Finanzskandal: Teilbedingte Haft für Rathgeber

Drei Jahre Haft, davon eines unbedingt: Das ist das Urteil des Salzburger Landesgerichtes von Donnerstagabend gegen Monika Rathgeber. Die Ex-Referatsleiterin der Landesregierung ist eine Hauptbeschuldigte im Finanzskandal, der politische Machtverhältnisse komplett veränderte.

Monika Rathgeber

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Rathgeber

Die 44-Jährige wurde wegen schweren Betrugs und Urkundenfälschung zu dieser teilbedingten Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Zwei Jahre davon wurden bedingt ausgesprochen. Weder der Verteidiger noch der Staatsanwalt gaben am Donnerstagabend eine Erklärung ab. Das Urteil ist also nicht rechtskräftig.

Fußfessel nicht ausgeschlossen

Eine gänzlich bedingte Strafe sei allein aus generalpräventiven Gründen nicht möglich gewesen, erklärte der vorsitzende Richter Günther Nocker. Man werde aber einem Antrag auf Strafaufschub positiv gegenüberstehen. Und man werde auch die Verwendung einer Fußfessel nicht ausschließen, so der Richter.

Nur kleiner Teil des Mega-Finanzskandals

Der Prozess wurde am Donnerstag intensiv von Journalisten und Publikum beobachtet, auch wenn er nur ein kleiner Auftakt der gerichtlichen Aufarbeitung ist. Der größere Teil des Salzburger Finanzskandals, die mutmaßlichen Milliardenspekulationen, wird noch untersucht. Der Fall ist so komplex, dass sich nicht alle einig sind, wie hoch die Schadenssumme insgesamt ist. Die Rede ist von bis zu 500 Mio. Euro, was die früher unter LH Gabriele Burgstaller an führerender Position regierende Salzburger SPÖ zurückweist. Mittlerweile sitzt sie in der Opposition im Landtag.

Paukenschlag nach Widersprüchen

Bis zum späten Donnerstagnachmittag hatte es beim Prozess gegen Rathgeber noch so ausgesehen, als würde alles nach Plan der Justiz laufen - dass nämlich der Prozess noch für mehrere Verhandlungstage angesetzt sei.

Rathgeber habe sich dann aber immer mehr widersprochen, sagen Prozessbeobachter. Sie sei bei den Befragungen durch die Staatsanwaltschaft und durch den Richter unter Druck geraten. Dann hätten sie oder ihr Anwalt die Notbremse gezogen, ein fast komplettes Geständnis sei die Folge gewesen. Viele Zuhörer zeigten sich darüber sehr überrascht.

Der Prozess begann Donnerstag um 9.00 Uhr. Der Staatsanwalt wirft der Beschuldigten vor, sie habe als Landesbeamtin der Salzburger Finanzabteilung den Bund um zwölf Millionen Euro geprellt. Rathgeber habe die Schäden bei Naturkatastrophen aufgebläht oder erfunden. Aus 1.600 soll sie 67.000 Euro gemacht haben. Aus 26.000 wurden 86.000. Den größten Unterschied gab es bei der Pass-Gschütt-Straße. Da fielen für Aufräumarbeiten 248 Euro an. Rathgeber soll daraus 277.000 Euro gemacht haben.

Erich Rohrmoser Bürgermeister von Saalfelden

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Bürgermeister Erich Rohrmoser (SPÖ)

Große Verwunderung in Saalfelden

Der Überschuss soll in der Pinzgauer Stadt Saalfelden in das Projekt für Hochwasserschutz am Bergfluss Urslau geflossen sein. Dieses Projekt wäre „gestorben“, hätte sie nicht das Geld dafür aufgetrieben, sagte Rathgeber am Donnerstag beim Prozess. Die Gemeinde Saalfelden sei überrascht gewesen, so reagierte Donnerstag der Saalfeldener Bürgermeister Erich Rohrmoser (SPÖ) auf diese Nachrichten: „Wir sind von diesen sogenannten Machenschaften überhaupt nicht betroffen. Wir haben für die Verbauung des Flusses zusätzliches Geld des Landes Salzburg bekommen. Woher das Geld ist, das wussten wir natürlich auch nicht und haben es im besten und guten Glauben erhalten.“

Rathgeber belastet Ex-Finanzreferent Raus

Das Geld für die Urslau habe sie nur auf Druck der Landespolitik gesammelt, sagte Rathgeber und belastete den früheren LHstv. und Finanzreferenten Othmar Raus (SPÖ). Rathgebers Anwalt Kurt Jelinek sagte am Donnerstag dem ORF, es sei „eine Bitte oder ein Ersuchen oder eine Weisung“ an Rathgeber gegangen – wie immer man das nennen wolle: „Wenn man recherchiert, dann lässt es sich nachvollziehen, dass es zwischen Land und Bund Differenzen in dieser Angelegenheit gegeben hat.“ Konkrete Beweise dafür gibt es allerdings nicht.

Othmar Raus

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Othmar Raus, ehemaliger Finanzchef des Landes (SPÖ)

Raus sagte in einer Stellungnahme, das sei alles eine reine Schutzbehauptung von Rathgeber. Er habe sich nie mit dem Projekt im Detail befasst, außerdem seien wesentliche Teile gar nicht in sein Ressort gefallen.

Gefälschte Unterschriften in Serie

In der zweiten Strafsache war die Angeklagte am Donnerstag teilweise geständig. Es ging um gefälschte Unterschriften. 26-mal soll sie die Signatur ihres Bürokollegen in Dokumente kopiert haben. In 20 Fällen war Rathgeber am Donnerstag geständig: Dabei habe sie aber nur Geld von A nach B verschoben. Über den Rest habe ein Kollege immer Bescheid gewusst. Anwalt Jelinek: „Sie ist von einer mutmaßlichen Zustimmung des Kollegen ausgegangen, weil diese Geschäfte immer gelaufen sind.“

Christian Stöckl

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Der amtierende Finanzreferent des Landes, Christian Stöckl (ÖVP)

Stöckl: „500 Mio. Gesamtschaden“

Die schwarz-grüne Landesregierung spricht beim Thema Finanzskandal von bis zu 500 Millionen Euro Gesamtschaden. Die mittlerweile in der Opposition sitzende SPÖ bezweifelt das. Der schwarze LHstv. und aktuelle Finanzreferent Christian Stöckl (ÖPV) sagt dazu, der Kassasturz von 2013 habe bei den Spekulationsgeschäften dem Land ein Minus von 350 Millionen Euro gebracht: „Dazu sind in den letzten Jahren noch die Nachzahlungen bei der Finanz und die Nachzahlungen beim Katastrophenfonds dazugekommen. Es kam dann noch die Konvertierung eines Kredits von Schweizer Franken dazu.“

Walter Steidl

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SPÖ-Landesparteichef Walter Steidl

SPÖ weist Summe zurück

Der sozialdemokratische Salzburger Landesparteichef und Klubobmann im Landtag, Walter Steidl, hat eine völlig andere Sicht der Dinge. Er betont, niemand könne mit Sicherheit sagen, wie hoch der Schaden sei. Was ÖVP-Mann Stöckl sage, das sei eine „politische Zahl, die von der ÖVP bewusst in die Höhe getrieben wird“. In der Realität sehe es anders aus, so Steidl: „Wenn man sich eine Kapitalflussrechnung anschaut, dann ist das Finanzvermögen des Landes größer als die Schulden.“

Experten aus der Finanzwirtschaft sehen die Lage allerdings eher wie Stöckl - zum Beispiel Willi Hemetsberger. Er war „Aufräumer“ nach dem Skandal und hat das „Schattenportfolio“ im Wert von 1,8 Milliarden Euro mit kleinem Gewinn verkauft. Allerdings: Hemetsberger sagte, es sei „ziemlich wahrscheinlich“, dass schon davor Verluste angefallen seien.

Tobias Pötzelsberger, Gerald Lehner - ORF Salzburg

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