Finanzskandal: „Kein Richter für Systemversagen“

Auch wenn noch weitere Anklagen folgen dürften: Der Salzburger Finanzskandal lässt sich rechtlich nur „unbefriedigend“ abwickeln. Für das „Systemversagen“ gebe es keinen Richter, sagt Finanzexperte Meinhard Lukas.

350 Millionen Euro Spekulationsverlust, dazu 130 Millionen Steuerschuld - macht unterm Strich 480 Millionen Euro. Der Finanzskandal des Jahres 2012 drückt schwer auf das Budget des Landes Salzburg. Die Ex-Budgetreferentin Monika Rathgeber wurde am Donnerstag für einen kleinen Teil der Causa von der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft angeklagt. wesentliche Teile der Affäre werden aber noch weiter untersucht.

Meinhard Lukas

ORF

Meinhard Lukas glaubt nicht, dass sich die moralische Verantwortung für den Finanzskandal auch in strafrechtlichen Prozessen niederschlägt

„Derzeit geht es nur um Urkundenfälschungen“

„Bei der jetzigen Anklage geht es um mutmaßliche Urkundenfälschungen. Das ist das einzige, was aus der Finanzcausa derzeit Gegenstand ist“, sagt Meinhard Lukas. Der Zivilrechtler und mittlerweile Rektor der Universität Linz beriet das Land Salzburg bei den Aufräumarbeiten nach Bekanntwerden des Skandals.

Und Lukas ist sich nach Bekanntwerden der ersten Anklage sicher: „Der eigentliche Finanzskandal - also die Spekulationen in Milliardenhöhe - sind noch nicht Thema. Nach meinem Wissensstand ist das auch noch nicht entschieden, ob es hier zu einer Anklage kommt. Und ich glaube, dass momentan die Staatsanwaltschaft sehr intensiv ermittelt, was die weisungswidrigen Geschäfte betrifft - also jene Geschäfte, die die Beschuldigte am Finanzbeirat vorbei gemacht hat.“

Meinhard Lukas im Interview

Über seine Erwartungen an die juristische Aufarbeitung des Finanzskandals spricht Meinhard Lukas im Interview mit Tobias Pötzelsberger.

Notverkauf von Brenner und Paulus „nicht korrekt“

Ex-Landesfinanzreferent David Brenner (SPÖ) und Ex-Finanzabteilungsleiter Eduard Paulus haben wegen der Notverkäufe von Finanzpapieren im Herbst 2012 keine Anklage zu erwarten: „Da geht’s um die Frage, ob da sorgfältig gehandelt wurde“, sagt Lukas. „Ich bin weiterhin überzeugt, dass das nicht sorgfältig war, wie dieser ‚Fire Sale‘ (Notverkauf - Anm.) abgewickelt worden ist. Vor ein Strafgericht gehört der Fire Sale aber nur dann, wenn vorsätzlich Pflichten verletzt worden sind. Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass kein Vorsatz vorliegt. Daraus sollte man aber nicht den Schluss ziehen, dass das korrekt abgelaufen ist. Ich bin weiterhin überzeugt, dass das nicht der Fall ist.“

Strafrechtlich sei der Finanzskandal für Brenner und Paulus damit abgeschlossen, meint auch Lukas - aber: „Pflichtverletzungen könnten noch zivilrechtlich eine Rolle spielen.“

„Strafrecht kann Causa nicht befriedigend erledigen“

Daran, dass Gerichte weitere Verantwortliche für den Finanzskandal aburteilen werden - so wie etwa vom aktuellen Landesfinanzreferenten Christian Stöckl (ÖVP) gefordert -, glaubt Meinhard Lukas aber nicht: „Ich habe eigentlich immer die Vermutung gehabt, dass das Strafrecht diese Causa nicht befriedigend erledigen wird. Es gibt in der Bevölkerung ein verständliches Bedürfnis nach individueller Verantwortung - dass konkrete Schuldige gefunden werden. Aber der eigentliche Skandal in Salzburg war das große Systemversagen - und dafür gibt es keinen Strafrichter.“

Der Finanzskandal wurde im Dezember 2012 öffentlich. Er brachte Spitzenpolitiker und führende Beamte um ihr Amt - und kostete die damals regierende SPÖ den Landeshauptfrausessel.

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