EU-Expertin lobt Juncker
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Juncker wurde Dienstag vom EU-Parlament zum neuen Präsidenten der EU-Kommission gewählt. Er erinnere viele In- und Outsider an seinen politisch stärksten und charismatischen Vorgänger und habe „einen Funken dieses Jacques Delors“ in sich, betont die Salzburger Politikwissenschafterin.
„Nach Delors nur schwache Chefs“
Der Franzose Delors war als Präsident der Europäischen Kommission von 1985 bis 1995 der Wegbereiter der EU in ihrer heutigen Form - von der Einführung der einheitlichen europäischen Akte und der Neuordnung des Binnenmarktes bis zur Vorbereitung des Vertrags von Maastricht, mit der die Europäische Gemeinschaft zur Europäische Union umgewandelt wurde. „Man hat sich danach nur noch für schwache Kommissionspräsidenten entschieden, bis hin zu Barroso“, sagt Puntscher-Riekmann in einem Interview für die APA. Mit dem System der schwachen Chefs sei nun erstmals seit zwei Jahrzehnten gebrochen worden.
Juncker hat EU-Parlament nicht gegen sich
Der bisherige Amtsinhaber in Brüssel, der Portugiese Jose Manuel Barroso, wurde 2004 als Kompromisskandidat von den Staats- und Regierungschefs ausgewählt und 2009 für eine zweite Amtszeit bestätigt. Im Gegensatz zu ihm und seinen Vorgängern wurde Juncker als Spitzenkandidat seiner europäischen Parteienfamilie aufgestellt und genießt darum im Europaparlament eine Hausmacht. Dieses System wird auch nach Juncker bleiben, glaubt die Salzburger Politikwissenschafterin.
Endlich gemeinsame Fiskal- und Sozialpolitik?
Offen bleibt der Spielraum für die neue Kommission. „Was Juncker leisten kann, das werden wir dann sehen“, so Puntscher-Riekmann. Europa sei dadurch in die Eurokrise geschlittert, weil keine Annäherung der Volkswirtschaften, ja nicht einmal eine gemeinsame Fiskalpolitik, gelungen sei. Es liege nun an Juncker, im Einklang mit den nationalen Interessen zu einem größeren Maß Europas Wirtschaftspolitik zu steuern.
„Große Staaten spielen immer ihre Spiele“
Über den Sommer muss Juncker zunächst mit den Mitgliedsstaaten die Zusammensetzung seiner Kommission ausmachen. Hier werde es zum Kräftemessen von Ländern wie Frankreich und Italien, Deutschland und Großbritannien kommen. „Die großen Staaten spielen Spiele, wie sie sie immer gespielt haben“, sagt Puntscher-Riekmann. Das führe etwa dazu, dass nicht die politisch gewichtigsten Kandidaten Ämter wie jenes der EU-Außenbeauftragten einnähmen. „Die Staaten sind nicht bereit, tatsächlich Macht an die Hohe Repräsentantin abzugeben“, so die Leiterin des Salzburg Centre of European Union Studies.
Wahl am Dienstag für Juncker erfolgreich
Das EU-Parlament hat nun Jean-Claude Juncker zum neuen Präsidenten der EU-Kommission gewählt. Der frühere luxemburgische Regierungschef und „Mister Euro“ erreichte die Mehrheit der EU-Parlamentarier. 422 der 751 Europaparlamentarier stimmten am Dienstag in Straßburg für Juncker. Gegen ihn votierten 250 Abgeordnete. Mehr dazu in ORF.at