Debatte um Mindestlohn: 1.700 Euro?

Mit ihrer Forderung nach einem Mindestlohn von 1.700 Euro brutto entfacht die Gewerkschaft eine alte Debatte neu. Gegner dieses Modells kommen oft aus der Wirtschaft. Und das Arbeitsmarktservice befürchtet, dass weniger Leute eingestellt würden.

Geldscheine in der Geldbörse

ORF.at/Christian Öser

Laut GPA wären die 1.700 Euro brutto knapp 1.300 netto monatlich für einen Vollzeitjob. Kritiker bezweifeln, dass ein solcher Mindestlohn gerecht wäre.

Streng genommen gibt es in Österreich schon einen Mindestlohn - und zwar in den Kollektivverträgen. Diese sind aber von Branche zu Branche unterschiedlich. Die Höhe der Löhne und Gehälter richtet sich außerdem nach Ausbildung, Alter, Berufserfahrung und ähnlichen Kriterien.

ÖGB: „Fünf Jahre bis zur Einführung“

Die nun geforderten 1.700 Euro würden einige der schon bestehenden Kollektivverträge um mehrere hundert Euro übersteigen. Der ÖGB wolle die neue Lösung für alle Branchen nicht von heute auf morgen, betont Gerald Forcher von der Gewerkschaft der Privatangestellten (GPA): „Wir haben das Ziel, das innerhalb der nächsten fünf Jahre umzusetzen. Es muss schrittweise funktionieren. Ich denke, das ist möglich.“

AMS: „Weniger Anstellungen möglich“

Profitieren würden laut Fachleuten rund 17 Prozent aller Arbeitnehmer. Diese Geringverdiener gelten als eher unerfahren oder schlecht ausgebildet. Weniger als den nun geforderten Mindestlohn verdienen bisher:

  • 46 Prozent der Beschäftigten, die jünger sind als 25.
  • 46 Prozent jener, die nur einen Pflichtschulabschluss haben.
  • 38 Prozent der Alleinerzieherinnen.
  • 22 Prozent der Migranten.

Beim Arbeitsmarktservice Salzburg (AMS) befürchtet man gerade für diese Gruppen einen negativen Effekt. Die Arbeitslosigkeit könnte zumindest teilweise steigen, sagt Siegfried Steinlechner: „Es ist klar, dass die Hürde größer wird, geringer Qualifizierte einzustellen.“

Arbeitgeber sehr skeptisch

Skepsis gegen den Vorschlag der Gewerkschaft gibt es vor allem bei kleinen und mittleren Gewerbebetrieben. Viele Selbständige fürchten, dass sie sich ihre Mitarbeiter künftig nicht mehr leisten können, betont der Schlosser Eckehard Lang: „Ich muss natürlich meine Stunden auch verkaufen können. Und ich brauche auch die Kundschaft, die das bezahlt. Ich würde gerne meinen Mitarbeitern mehr bezahlen, allerdings müssen dann auch die Kunden diesen erhöhten Stundensatz bezahlen. Aber es kommt auch auf Können und Ausbildung an. Ich kann nicht jedem 1.700 Euro bezahlen.“

Laut Experten gehe es den Gegnern weniger um den Mindestlohn selbst. Die Höhe von 1.700 Euro brutto und das Tempo, mit der sie erreicht werden soll, das seien die eigentlichen Diskussionsthemen und Problemzonen.

Wissenschaft: „Sehr viele Kollektivverträge“

Der Arbeitsrechtler und Universitätsprofessor Rudolf Mosler sagt dazu, dass in Österreich tatsächlich 95 Prozent aller Arbeitnehmer von Kollektivverträgen erfasst seien: „Das ist international ein Spitzenwert. Deshalb ist die Frage berechtigt, ob das noch einen Sinn hat, einen Mindestlohn einzuführen. Andererseits bleiben einige tausend Arbeitnehmer übrig, die derzeit keinen Mindestlohn haben.“

Wegen der starken Verbreitung von Kollektivverträgen in Österreich könne man hier schon von einer Art Mindestlohn sprechen, der bereits vorhanden sei, sagt Mosler: „Allerdings sind diese Mindestlöhne in den verschiedenen Branchen zum Teil sehr unterschiedlich hoch. In den meisten Fällen sind das 1.500, 1.600 oder 1.700 Euro.“

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1.700 Euro gerecht für alle?

ORF-Redakteur Andreas Landrock hat verschiedene Meinungen zu diesem vom ÖGB geforderten Mindestlohn eingeholt.