Gurlitt-Bilder: „Dritt- bis Erstklassiges“

Der im Mai verstorbene Kunstsammler Cornelius Gurlitt hatte in seinem Haus in Salzburg-Aigen ein „völliges Durcheinander“ von Bildern gelagert: „Es findet sich Drittklassiges neben Erstklassigem“, sagt der Kunstexperte der Stadt Salzburg.

Haus von Cornelius Gurlitt in Salzburg-Aigen

Gerald Lehner

Im Haus von Gurlitt in Aigen waren 255 Kunstwerke gelagert

Drei Tage nach der Annahme des Nachlasses von Cornelius Gurlitt veröffentlichte das Kunstmuseum Bern am Donnerstag die Liste jener Werke, die im Salzburger Haus des im Mai verstorbenen Kunststammlers gefunden wurden. Das 95-seitige Dokument führt insgesamt 255 Stücke an.

„Die Sammlung ist ein völlig zufälliges Durcheinander. Es findet sich Drittklassiges und Zweitklassiges neben Erstklassigem“, sagte Anton Gugg, Experte für Bildende Kunst der Stadt Salzburg, am Freitag nach einer ersten Durchsicht der Liste zur APA. „Einige Werkgruppen sind erstaunlich, vorausgesetzt alles ist echt. Andere sind durchschnittlich bis marginal.“

„Waterloobridge“ von Monet wohl wertvollstes Stück

Am wichtigsten seien die Werke französischer Expressionisten, Ölmalerei von Paul Cezanne, Paul Signac und Claude Monet. Letztgenannter dürfte mit seinem Ölbild „Waterloobridge“ aus dem Jahr 1903 das wohl wertvollste Stück der Sammlung stellen. Gugg schätzt alleine dieses Bild auf 30 Mio. Euro: „Ein Spitzenwerk.“ Als „Zuckerl“ bezeichnete Gugg überdies Werke von Erich Heckel, Wassily Kandinsky und Ernst Ludwig Kirchner. „Die deutschen Expressionisten sind mit guten Blättern vertreten.“ Ein großes Konvolut an Zeichnungen und Malereien von Max Liebermann genieße gleichfalls hohen Stellenwert.

Gurlitt Fund wieder neue Bilder

ORF

„Waterloobridge“ von Claude Monet schätzt der Kunstexperte der Stadt Salzburg auf 30 Mio. Euro

Viel Durchschnittliches, einige Skurrilitäten

Ansonsten überwiege die Durchschnittlichkeit: „Die Altmeister sind durchwegs zweitklassig oder stechen nicht besonders hervor.“ Ein großer Block mit Druckgrafiken sei „sogar eher enttäuschend und wenig aufsehenerregend. Das sind Sachen, die jeder Kunstsammler hat.“ Auch die in der Liste vertretenen Stücke des Malers und Grafikers Henri de Toulouse-Lautrec seien schwach.

Die größte geschlossene Werkgruppe in der Salzburg-Sammlung Gurlitts sind rund 30 Zeichnungen und Skizzen des Bildhauers Auguste Rodin. Wichtiger sei hier eine Plastik des Franzosen - ein Bronzeguss einer liegenden Frau auf einem Felsen. Wenig Bedeutung misst Gugg hingegen einer Reihe kleiner ägyptischer Grabbeigaben, Tonfiguren oder japanischer Raku-Keramik bei. Eine Tischglocke aus Messing oder eine Glasdose mit Halbedelsteinen hält er für Skurrilitäten. „Aber in jeder Sammlung gibt es vernachlässigbare Sachen.“

„Interessanterer Teil der Gurlitt-Sammlung“

„Das Salzburger Konvolut ist mit Abstand der interessantere und wertvollere Teil der Gurlitt-Sammlung“, sagt hingegen der renommierte deutsche Provenienzforscher Willi Korte. „Wenn die Bilder in einem ordentlichen Zustand sind, reden wir sicher von einem mehrstelligen Millionenbetrag.“ Für Werke der Impressionisten oder bekannte Altmeisterbilder, die in der Sammlung auch zu finden sind, seien heute auf dem Kunstmarkt die höchsten Preise zu erzielen.

Ein konkreter Raubkunst-Verdacht

In der Salzburger Kunstsammlung befindet sich nach Einschätzung des deutschen Provenienzforschers zudem auch Nazi-Raubkunst: Bei dem Gemälde „Paris Kathedrale“ von Camille Pissarro aus dem Jahr 1902 soll es sich um ein Werk handeln, das der jüdischen Familie Heilbronn in Frankreich geraubt wurde. Das Bild dürfte Millionen Euro wert sein. Ein anderer Pissarro brachte erst im Frühjahr bei einer Versteigerung in London rund 23,7 Mio. Euro ein.

Die „Salzburger Bilder“ aus dem Gurlitt-Nachlass lagern derzeit in einem Depot in Wien. Das Kunstmuseum Bern (KMB) kann bei diesen Bildern selbst entscheiden, wann es die Raubkunst-Taskforce einschaltet: „Das KMB nimmt zu diesen Werken eine eigene vorbereitende Provenienzforschung vor, um zu ermitteln, welche Werke das KMB an die Taskforce übergibt“, heißt es im Vertrag zwischen dem Museum, der Bundesrepublik Deutschland und dem Freistaat Bayern. Die in Gurlitts Wohnung in München-Schwabing gelagerten Werke werden hingegen automatisch von dem Expertengremium auf ihre Herkunft untersucht.

Offen, was mit dem Gurlitt-Haus passiert

Was aus Gurlitts Salzburger Haus, das Picasso, Monet, Munch und Manet jahre-, wenn nicht jahrzehntelang beheimatete, werden soll, ist unterdessen noch unklar: Die Stadt Salzburg weiß laut Magistrats-Sprecher Johannes Greifeneder im Moment auch nicht so genau, was mit dem verfallenen, abrissreifen Häuschen im begehrten Villenviertel Aigen passieren soll. Das Grundstück sei sehr wertvoll.

Die Stadt geht davon aus, dass das Haus in absehbarer Zukunft, im kommenden Jahr oder 2016, wohl abgerissen wird. Dazu muss aber erst einmal endgültig geklärt werden, wem das Anwesen jetzt gehört.

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