Trend: Teilzeitjob, um mehr vom Leben zu haben

Immer mehr Frauen und Männer entscheiden sich bewusst für einen Teilzeitjob, um mehr vom Leben zu haben. Dafür nehmen die Betroffenen auch Einkommenseinbußen in Kauf, beobachten Psychologen und Arbeitsforscher.

Teilzeitarbeit ist in den vergangenen Jahren in Österreich enorm gestiegen: Während 2004 laut Statistik Austria noch rund 620.000 Frauen teizeitbeschäftigt waren, waren es 2014 bereits 910.000 - ein Anstieg um beinahe 50 Prozent. Auch immer mehr Männer stellen auf Teilzeit um. Hier hat sich in den letzten zehn Jahren die Zahl der Teilzeitarbeitenden von knapp 100.000 auf 238.000 mehr als verdoppelt.

Hauptmotiv: Familie und Beruf vereinbaren

Frauen gehen vor allem deshalb Teilzeit arbeiten, damit sie Beruf und Familie vereinbaren können. Ein Beispiel von vielen ist die Grafikerin Sandra Buchholzer, die beim Fahnenhersteller Gärtner in Mittersill (Pinzgau) 15 Stunden in der Woche beschäftigt ist: „Ich kann mich meinen Kindern voll widmen und habe am Nachmittag viel Zeit für sie. Ich finde das eine super Lösung, dass man alles unter einen Hut bekommt.“

Angestellte im Büro vor dem Computer

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Teilzeitjobs sind für Mütter wichtig

Teilzeit bedeutet aber manchmal auch eine höhere Belastung - so wie für Roswitha Herzog, die die Stickerei bei Fahnen Gärtner leitet: „Ich habe nur die fünf Stunden am Vormittag, ich muss mit dem zurechtkommen und habe meine Aufträge, die ich schaffen muss. Es ist schon sehr stressig. Aber es ist eine schöne Aufgabe, das trotzdem zu schaffen. Am Nachmittag habe ich dann Zeit für die Kinder.“

Junge Väter schrauben öfter zurück

Mittlerweile interessieren sich aber auch immer mehr Männer für Teilzeitarbeit. Ein Beispiel ist der 36-jährige Apotheker Sebastian Lechner aus Hallein (Tennengau): „Damals, als meine Tochter zur Welt kam, haben ich und meine Frau uns bewusst entschieden, dass wir uns gegen ein bisschen mehr an Einkommen und für ein bisschen mehr an Zeit für die Familie entscheiden wollen.“ Lechner arbeitet nur mehr zu 70 Prozent: „Man muss bei ein paar Dingen etwas einsparen, aber hat dafür den Luxus, sehr viel Zeit und sehr viele Erinnerungen zu sammeln.“

Apotheker sortiert Medikamentenlade

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Sebastian Lechner hat in der Apotheke zurückgeschraubt, um Zeit für die Familie zu haben

Mehr Freizeit, weniger Alltag attraktiv

Vor allem die junge Generation legt mehr Wert auf Freizeit und Familie. Das bestätigt auch die Arbeitspsychologin Sandra Kröll vom Salzburger Zentrum für gesundes Arbeiten. Der Trend hin zur Teilzeit sei zwar noch überschaubar, werde in den kommenden Jahren aber zunehmen, erwartet sie.

Denn die bessere Balance zwischen Arbeit und Freizeit - ein Mehr an Freizeit und ein Weniger an Arbeitsalltag - ist vor allem für Männer attraktiv. Dafür nehmen sie auch die Einkommensverluste in Kauf, sagt Kröll: „Die jüngeren Männer versuchen, die Sinnstiftung im Leben zu finden, wirklich sinnstiftenden Tätigkeiten nachzugehen - beruflich, aber auch im privaten Bereich. Sie engagieren sich gesellschaftlich, politisch, bilden sich weiter, absolvieren zusätzliche Ausbildungen, können aber auch ihren Hobbys nachgehen. Und die jungen Väter möchten in der Erziehungsarbeit mit den Kindern mitwirken.“

Firmenchef muss mitspielen

Doch für Teilzeitarbeit braucht es die richtigen Rahmenbedingungen, sagt Eberhard Siegl vom Männerbüro Salzburg: „Erstens: Das Geld muss stimmen. Das zweite ist: Ich als Mann brauche eine Frau, die arbeiten gehen will und die mir als Mann das zutraut, dass ich als Mann die Kinder versorge. Und zuletzt muss es auch der Arbeitgeber wollen und sagen: Okay, das passt - wir fördern das.“

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Balance Arbeit-Freizeit immer wichtiger

Die richtige Balance zwischen Arbeitsalltag und Freizeit ist immer mehr Menschen immer wichtiger, berichtet Isabell Gunzer.

Denn nicht jeder Personalchef sieht es so wie Heidi Deutsch, die bei Fahnen Gärtner in Mittersill für das Personal zuständig ist: „Es ist ein großes Privileg, wenn man langjährige Topmitarbeiter im Haus hat - und dieses Privileg muss man sich verdienen. Und deshalb kommen wir gerne den Wünschen unserer Mitarbeiter entgegen. Es ist unser Job, dass unsere Mitarbeiter das Umfeld geboten bekommen, das ihnen ermöglicht, Familie und Beruf unter einen Hut zu bringen.“ Rund ein Drittel der 100 Mitarbeiter in dem Betrieb arbeitet Teilzeit - der Großteil ist weiblich.

Genereller Wunsch nach mehr Flexibilität

Clemens Zierler, Arbeitsforscher an der Kepler-Universität Linz, kennt die Wünsche nach mehr Teilzeit von beiden Seiten: „Es gibt sowohl von Arbeitgebern als auch von Arbeitnehmern her eine vermehrte Forderung nach Flexibilisierung. Wir merken in unseren Forschungsprojekten, dass es zunehmend eine Rolle spielt, wenn man Mitarbeiter sucht, dass diese auch die Work-Life-Balance einfordern und auch mehr Autonomie in ihrer Zeitgestaltung.“

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