Prozess: Rathgeber räumt Fehler ein

Monika Rathgeber, die Hauptbeschuldigte im Salzburger Finanzskandal, hat beim Strafprozess am Donnerstag Fehler eingeräumt und sich teilweise schuldig bekannt. Dabei brach sie mehrmals in Tränen aus.

Monika Rathgeber hat für ihre Einvernahme ein schriftliches Konzept vorbereitet. Sie habe als Referatsleiterin ein riesiges Aufgabenspektrum gehabt, habe viel gearbeitet. Für die Beantragung der Förderungen aus dem Katastrophenfonds gab es nur eineinhalb Tage Zeit zwischen Weihnachten und Neujahr. „Da sind mir in der Zeitnot Fehler passiert“, so Rathgeber.

Indirekte Kritik an Politikern

Sie wollte im Budget Vorsorge für Katastrophen treffen, aber den politisch Verantwortlichen seien Gelder für andere Bereiche wichtiger gewesen, schildert die Angeklagte ihr Grundproblem. Aber bei einer Katastrophe müsse man ja die Beseitigung der Schäden bezahlen können, argumentiert Rathgeber. Ihr Abteilungsleiter habe immer gesagt: „Monika, das Budget ist dein Problem.“

Die Umformulierung von Schadensfällen gab sie zu: Allerdings habe sie dabei den Gemeinden helfen wollen, die mit den Förderansuchen zum Teil überfordert gewesen waren. Sie wollte, dass die Betroffenen das Geld sicher bekommen. Bei jenen Fällen, wo die Schadensbeträge verändert wurden, verantwortete sich Rathgeber mit „Vollkostenrechnungen“. Sie habe erfahren, dass auch andere Bundesländer Personalkosten einrechnen.

Monika Rathgeber beim Prozess im Salzburger Landesgericht

APA/Barbara Gindl

Der Prozessauftakt am Donnerstag wurde von zahlreichen Zuschauern und Medienvertretern verfolgt

„Fehler durch Zeitnot“

„Ich habe befürchtet, dass ich sonst dem Land untreu werde, wenn ich nicht die Kosten melde, die auch die anderen Bundesländer melden“, sagt Rathgeber. Ihr Fehler sei es gewesen, dass sie diese Berechnungen in der Zeitnot nicht systematisch, sondern willkürlich gemacht habe.

Nicht schuldig bekennt sich Rathgeber zum Vorwurf, sie habe den Katastrophenfonds um die Mittel für den Hochwasserschutz an der Urslau im Pinzgau geschädigt. Nach Jahren der Diskussion über die Finanzierung des Projektes durch Bund und Land sei der Druck auf sie, die Ausfinanzierung sicherzustellen, immer größer geworden. Sie habe vom Ressort den Auftrag bekommen, die Ausfinanzierung des Projektes von rund sechs Mio. Euro zu sichern. Deshalb habe sie dem Ministerium zusätzliche Schäden gemeldet, das Geld sei von ihr auf einem Rücklagenkonto reserviert worden.

Sie sei der Meinung gewesen, dass Salzburg die Mittel für die Finanzierung des Hochwasserschutzes zustehen. „Aber die Art und Weise, wie ich es gemacht habe, war falsch, weil ich dem Ministerium zusätzliche Schäden bekanntgegeben habe“, sagt Rathgeber. Sie habe dies aber nach einer Dienstbesprechung so aufgefasst. „Ich habe das leider so verstanden, dass ich das machen muss.“

Tränen wegen gefälschter Unterschriften

Als es um die Schilderungen rund um die gefälschten Unterschriften ging, brach Rathgeber in Tränen aus. Sie bekannte sich in 22 der 96 vorgeworfenen Fälle schuldig. Dabei sei es um keine Geschäfte, sondern um Transfers von Geldern von einem zu einem anderen Konto gegangen. Diese Transaktionen seien sofort nötig gewesen, um Liquidität sicherzustellen. „Da konnte ich nicht warten, so habe ich es zumindest gesehen“, sagte Rathgeber unter Tränen. „Ich habe geglaubt, das geht nicht, dass man einen Guthabenstand auf einem Konto belassen kann, wenn ein anderes Konto im Minus ist“, begründet Rathgeber ihr Vorgehen.

Bei den anderen Fällen habe sie die Unterschrift ihres Kollegen nur kopiert, wenn er nicht im Amt gewesen sei. Sie sei davon ausgegangen, dass er damit einverstanden sei, weil er immer über alle Geschäfte voll informiert war. „Haben Sie ihn gefragt, ob ihm das recht ist“, wollte der Richter von der Angeklagten wissen. „Nein“, gab Rathgeber zu. „Warum“, fragte Nocker daraufhin: „An das habe ich nicht gedacht.“

Rathgeber wirkte zu Beginn ihrer Einvernahme durch den Richter noch gefasst. Doch ihre innere Anspannung war an ihrer leicht zittrigen Stimme erkennbar: „Es tut mir wahnsinnig leid, ich bedauere, was passiert ist. Ich habe viele Fehler gemacht“, sagte die Angeklagte, die sich „teilweise“ schuldig bekannte. „Zur damaligen Zeit war mir die Tragweite meines Verhaltens nicht bewusst“, sagte Rathgeber.

„Katastrophenfonds-Mittel gesetzwidrig verwendet“

Zuvor hatte Oberstaatsanwalt Gregor Adamovic von der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) mit einer Präsentation die Anklage im Detail erörtert. Um gesetzwidrig Mittel aus dem Katastrophenfonds des Bundes für das Land, für Gemeinden oder andere Förderungswerber zu lukrieren, habe Rathgeber Schadensfälle in großem Ausmaß verändert, erhöht oder auch gänzlich frei erfunden, so der Ankläger.

Adamovic zählte einige Beispiele auf: Einen gemeldeten Schadensbetrag in Höhe von 1.600 Euro habe Rathgeber abgeändert und dann 67.000 Euro an den Bund weitergeleitet, aus 26.000 Euro seien 86.000 Euro geworden: „Es ist geradezu die Regel gewesen, dass massiv willkürlich Beträge dazugeschlagen wurden.“

Beispiele für mutmaßlichen Betrug genannt

Adamovic nannte noch andere Beispiele: Für das Entfernen von Bäumen an der Pass-Gschütt-Straße wurden Kosten von 248 Euro aufgelistet, doch Rathgeber habe von dem für den Katastrophenfonds zuständigem Finanzministerium 277.248 Euro gefordert.

Die Gemeinde Russbach (Tennengau) machte 155.441 Euro für die außerordentliche Schneeräumung geltend. Doch weil der geforderte Schadensfall nicht förderungsfähig war, habe die Angeklagte „Schäden an Gemeindestraße und Brücken“ angegeben, um Gelder vom Bund zu erhalten. „Von Schneeräumung war da nicht mehr die Rede“, sagte Adamovic und räumte ein, dass hier die Gemeinde offenbar den „Schwarzen Peter“ der Finanzabteilung des Landes zuschieben wollte, um doch noch Mittel aus dem Katastrophenfonds zu erhalten.

Millionen für andere Projekte verwendet

Zuschüsse an die Länder gab es laut Katastrophenfondsgesetz für die Behebung von tatsächlich eingetretenen Schäden, zum Beispiel an Straßen, aber nicht für Standardverbesserungen oder vorbeugenden Katastrophenschutz. Die Angaben von Rathgeber, sie habe den Gemeinden helfen wollen, wertete die Staatsanwaltschaft als Schutzbehauptung. Sie habe gewusst, dass beispielsweise die Sicherung von Landstraßen gegen Felsstürze nicht förderungsfähig seien.

Im Auszahlungszeitraum 2008 bis 2011 habe Rathgeber insgesamt 11,9 Millionen Euro betrügerisch herausgelockt und 7,2 Millionen Euro rechtmäßig aus dem Katastrophenfonds bezogen, fasste Adamovic zusammen. Die widerrechtlich lukrierten Beträge habe sie zur Mittelfinanzierung verwendet, zur Förderung von grundsätzlich nicht förderungsfähigen Projekten. So seien 1,7 Millionen Euro für das Hochwasserschutz-Projekt Urslau im Pinzgau geflossen. Betrügerisch bezogene Gelder habe die Angeklagte auf ein von ihr verwaltetes Rücklagenkonto gegeben.

Vorwurf: Unterschriften in Bestätigungen kopiert

Der zweite Vorwurf an die bisher unbescholtene Angeklagte betraf das Delikt der Urkundenfälschung. Rathgeber soll 96 Geschäftsbestätigungen für Finanzinstrumente - es handelte sich um Zins- und Währungsswaps - gefälscht haben. Für die Rückbestätigungen an Bankinstitute soll sie die nach dem Vier-Augen-Prinzip erforderliche zweite Unterschrift eines Mitarbeiters der Finanzabteilung hineinkopiert haben. „Dadurch stellte sie eine falsche Urkunde her“, sagte Adamovic. Auf den sichergestellten Urkunden sei auch in leichter Schattenstrich erkennbar, das spreche auch für das Kopieren der Unterschrift. Zudem habe der Mitarbeiter glaubhaft erklärt, dass die Unterschriften nicht von ihm stammten.

Wollte Rathgeber Geschäfte verschleiern?

„Rathgeber ist Juristin. Sie wusste, dass sie eine falsche Urkunde zum Beweis eines rechtswirksames Vertrages gebrauchte“, betonte der Staatsanwalt. Wie auch beim betrügerischen Lukrieren von Geldern aus dem Katastrophenfonds sei auch bei der Urkundenfälschung über die Jahre hinweg eine ständig steigende Tendenz feststellbar, erklärte Adamovic.

Ein Motiv ihrer Handlungen könne darin liegen, dass die Finanzgeschäftslage in den Jahren 2011 und 2012 aufgrund von Verboten immer schwieriger geworden seien und sie Währungsgeschäfte vor ihren Mitarbeitern wahrscheinlich verheimlichen wollte, meinte der Staatsanwalt.

Staatsanwalt spricht von „atypischem“ Betrugsfall

Adamovic merkte noch an, dass es sich im Fall des Katastrophenfonds um einen „atypischen“ Betrugsfall handle. Rathgeber, der im Falle eines Schuldspruches wegen schweren Betruges eine Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren droht, habe sich nicht selbst bereichert, und auch keine Angehörige, betonte Adamovic. Das Geld sei an Dritte, an Gebietskörperschaften geflossen.

„Persönlichkeitsstruktur der Angeklagten“

Diese Verhalten sei wohl auf die Persönlichkeitsstruktur der Angeklagten zurückzuführen. Weiters erklärte der Staatsanwalt noch, dass es in diesem Verfahren nur um zwei Teilaspekte in der Salzburger Finanzcausa geht. Nach Auftauchen von Millionenverlusten im Dezember 2012 sei der Ruf nach rascher Aufklärung laut geworden. Doch der Tatzeitraum umfasse fast zehn Jahre und die Materie sei sehr komplex, begründete Adamovic, warum die Ermittlungen des „Gesamtbereiches“ noch nicht abgeschlossen sind.

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Prozess gegen Rathgeber hat begonnen

Am Landesgericht findet am Donnerstag der Prozess gegen Monika Rathgeber statt, Hauptbeschuldigte im Salzburger Finanzskandal.

Angeklagte brach mehrmals in Tränen aus

Rathgeber brach im Lauf des Verfahrens mehrere Male in Tränen aus. Ihr neuer Verteidiger Kurt Jelinek betonte noch einmal, seine Mandantin habe sich persönlich um keinen Cent bereichert.

Vielmehr seiRathgeber eine „liebenswürdige Person“, die ihre gesamte Kraft in die Arbeit für das Land gelegt habe. Sie habe 80 Stunden pro Woche gearbeitet und dadurch nicht einmal Freundschaften pflegen können. Er hoffe daher, dass die Angeklagte mit einer bedingten oder teilbedingten Strafe davonkomme, ergänzte Verteidiger Jelinek.

Skandal flog im Dezember 2012 auf

Der Finanzskandal war am 6. Dezember 2012 geplatzt. In einer Pressekonferenz hatte der damalige Landeshauptmann-Stellvertreter und Finanzreferent David Brenner (SPÖ) von „eigenmächtigen, riskanten Finanzgeschäften einer Referatsleiterin der Finanzabteilung“ berichtet. Der kolportierte Schaden: bis zu 340 Millionen Euro. Das darauffolgende politische Erdbeben führte zur Neuwahl des Landtages, Abwahl der von Gabi Burgstaller (SPÖ) geführten Regierung und zu einem für die Steuerzahler sehr kostspieligen Abbau der Spekulationsgeschäfte des Landes.

Keinerlei Strafverfolgung von Politikern

Viele der politischen Protagonisten von damals sind nicht mehr im Amt. So trat etwa Landeshauptfrau Gabi Burgstaller nach massiven Verlusten der SPÖ nach der vorgezogenen Landtagswahl im Mai 2013 zurück. Sie folgte damit ihrem roten Finanzreferenten und Stellvertreter David Brenner. Auch die ÖVP verlor Wählerstimmen, erklomm aber mit Wilfried Haslauer den Landeshauptmann-Sessel. Salzburg wird nun von einer Dreierkoalition aus ÖVP, Grünen und dem parteifreien Landesrat Hans Mayr (ehemals Team Stronach) regiert.

Verteidiger: „Aus Loyalität zum Land gehandelt“

Rathgebers Verteidiger Jelinek bezeichnet das Verhalten von Rathgeber als „außergewöhnlich“. „Sie hat die Taten gesetzt, um zu helfen und nicht, um sich zu bereichern. Sie hat aus übertriebener Loyalität zum Land Salzburg gehandelt“, betont der Salzburger Rechtsanwalt.

Und viele, die von Rathgebers Handlungen profitiert hätten, beispielsweise die Gemeinden, hätten das zum Teil auch gar nicht gewusst, so Jelinek. Seine Mandantin habe viele Ungerechtigkeiten bezüglich des amtlichen Katastrophenfonds gesehen.

„Gemeinden von Rathgeber profitiert“

Im Fall des Projektes „Urslau“ sei Rathgeber zum Landeshauptmann zitiert worden und habe eine Weisung bekommen - hier im Gerichtssaal hätte noch der eine oder andere Bestimmungstäter Platz gehabt, meinte der Verteidiger kryptisch und forderte in diesem Anklagepunkt einen Freispruch für Rathgeber.

Im Fall des Flusses Urslau bei Saalfelden im Mitterpinzgau habe der Bund die Kosten für Hochwasserschutzbauten nur auf das Land abschieben wollen, sagte der Verteidiger. Als Rathgeber die Gelder schließlich erhalten habe, „streiten die Politiker plötzlich nicht mehr, da war der Spuk vorbei“. Rathgeber sei zudem der Meinung gewesen, dass die finanziellen Ansprüche zu Recht bestanden haben.

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