Jeder Zweite leidet an Stress am Arbeitsplatz

Jeder zweite Arbeitnehmer klagt laut EU über Stress im Job. Depressionen und Burn Out können die Folge sein. Arbeitsbedingter Stress verursacht demnach mehr als die Hälfte aller Krankenstandstage.

Je größer der Stress, desto höher die Gefahr, körperlich oder psychisch zu erkranken. Auch die EU bewertet berufsbedingten Stress mittlerweile als zweitgrößtes Gesundheitsproblem am Arbeitsplatz. „Die Menschen leiden unter Zeit- und Termindruck, unter schlechter Arbeitsorganisation“, weiß Arbeitspsychologin Karin Hagenauer. „Sie müssen immer mehr in immer weniger Zeit leisten. Führungskräfte sind nicht verfügbar. Das sind Themen, mit denen wir in den Beratungen konfrontiert sind.“

Frauen viel öfter betroffen als Männer

Vor allem Frauen seien durch die Mehrfachbelastung von Beruf und Familie „auf jeden Fall viel öfter“ von Stress belastet als Männer, betont die Psychologin.

Eine vom Stress Betroffene ist die erfolgreiche Pressesprecherin Anita Oberholzer. Nach 25 Jahren im Job brach sie zusammen und war fünf Monate lang arbeitsunfähig: „Das kommt nicht von heute auf morgen“, schildert Oberholzer. „Man merkt das in mehreren Phasen. Am Anfang will man’s gar nicht wahrhaben, dass man so voll im Stress drinnen ist. Man denkt sich: Es muss einfach immer gehen und man muss immer bereit sein, alles zu tun - sowohl privat als auch beruflich. Es wird aber dann mühsamer mit der Zeit. Man wird müder, man wird aggressiv, man kann sich nicht mehr so gut konzentrieren. Es geht dann so weit, dass man Schlafstörungen bekommt bis hin zu Panikattacken: Herzrasen mitten in der Nacht oder am Tag von jetzt auf gleich - bis zur Ohnmacht.“

Frau sitzt im Büro am Schreibtisch vor dem Computer

ORF

Anita Oberholzer änderte ihr Leben nach einem Zusammenbruch radikal

Die 53-jährige Oberholzer änderte ihr Leben radikal, reduzierte die Arbeit auf 60 Prozent und schreibt nun als Internet-Redakteurin. Wöchentliche Therapien helfen ihr zudem.

Überlastung, um „überall der Beste zu sein“

Auch der Flachgauer Robert Brand geht als Stressopfer in die psychosomatische Tagesklinik im Landeskrankenhaus. Der vierfache Vater und Bau-Vermesser geriet ebenfalls durch Stress ins Burnout: „Der Stress ist natürlich irgendwo hausgemacht. Die eigene Persönlichkeit kommt dann auch noch dazu. Dass man schaut, dass man überall der Beste sein möchte und sich derartig überfordert: guter Familienvater, guter Ehemann und gut in der Arbeit - und das zeitlich dann nicht mehr schaffen.“

Nach den Therapien gab Brand seinen Job auf. Der 55-Jährige will sich nun neu orientieren und sucht Arbeit.

„Beziehungen und Freundschaften für Arbeit beendet“

Ein dritter Betroffener ist der 41 Jahre alte Christof Dietrichsteiner aus der Stadt Salzburg. Der Selbstständige begab sich einen Monat lang in die Christian-Doppler-Klinik, um seine Ermüdungs-Depressionen in den Griff zu bekommen: „Angefangen hat’s damit, dass ich immer mehr Abstriche in meinem Privatleben gemacht habe, mich immer mehr auf die Arbeit fokussiert habe, Beziehungen und Freundschaften beendet habe“, schildert Dietrichsteiner. „Es geht dann weiter über das Einsparen von jeglicher Freizeitaktivität, jeglichem Sport, jeglicher Bewegung - immer nur fokussiert auf die Arbeit. Irgendwo auf der Strecke geht dir dann die Kraft aus.“

Jetzt, ein Jahr später, gelingt es Christof Dietrichsteiner nach und nach, stressfreier zu leben.

„Menschen müssen sich trauen, ‚Nein‘ zu sagen“

Eine Stress-Erkrankung gilt oft noch als Tabu obwohl viele davon betroffen sind: „Der Stress wird zunehmend mehr beachtet, ist aber leider Gottes nach wie vor unterschätzt“, sagt Manfred Stelzig, Vorstand der psychosomatischen Klinik am LKH. „Wir müssen lernen, in der Stress-Waage zu denken. Dass wir sehen: Was ist das, was uns auf der einen Seite belastet? Und was gibt Lebensfreude, Ausgleich? Wie kommen wir wieder zur Entspannung?“

Allerdings ist es ein langer, schwieriger Weg, alte Gewohnheiten und Lebensmuster, die zu Stress führen, tatsächlich hinter sich zu lassen. „Die Menschen müssen sich endlich trauen, einmal ‚Nein‘ zu sagen, ‚Es ist genug, wir schaffen nicht mehr‘“, weiß Arbeitspsychologin Hagenauer. „Man kann zum Chef gehen, man kann zum Betriebsrat gehen, man kann sich auch mit Kollegen austauschen. Das sind die ersten Schritte, die man gehen sollte. Man kann sich auch Hilfe suchen bei der Arbeiterkammer.“ Allerdings: Das passiert aus Angst vor dem Arbeitsplatz oft nicht, weiß auch die Psychologin.

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Romy Seidl berichtet über Stress am Arbeitsplatz

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