Flüchtlingsheim: „Von Ministerium überrumpelt“

Bereits diese Woche sollen 40 Flüchtlinge in ein ehemaliges Hotel in Abtenau (Tennengau) einziehen. Dadurch fühlen sich Gemeinde- und Landespolitik vom Innenministerium „überrumpelt“. Sie seien vor vollendete Tatsachen gestellt worden.

Ursprünglich war laut Innenministerium geplant, 120 Menschen zusätzlich in Abtenau unterzubringen. Nun sind es 40. Bürgermeister Johann Schnitzhofer (ÖVP) ist dagegen, dass im Ortsteil Voglau mit 700 Einwohnern ein so großes Flüchtlingsheim entsteht: „Eine Bundeseinrichtung mit über 100 Leuten an so einem Ort zu machen - das ist ein Wahnsinn.“ Dienstagabend wurde in einer außerordentlichen Gemeindevertretungssitzung die Entwicklung beraten. Mittwochabend gibt es im Gasthaus Voglau eine Bürgerversammlung.

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„Haus diese Woche wahrscheinlich ganz angefüllt“

Der Abtenauer Bürgermeister fühlte sich ohnmächtig angesichts der vollendeten Tatsachen, vor die er gestellt wurde: ein persönlicher Anruf von Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) Dienstagfrüh, der Besuch eines Ministerialbeamten am späten Nachmittag: „Wir haben keine Möglichkeit, die Bevölkerung zu informieren. Wir sind auch der Meinung, dass das vom Raumordnungsrecht her nicht geht. Wir haben überhaupt keine Möglichkeit, da etwas zu überprüfen. Ich fühle mich in diesem Fall schon etwas überrumpelt. Der vom Innenministerium hat mir gesagt, dass ich mir mehr oder weniger aussuchen kann, ob am Mittwoch oder Donnerstag.“

Bereits am Mittwoch sollen jene 40 Flüchtlinge nach Abtenau kommen, die im Augenblick in der Turnhalle der Landespolizeidirektion Salzburg hausen: „Aber der Ministerialbeamte hat auch gleich nicht hinterm Berg gehalten, dass diese Woche wahrscheinlich das ganze Haus angefüllt wird“, sagte der Bürgermeister Dienstagabend.

Das Lammertal Resort in Abtenau (Tennengau)

ORF

Im seit dem Hochwasser 2013 leerstehenden Lammertal Resort sollen noch diese Woche Flüchtlinge einziehen

Zuständige Landesrätin „nicht informiert“

Noch überraschter reagierte Asyllandesrätin Martina Berthold (Grüne). Sie erfuhr überhaupt erst auf ORF-Anfrage Dienstagnachmittag von neuen Asylheim in Abtenau: „Ich bin nicht informiert - in gewisser Weise fühle ich mich überrumpelt. Und 120 Plätze in einer Gemeinde finde ich definitiv zu viel.“

Berthold und Landeshauptmann Wilfried Haslauer (ÖVP) bitten jetzt alle Salzburger Bürgermeister um Solidarität, damit sie Abtenau so viel wie möglich entlasten und auch Flüchtlinge aufnehmen: „Es ist in der Tat ein enormer Flüchtlingszustrom, den wir gemeinsam bewältigen müssen“, sagte Haslauer gegenüber dem ORF. „Aber ich war einigermaßen konsterniert, dass uns das Innenministerium vor vollendete Tatsachen setzt mit der Anmietung des Gebäudes in Abtenau.“

Haslauer: „In Abtenau 40 Flüchtlinge, bis Jahresende“

In Gesprächen Mittwochvormittag habe er sich mit Mikl-Leitner darauf geeinigt, „dass in Abtenau befristet bis zum Jahresende 40 Flüchtlinge untergebracht werden“, so Haslauer. „Das ist eine Größenordnung, die für Abtenau verträglich ist. Wir werden dann prüfen, ob es weitere Möglichkeiten in Abtenau gibt.“

Zudem bemühe sich das Land Salzburg, bis zum Wochenende zusätzliche 55 Plätze für Flüchtlinge im Bundesland bereitzustellen, so Haslauer: „Ich habe der Ministerin, mit der wir sonst so gut zusammenarbeiten, auch gesagt, dass das so nicht geht - dass man uns nicht vor vollendete Tatsachen stellen kann. Ich hatte ein sehr ausführliches Gespräch mit der Innenministerin - und ich denke, wir werden die Dinge jetzt gemeinsam gut machen.“

Ministerium kritisiert Land und Gemeinde

Karl-Heinz Grundböck, Sprecher des Innenministeriums, hatte gegenüber der APA zu Mitmenschlichkeit appelliert. Er würde es bedauerlich finden, wenn bürokratische Argumente wie die Raumordnung gegen die menschenwürdige Unterbringung von Flüchtlingen vorgebracht werden: „Das ist schwer nachvollziehbar, wenn Menschen in einem Turnsaal nächtigen müssen.“

Angesichts der Tatsache, dass in den vergangenen Tagen und Wochen täglich bis zu 170 Anträge von Flüchtlingen einlangten, seien neue Quartiere erforderlich, so Grundböck. Die größte Gruppe seien Syrer. Doch die Übernahmezahlen der in Bundesbetreuung befindlichen Flüchtlinge durch die Bundesländer würden sich an keinem Tag im dreistelligen Bereich bewegen, kritisierte der Ministeriumssprecher. Auch Salzburg sei bei der Erfüllung der Quote säumig. Die 5.700 Einwohner zählende Gemeinde Abtenau aktuell noch keinen einzigen Asylwerber aufgenommen, so Grundböck. Man wolle durchaus einen Beitrag leisten, sagte Bürgermeister Johann Schnitzhofer (ÖVP): Abtenau habe in den vergangenen Jahren auch immer wieder Flüchtlinge aufgenommen. Man sei auch schon mit dem Land Salzburg in Kontakt gewesen, um 40 Flüchtlinge aufzunehmen. Die Aktion des Ministeriums habe diese Bemühungen nun aber zunichte gemacht.

Mikl-Leitner kündigte im Juli härteren Kurs an

Mikl-Leitner hatte Salzburg schon vor zwei Monaten die Rute ins Fenster gestellt: Wenn das Land die Asylwerberquote nicht erfülle, dann werde eben das Innenministerium selbst für Unterkünfte sorgen. Salzburg bringt immer noch fast 200 Flüchtlinge zu wenig unter.

Am Dienstag machte Mikl-Leitner schließlich Ernst. Noch am Mittwoch würden die 40 Flüchtlinge aus der Polizeiturnhalle in das Abtenauer Ex-Hotel übersiedeln, sagte Ministeriumssprecher Grundböck. Das Gasthaus sei von der Betreiberin als Quartier angeboten worden. Grundböck sprach von einer „temporären“ Unterbringung in Abtenau. Auch wenn sich die Gemeinde gegen eine Bundesbetreuung ausspreche, ändere das nichts an der Notwendigkeit, dort eine vorübergehende Betreuungsstelle einzurichten.

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