Richterin nicht zuständig: Gutachter als Betrüger?

Die Richterin hat am Freitagnachmittag im Betrugsprozess gegen einen Ex-Gerichtsgutachter ein Unzuständigkeitsurteil gefällt. Sie war der Ansicht, dass ihre Strafbefugnis als Einzelrichterin in dem Verfahren überschritten wird.

„Käme sie zur Ansicht, dass schwerer gewerbsmäßiger Betrug vorliegt, dann müsste nämlich ein Schöffengericht urteilen“, sagt dazu Gerichtspräsident Hans Rathgeb. Richterin Martina Pfarrkirchner hatte schon zum Auftakt der Verhandlung am Freitagvormittag klar gemacht, dass ihre sachliche Zuständigkeit keinesfalls klar sei.

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Die Staatsanwaltschaft gab am Freitag keine Erklärung zum Unzuständigkeitsurteil ab, die Verteidigung des angeklagten Psychologen hat dagegen berufen. Damit muss das Oberlandesgericht (OLG) Linz klären, ob der Spruch der Richterin richtig war oder nicht.

Schwere Vorwürfe gegen den Psychologen

Am Freitag startete beim Landesgericht Salzburg dieser Strafprozess gegen den ehemaligen Gerichtsgutachter. Er soll in Obsorge- und Pflegschaftsverfahren falsche Gutachten erstellt haben. Der Angeklagte weist die Vorwürfe von sich.
Wegen des Vorwurfs der falschen Beweisaussage in Obsorge- und Pflegschaftsverfahren in Salzburg und Oberösterreich muss sich der Psychologe verantworten. Konkret werden 13 Fälle aus den Jahren 2005 bis 2008 verhandelt. Die Staatsanwaltschaft beantragte für das Verfahren 16 Zeugen.

„Mit Textbausteinen gearbeitet“

Der beschuldigte Psychologe soll die für Gutachten erforderlichen Tatsachen objektiv unrichtig angegeben haben, lautete der Tenor der Vorwürfe in der Anklage. Akteninhalte seien willkürlich dargestellt worden, vielfach sei keine adäquate Aktenanalyse vorgenommen worden. Der gebürtige Tiroler habe keine auf den Einzelfall bezogene Diagnostik durchgeführt, sondern Routineschemata verwendet.

Betroffene werfen ihm Manipulationen vor

Die strittigen Verfahren wurden an Bezirksgerichten in Oberösterreich und Salzburg geführt. Der Beschuldigte erstellte familienpsychologische Gutachten. Es ging vorwiegend darum, welcher Elternteil für die Obsorge der Kinder geeignet ist. Außerdem ging es um die Besuchsrechte des Vaters oder der Großeltern und die Fremdunterbringung der Kinder sowie um Sachwalterschaften.

Betroffene warfen dem selbstständigen Psychologen vor, durch idente Textbausteine Gutachten quasi am Fließband fabriziert zu haben. Er habe in einseitiger Weise Zeugenaussagen und Ergebnisse psychologischer Tests manipuliert. Oft seien die Entscheidungen pauschal zulasten von Vätern gegangen, wurde bemängelt. Der Beschuldigte war bis Ende 2009 als Sachverständiger tätig. Er soll mehrere hundert Expertisen verfasst haben.

Verteidiger sehen „Streit der Schulmeinungen“

Die Verteidiger des Gutachters, setzten am Freitag alles daran, den Gutachter des Gerichts, einen renommierten Psychologieprofessor aus Berlin, unglaubwürdig zu machen. Sie stellten gleich mehrere Anträge, um den Mann abzusetzen. Der Angeklagte sei Opfer eines Streits verschiedener Schulmeinungen, so die Verteidiger. Das Gericht beharrte auf dem Gutachter, auch der Angeklagte selbst habe gesagt, er schätze den Mann, so die Richterin. Über eine Stunde wurde im Gutachterprozess über die Eignung des Gerichtsgutachters gestritten.

Ermittlungen in Linz geführt

Um den Anschein der Befangenheit zu vermeiden, waren die Ermittlungen in dem Fall von Salzburg nach Linz delegiert worden. Der Prozess findet jetzt aber trotzdem beim Landesgericht Salzburg statt, obwohl die zuständige Richterin einen Antrag auf Befangenheit gestellt hatte. Der Oberste Gerichtshof lehnte aber eine Delegierung der Causa ab.

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