„Brauner Gürtel“ in Salzburg, OÖ und Bayern

Die rechtsextreme Szene in Salzburg, Oberösterreich und Bayern ist gut vernetzt - Polizei und Experten sprechen von einem „braunen Gürtel“. Rechtsextreme sind auch nicht mehr unbedingt Skinheads mit Springerstiefeln. Die Szene wandelte sich.

In der Stadt Salzburg ist die rechtsextreme Szene seit gut eineinhalb Jahren sehr aktiv: So wurde das Euthanasie-Mahnmal im Kurgarten neben dem Schloss Mirabell im Vorjahr zerstört, mehr als 70 Stolpersteine zum NS-Gedenken wurden mit Ruß oder Farbe beschmiert, rechtsextreme Graffitis wurden an viele Gebäuden in der Stadt geschmiert, auch die Anti-Rechts-Plakate der Stadt wurden vom Müllner Steg gerissen. Alle diese Aktionen haben gemeinsam, dass sich die Täter gegen die Erinnerung an NS-Opfer ausdrücken, Präsenz zeigen und ein Revier markieren.

Rechtsextreme Schmierei in der Stadt Salzburg

ORF

Zahlreiche NS-Schmierereien in der Stadt Salzburg erregten in den letzten Monaten Aufsehen

Polizei und Verfassungsschutz tappen bei der Suche nach Tätern oftmals lange im Dunkeln, gehen jedoch nicht von straff organisierten Neonazi-Gruppen aus: „Da gibt’s verschiedene Motive für diese Tätergruppen und für diese Einzeltäter. Aber es ist keine ideologische rechte Szene im Hintergrund“, sagt Burghard Vouk, Leiter des Landesamts für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung.

Bar in Salzburg-Mülln war Sammelpunkt der Szene

Auch Andreas Peham vom Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstands (DÖW) sieht das ähnlich: „Es ist eine organisierte Szene, aber wir dürfen uns das nicht als feste Organisation, als feste Gruppe vorstellen, sondern sehr lose. Die Zusammenschlüsse sind in Kleingruppen erfolgt, man hat bestenfalls an der Spitze Kontakt zueinander. Und was wir hier in Salzburg sehen: Sie haben sich um einen Ort gruppiert, um ein Lokal. Das war ganz konkret die ‚Odin Bar‘ in Salzburg-Mülln, die Ausgangspunkt von neonazistischen Aktivitäten und Gruppenbildungen war.“ Diese Bar wurde Anfang 2013 nach Polizeieinsätzen geschlossen - mehr dazu in Rechtsradikale Musik: Barbetreiber angezeigt (salzburg.ORF.at; 30.1.2013).

Die Bar als Kristallisationspunkt der Szene habe jetzt noch Spätfolgen, betont Peham: „Dort, wo’s so einen Treffpunkt über mehrere Monate oder gar Jahre hinweg gibt, kommt’s früher oder später zu einer Zunahme von neonazistisch motivierten Straftaten in der Umgebung.“

Kontakt Österreich-Deutschland „wirkt motivierend“

Doch auch der Rechtsextremismus-Experte Peham tut sich schwer, die Szene zu quantifizieren: „Wirklich nur ein kleiner Bruchteil vornehmlich von Männern in der Szene - aber der Frauenanteil steigt - ist wirklich in dem Sinn aktiv, dass sie regelmäßig zu Treffen gehen, auf Demonstrationen vor allem nach Deutschland fahren. Hier ist auch der Grenzverkehr angesprochen, der auch motivierend wirkt. Deutsche Neonazis begehen Straftaten in Österreich, österreichische Neonazis begehen Straftaten in Deutschland.“

Hinter Vandalenakten müssen nicht immer ideologische Neonazi-Kader stecken, beobachtet Bewährungshelfer Peter Wieser: „Ich denke, es ist auch ein bisschen Zufall, in welche Gruppe sie eintauchen. Es könnte durchaus auch in die andere Richtung gehen. Ich glaube, es gibt bei uns durchaus welche, die wegen rechtsextremer Schmierereien verurteilt wurden und die genauso das Anarchiezeichen auf den Dom gemalt hätten, wenn das jemand gesagt hätte - also genau in die andere Richtung.“

Ideologisch oft schwer greifbar

Von außen sind die Rechten jedenfalls nicht mehr so eindeutig erkennbar, beobachtet auch die Historikerin und Pädagogin Kathrin Quatember vom Friedensbüro Salzburg: „Diese Nazi-Hipster oder ‚Nipster‘ sind eigentlich eine relativ neue Form des Rechtsextremismus. Und es ist mittlerweile auch, was die Ideologie betrifft, mittlerweile nicht mehr so einfach zu sagen, weil es durchaus Gruppen gibt, die sich zum Beispiel vom historischen Nationalsozialismus ganz bewusst distanzieren, aber trotzdem als rechtsextrem einzustufen sind.“

Auch die rechtsradikale Musik wird weicher und gesellschaftsfähiger: Es gibt nicht mehr nur harten Rechtsrock, sondern auch nationalistischen Hip Hop. Rechtsextreme passen sich an Jugendströmungen und Trends an - so findet man auf YouTube zum Beispiel auch eine vergane Kochshow mit Sturmhauben.

Rechtsextreme Kochshow in Sturmmasken auf YouTube

YouTube

Rechtsextreme präsentieren sich auch schon einmal mit einer veganen Kochshow in YouTube

„Neonazismus ist ‚Pop‘ geworden“

Bei der Rekrutierung spielt das Internet eine „große“ Rolle, weiß DÖW-Mann Peham: „Das ist das Haupt-Rekrutierungsmedium, der Haupt-Rekrutierungsort. Es ist auch ein wichtiger Kommunikationsort, wobei Neonazis auch gelernt haben, sich in den sozialen Medien so zu präsentieren, dass sie nicht gleich als Neonazis oder Rechtsextreme erkannt werden. Sie haben dazugelernt. Sie wissen, dass sie sich heute nicht mehr als Neonazis darstellen können, wenn sie Erfolg haben wollen. Sie sind ‚moderner‘ und auch poppiger geworden. Man kann auch sagen: Neonazismus ist so wie der Dschihadismus Pop geworden.“

Die Organisatoren der rechten Szene „kommen mehrheitlich aus nicht-desolaten Elternhäusern“, weiß Peham. „Die sind auch nicht bildungsfern, die haben mindestens die Matura, wenn nicht sogar mehr - Fachhochschule oder Universität. Es ist ein Vorurteil zu glauben, dass die Führungskader aus verwahrlosten, desolaten, armen, bildungsfernen Elternhäusern oder Schichten kommen.“

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Katharina Garzuly berichtet über die rechte Szene

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