell von Reiser und seinen kulturpolitischen wie kulturellen Nachwirkungen in der Volksmusikszene distanziert. Grundlage dafür ist ein neues wissenschaftliches Gutachten des Wiener Historikers Oliver Rathkolb. Darin dokumentiert dieser die politischen Verstrickungen des Salzburgers, seine Aktivitäten und Rollen im Nationalsozialismus. Unter anderem propagierte Reiser schon damals eine „echte und unverfälschte Volksmusik“, die in kulturpolitische Konzepte und in den Rassenwahn von SS und NSDAP passte.

Radauer: „Ausmaße nicht gesehen“

Radauer wurde nach Erscheinen des Gutachtens gefragt, ob das Reiser-Adventsingen nun umbenannt werde? Er verneinte und verteidigte zuletzt im ORF den 1974 verstorbenen Gründer, Musiker und Volksmusikfunktionär Reiser gegenüber den Kritikern so: Tobias Reiser sei in der nationalsozialistischen Zeit „ein junger Mensch gewesen, der von der Idee begeistert war, so wie Millionen andere auch begeistert waren.“ Sie hätten die Ausmaße aber nicht gesehen. Deshalb sei eine Umbenennung des Adventsingens für ihn kein Thema, so Radauer.

KZ-Verband: „Alle haben es gewusst"“

Der Salzburger KZ-Verband reagierte Mittwoch darauf mit Empörung: „Diese Aussagen sind ein Affront für alle Opfer der NS-Mörderbanden. Sie ist von ähnlicher Qualität wie die jahrzehntelange Lüge, man habe von den Verbrechen nichts gewusst. Alle haben es gewusst, warum und wohin plötzlich die Nachbarn verschwunden sind. Die Verantwortung der Mitläufer, Karrieristen, Opportunisten und Speichellecker für die NS-Verbrechen darf nicht kleingeredet werden“, heißt es in einer Aussendung des KZ-Verbandes.

Schwere Kritik auch an SPÖ und ÖVP

Trenker betont, die NS-Diktatur sei keine Naturgewalt gewesen, die von außen hereingebrochen sei: „Sie war eine Zustimmungsdiktatur. Ein Geschichtsbild, das die Unterstützung der NS-Mörderbanden wohlwollend entschuldigt, wie das von Josef Radauer, ermöglicht das Erstarken rechter und rechtsextremer Parteien und Gruppen in Österreich“, so der Sprecher. Solchen Aussagen seien auch ein Ergebnis „des über Jahrzehnte von SPÖ und ÖVP betriebenen schlampigen Umgangs mit der NS-Vergangenheit“, sagt Trenker.

Was bisher geschah

Am Dienstag hatte sich der Salzburger Kulturlandesrat Heinrich Schellhorn (Grüne) - gestützt auf das Gutachten von Oliver Rathkolb - von dem Salzburger Volksmusiker Tobias Reiser distanziert. Den nach ihm benannten Landespreis soll es künftig nicht mehr geben - mehr dazu in: Land distanziert sich von Tobi-Reiser-Preis (salzburg.ORF.at; 17.5.2016.

Gerald Lehner, salzburg.ORF.at

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