Kritik an „steriler“ Architektur in Ortszentren

Der renommierte Architekt Franz Riepl kritisiert die Gestaltungen von Ortszentren. Manche seien „tot“ bzw. „sterilisiert“, zum Beispiel das von Thalgau (Flachgau), sagt der Spezialist für Bauen auf dem Land. Der Thalgauer Bürgermeister hat für solche Kritik kein Verständnis.

Im Ortszentrum von Thalgau werde – wie in vielen anderen Gemeinden der Alpenregionen - ohne Rücksicht auf die ursprüngliche bzw. historische Bausubstanz gebaut, kritisiert Franz Riepl. So entstehe ein Fleckerlteppich.

„Stile von irgendwoher herangetragen“

„Was hat ein Flachdach in dieser Umgebung zu suchen“, fragt sich der Architekturprofessor. Und warum orientiere man sich bei der Ortskerngestaltung nicht an den alten Häusern, die für Thalgau typisch waren?

Kritik an Bauen in "toten" Ortszentren

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Der Spezialist für Baukultur auf dem Land sagt, niemand schaue sich die Häuser rundherum an: „Da hat sich formal und praktisch vieles bewährt. Aber das interessiert offenbar niemanden. Das ist das Traurige. Es wird von irgendwoher etwas hergetragen, und das passt dann nicht. Viele Oberflächen sind tot und sterilisiert.“

Bürgermeister sieht Kritik als realitätsfern

Wenn etwas renoviert wird, dann werde es meistens „zer-renoviert“, ergänzt der Kritiker. Was sagt dazu der für die Genehmigungen zuständige Gemeindepolitiker? Bauherren und Eigentümer könnten selber entscheiden, wie sie ihre Häuser renovieren wollen, betont der Thalgauer Bürgermeister Martin Greisberger: „Unser Zentrum besteht hauptsächlich aus Gebäuden der 1970er-Jahre. Man weiß, dass damals nicht sehr schön gebaut wurde. Und selbst, wenn man etwas saniert, gewinnt man damit keinen Schönheitswettbewerb.“

„Überzüchtete Busstation als Tempel“

Dem Architektur-Fachmann Riepl ist auch die Form der neuen Busstation in Thalgau ein Dorn im Auge: „Die ist überzüchtet. Das ist ein ganz harmloses Thema für den Sinn und Zweck. Da braucht man nicht einen solchen Tempel zu machen. Das ist ja keine Kapelle sondern ein gewöhnlicher Platz zum Ein- und Aussteigen.“

Kritik an Bauen in "toten" Ortszentren

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Neue Thalgauer Bushaltestelle

Der Bürgermeister hat für diese Sicht kein Verständnis: „Die Architekten sollten sich intern und in ihren Instituten darüber unterhalten, wie sie in Zukunft mit diesen Themen umgehen wollen. Wie und was sie lehren wollen. Als Bürgermeister bin ich sehr liberal bei den Häuslbauern. Ich schaue nur noch auf die gesetzlichen Grundlagen. Ob etwas schön ist oder nicht, das ist immer eine subjektive Angelegenheit.“

Lob für modernes Thalgauer Seniorenheim:

Seniorenheim Pflegeheim Thalgau

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Seniorenheim Thalgau

Ein positives Beispiel für einen Neubau in Thalgau ist für den Architekten Franz Riepl das neue und sehr moderne Seniorenwohnheim und Pflegeheim der Marktgemeinde mit angeschlossenem Kindergarten. Hier waren die international preisgekrönten Architekten Klaus Kada und Gerhard Wittfeld am Werk - mit dem angeschlossenen Kindergarten. Riepl ist begeistert von der Arbeit der Kollegen: „Die ganze Gliederung, die Maßstäblichkeit zueinander, das stimmt hier alles. Das ist in sich schlüssig.“

Bibliografie seines neuen Buches

Wie Ortskerngestaltung und Bauen auf dem Land funktionieren können, beschreibt der Architekt und Architekturkritiker in einem neuen Buch:

Riepl, Franz: Über Architektur. Herausgegeben von Albert Kirchengast und Hans Kolb. Österreichische Baukulturstiftung, Baukulturaria II. 128 Seiten, zahlreiche Farb- und Schwarzweißfotos. ISBN 978-3-99014-119-9. Müry Salzmann Verlag, Salzburg 2016.

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Debatte über Ortskerngestaltung

ORF-Redakteurin Renate Lachinger hat sich mit dem Architekten und dem Bürgermeister auf den Weg durch Thalgau gemacht.

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