Armut trotz Arbeit: 200.000 Betroffene

In Österreich sind rund 200.000 Menschen von Armut betroffen, obwohl sie ganz normal im Arbeitsleben stehen. Das stellte am Dienstag die Armutskonferenz in Salzburg klar. Es wurde auch eine Vermögenssteuer gefordert, um Armut zu bekämpfen.

Armut ist vor allem weiblich, Armut betrifft vor allem Ältere, Armut ist erblich - und Armut wird immer alltäglicher: Jeder fünfte Österreicher ist mittlerweile von Armut oder sozialer Ausgrenzung bedroht, darunter auch zunehmend Menschen, die ganz normal im Erwerbsleben stehen. Europaweit ist sogar jeder Vierte von Armut oder sozialer Ausgrenzung bedroht - insgesamt rund 120 Millionen Menschen.

Bisher „kein Gegensteuern“ gegen Liberalisierung

Extrem armutsgefährdet sind in Österreich Ausländer, Alleinerzieherinnen, Langzeitarbeitslose und allein lebende Pensionisten - zu jeweils gleichen Teilen. Dazu kommen noch die mehr als 200.000 von Armut Betroffenen, die ganz normal im Erwerbsleben stehen, beobachtet Manfred Krenn von der Forschungsstelle Arbeitswelt: „Ich glaube, dass die Entwicklung in diese Richtung weitergehen wird, weil diese Liberalisierung von Arbeit, von Wirtschaft - trotz der Finanzkrise und ihrer Auswirkungen - bis jetzt in Europa und Österreich keine Gegensteuerung erfahren hat.“

Mann bei Essensausgabe

ORF

Armut trotz Arbeit - für immer mehr Österreicher ist das Realität

In der Pfarre Salzburg-Mülln kümmert sich das Projekt „Armut teilen“ um bedürftige Menschen. Im Vorjahr betreute Projektleiter David Lang 250 Menschen - doppelt so viele wie noch vor wenigen Jahren. Auch Erwerbstätige brauchen immer öfter finanzielle Unterstützung, weiß Lang: „Es wird zunehmend mehr. Was vor allem auffällt ist, dass es immer schwieriger wird, einer vollen Erwerbstätigkeit nachzugehen - gerade bei den Alleinerzieherinnen vom Stundenausmaß und vor allem von den Arbeitszeiten her.“ Armut wird auch ganz stark vererbt, sagt Lang: „Wenn man in die Biographie von all’ den Leuten schaut, die zu mir kommen, sieht man ganz eindeutig, dass Armut vererbt wird.“

„Geld den 0,1 Prozent der Vermögenden abzwacken“

Um die Armut in Österreich zu bekämpfen, müssten die die Reichsten einen Beitrag leisten, forderte Brigitte Unger von der Universität Utrecht bei der Armutskonferenz: „Wir müssen von den 0,1 Prozent Vermögenden, wo sich das Vermögen sowohl in Österreich als auch in der EU angesammelt hat, diesen Teil wieder abzwacken und den Armen, den unteren Einkommensbeziehern zur Verfügung stellen. In diesem Sinn ist sowohl in Österreich als auch in der EU eine Erbschafts- und Vermögenssteuer unausweichlich, wenn wir Armut bekämpfen wollen.“

Denn für Österreich „wäre es wichtig“, die Mindestsicherung auszubauen, ist die Wissenschafterin überzeugt: „Ich höre zum Beispiel, dass tarifvertraglich 500.000 Österreicher nicht einmal mit Mindesteinkommen abgesichert sind. Da ist viel zu tun. Und es ist natürlich auch das Wohnen, das Gesundheitssystem usw. so zu machen, dass Menschen nicht in Armut fallen.“

Hoffen auf Unterstützung aus Wirtschaft

Konzerne und Wirtschaftsverbände könnten bei der Bekämpfung der Armut Einiges mithelfen, ist Unger überzeugt: „Ich glaube, eine kluge Wirtschaft weiß, dass sie nur genug verkaufen kann, wenn andere Leute genug Einkommen haben, um etwas zu kaufen. Wenn ich einen großen Teil der Bevölkerung verarmen lasse, habe ich keine Kaufkraft. Das müsste die Wirtschaft verstehen - und ich glaube, sie versteht es auch teilweise.“ Unger forscht zu Steuerhinterziehung und Korruption - und sie weiß, dass genug Geld für die Armen da wäre: „Wir haben alleine in Europa 1.000 Milliarden Euro an Geldwäschegeldern, die da wären. Wir haben weltweit 32 Billionen Euro an Steuerhinterziehungs- und Geldwäschegeldern.“

In ihrer zweiten Funktion am wirtschafts- und sozialwissenschaftlichen Institut in Düsseldorf beschäftigt sich Unger auch mit den Armen: „Und wenn man sich Reichtum und Armut gleichzeitig anschaut, sieht man, wie leicht das eigentlich wäre, das umzuverteilen. Es fehlt an der politischen Durchsetzungskraft, auch am politischen Willen. Man müsste dieses 0,1 Prozent der Reichsten einmal zur Kasse bitten, um das umzuverteilen.“

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Karl Kern berichtet über die Armutskonferenz

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